■ Wird Netanjahu die Rechtsextremen zügeln können?: Teurer Sieg
Sollte Helmut Kohl, abgebrüht wie er ist, diesmal recht haben? Netanjahu sei daran zu messen, was für eine Politik er ankündige, vor allem aber daran – so der Kanzler in Marokko – welche Politik er durchsetze. Gilt auch in Nahost, woran man sich im Westen längst gewöhnt hat, daß die Versprechungen von Politikern das Magnetband nicht wert sind, auf das sie gesprochen wurden?
Im Fall Benjamin Netanjahus, der zwar einem nationalistischen Milieu entstammt, das politische Handwerk aber in der Medienwelt der USA erlernt hat, ist das wahrscheinlich. Ob ihn seine amerikanischen Jahre bei allem Machtbewußtsein nicht doch den Eigentümlichkeiten der israelischen Politik entfremdet haben, wird sich zeigen. Prüfstein ist, ob er die Geister, die ihn an die Macht trugen, unter Kontrolle halten kann. Wird er die Rechtsextremisten Scharon und Ejtan sowie die ideologisch verbohrte nationalreligiöse Partei zügeln?
Für den Fortgang des Friedensprozesses spricht bei allen Zweifeln, daß die USA die Nahostpolitik nicht bis nach den Präsidentschaftswahlen auf Eis legen wollen. Warren Christopher hat schon angekündigt, Netanjahu bei seinem Antrittsbesuch in Washington zu „briefen“. Schließlich wird – wie so oft – das liebe Geld eine entscheidende Rolle spielen. Denn der neugewählte Ministerpräsident muß bei seiner schmalen parlamentarischen Mehrheit die künftigen Koalitionspartner hoch bezahlen. Viel Geld kosten die Stimmen von Scharanskis Partei der russischen Einwanderer, teuer kommt die vor allem an Pfründen interessierte orientalisch religiöse Schas Partei zu stehen. Auch die Siedlungspolitik der Nationalreligiösen ist nichts als sinnloser Subventionsbetrieb. Da der Likud nicht nur aus der nationalistischen Beitar Partei, sondern auch aus Wirtschaftsliberalen besteht, die nichts mehr fürchten, als ein Ende des anhaltenden Booms, wird sich Netanjahu zwischen innenpolitischer Machtsicherung und unproduktiver symbolischer Politik entscheiden müssen.
So wird sich der palästinensische Staatsgründungsprozeß verlangsamen, ohne beendet zu werden, während der syrische Präsident Assad seine heißgeliebte Rolle als unbequemer Führer des letzten Frontstaates neben Libanon weiterspielen darf. Auf dem Golan freilich dürfte sich in den nächsten Jahren nichts mehr bewegen. Aber wen interessiert das – Hand aufs Herz – schon wirklich? Micha Brumlik
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