Teurer Immobilienmarkt: Eine Nacht drüber schlafen ist nicht drin
Nicht nur die Mieten für innerstädtischen Wohnraum steigen. Auch Eigentumswohnungen werden immer teurer, sind für Normalverdiener bald unbezahlbar. Darunter leiden auch potenzielle Neumieter.
Das Online-Inserat kam direkt vom Eigentümer: vier Zimmer in Wilmersdorf, nahe Bundesplatz, 120 Quadratmeter, Altbau. Bürgerlich, aber nicht luxuriös. Kostenpunkt: 280.000 Euro. Für eine stark renovierungsbedürftige Wohnung ein stolzer Preis. Am nächsten Tag hatte der Anbieter ihn korrigiert - nach oben. Ein Interessent hatte noch vor dem ersten Besichtigungstermin angeboten, 50.000 Euro draufzulegen.
Bei Eigentumswohnungen verkehren sich auf dem Berliner Immobilienmarkt die einstigen Regeln ins Gegenteil: Waren Preisvorstellungen früher als Verhandlungsbasis nach unten zu verstehen, also im Sinne des Käufers, ist es heute oft genau umgekehrt. Verschiedene Makler bestätigen, dass in der Innenstadt Spitzenpreise gezahlt werden, die noch vor einem Jahr als irrwitzig gegolten hätten. Und zwar nicht für luxussanierte, sondern für durchschnittliche Wohnungen.
"Wir haben längst einen Verkäufermarkt", sagt Rainer Bieß vom Maklerbüro Bieß + Erdmann Immobilien. Für Normalverdiener werde es immer schwieriger, eine solide Finanzierung zu realisieren. Insbesondere Altbauwohnungen seien sehr nachgefragt. Die Situation auf dem Markt skizziert etwa das Inserat eines Maklerbüros, das für eine 4-Zimmer-Altbauwohnung in Prenzlauer Berg - unrenoviert, erste Etage mit Balkon in Nordlage zur Hauptverkehrsstraße - 300.000 Euro aufruft, und dies als "Spottpreis" bezeichnet.
Eine Ursache der steigenden Preise sind die weltweite Finanzkrise und in der Folge die Sorge um den Euro. "Wer finanziell nicht gezwungen ist zu verkaufen, der macht es nicht", sagt Makler Bieß. Dadurch verknappe sich das Angebot, es kämen weniger Wohnungen auf den Markt. "Außerdem wollen solvente Leute ihr Geld verstärkt in Immobilien investieren, weil das als sichere Anlage gilt."
Insbesondere Interessenten aus dem europäischen Ausland versuchten einer drohenden Geldentwertung vorzubeugen, indem sie vermehrt in Immobilien anlegen, erklärt die Mitarbeiterin eines kleinen Maklerbüros in Wilmersdorf. Zuletzt habe sie Kunden aus Italien betreut, die für einen Tag anreisten, sich eine Reihe von Immobilien präsentieren ließen und noch kurz vor dem Rückflug einen Vorvertrag unterzeichneten. Es gebe eine zugespitzte Konkurrenz zwischen solchen solventen Anlageinteressenten auf der einen und Wohnraumsuchenden auf der anderen Seite, so ihre Beobachtung.
Ihren Anteil an der Verknappung freier Eigentumswohnungen haben auch die steigenden Mieten. Nach aktuellen Zahlen des Immobilienverbands Deutschland (IVD) liegen Neuverträge in Berlin im Schnitt 20 Prozent über dem Mietspiegel. "Der Mietspiegel ist nur so niedrig, weil die bestehenden Altverträge mit einfließen", sagt Ralf Rosinus, Sprecher von Ziegert Immobilien, einer Firma, die Eigentumswohnungen in ökologischen Neubauten und sanierten Altbauten anbietet. Bei einem Neuvertrag in Prenzlauer Berg, Kreuzberg oder Charlottenburg liege die tatsächliche Miete oft zwei- bis dreimal höher als der Mietspiegel. "Dann wird der Kauf einer Wohnung plötzlich zur Alternative", erklärt Rosinus. Der monatliche Mehraufwand liege mitunter unwesentlich höher, "und in 30 Jahren kann man den Kindern etwas vermachen".
Und so dreht sich die Preisspirale munter weiter: Wohnungssuchenden werden die Mieten zu teuer, stattdessen erwerben sie Eigentum. Damit sinkt das Angebot, die Kaufpreise steigen - und damit wiederum die Mieten. Eine Entwicklung, an der sich nur erfreut, wer nicht wohnen, sondern Rendite erzielen will.
Bei Großinvestoren sei Berlin der begehrteste Markt in Deutschland, weiß Rosinus: "Berlin hat im Vergleich zu München und Hamburg immer noch ein niedriges Niveau. Entsprechend groß ist die Erwartungshaltung, Mieteinnahmen mit der Zeit zu steigern." Noch deutlicher wird der Unterschied im internationalen Vergleich. Wer in der Londoner Innenstadt oder im Pariser Stadtteil Saint-Germain fünfstellige Quadratmeterpreise zahlt, hält 3.000 Euro in Berlin für ein Schnäppchen.
Verhältnisse wie in den europäischen Metropolen sieht der Ring Deutscher Makler (RDM) jedoch nicht auf Berlin zukommen. "Aufgrund der niedrigen Eigentumsquote, des vergleichsweise großen Angebots und Leerstands an Mietwohnungen ist das nicht absehbar", sagt Stefan Schnoor, Vorstandsmitglied des RDM Berlin Brandenburg.
Allerdings hat der bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angesiedelte Gutachterausschuss für Grundstückswerte bei Käufen und Verkäufen von Berliner Eigentumswohnungen im Jahr 2010 eine Umsatzsteigerung von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr errechnet. Das lässt noch keinen unmittelbaren Rückschluss auf Preissteigerungen zu, aber es zeigt die Dynamik, die auf dem Markt herrscht.
Auf diesem überdauern Inserate mitunter nicht mal einen Tag. "Wenn das Angebot stimmt, muss man als Käufer bereit sein, schnell zu handeln und am besten seine Finanzierung geklärt haben", sagt Schnoor vom RDM. Heißt: Wer die Investition eine Nacht überschlafen will, guckt am nächsten Tag vielleicht schon in die Röhre, weil ein anderer Interessent schneller war. Oder liquider.
Die Datenbanken der Makler füllen sich derweil weiter mit Interessenten. Da bleibe die individuelle Betreuung immer öfter auf der Strecke, berichtet die bereits erwähnte Maklerin aus Wilmersdorf. Einige aus der Branche führten sogar Sammelbesichtigungen durch, wie sie aus dem Mietbereich leidlich bekannt sind. "Stellen Sie sich das mal vor: Sie wollen 150.000, 200.000 oder 300.000 Euro investieren, und statt Ihnen den roten Teppich auszurollen, behandelt man Sie wie einen Bittsteller." Die magische Grenze, ab der ein Interessent vom Makler umworben werde, liege bei 500.000 Euro. "Alles, was darunter liegt, geht von alleine weg."
Die starke Nachfrage erübrigt eine aufwendige Betreuung, das Gros der Makler stellt dennoch die gesetzliche Provisionsobergrenze von 7,14 Prozent des Kaufpreises in Rechnung. Bei einem Kaufpreis von 300.000 Euro kommen so noch mal rund 21.000 Euro oben drauf - ebenso wie die Kosten für den Notar und die Grunderwerbsteuer, deren Höhe sich nach dem Kaufpreis richtet.
Eine solide Dreizimmerwohnung in der Innenstadt sei für eine kleine Familie mit durchschnittlichem Einkommen kaum noch bezahlbar, sagt ein anderer Makler, der nicht namentlich genannt werden möchte. Er berichtet von einer Altbauwohnung in Schöneberg, die er vergangenes Jahr vermittelt hat. Kaufpreis: knapp 200.000 Euro. "Ein angemessener Preis für ordentlichen Standard: Dielen, ein bisschen Reststuck, kleiner Balkon, kein Schischi." Aktuell stehe im selben Haus eine Wohnung mit identischem Grundriss zum Verkauf. Ein Stockwerk tiefer und - 50 Prozent teurer.
Solche Preisexplosionen sind nach Ansicht des RDM die Ausnahme. "Wir haben zwar Preissteigerungen am Markt festgestellt", sagt Schnoor. Diese machten jedoch bei innerstädtischen Altbauwohnungen durchschnittlich 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aus.
Übrig bleibt, was Makler hinter vorgehaltener Hand als "Schrottimmobilien" bezeichnen. Die werden manchmal gleichzeitig von mehreren Büros angeboten, sogar preisliche Unterschiede und die Höhe der Provision können sich hier unterscheiden. Solche Methoden sind natürlich Futter für das unseriöse Image der Branche. Diese Immobilien seien daran zu erkennen, dass sie über Monate inseriert blieben, sagt der Makler. Oft sind die Inserate dann "für Individualisten" gekennzeichnet, oder als "A-Wohnung in B-Lage". In der Maklerübersetzung heißt das: "Das Einzige, was hier unverbaut ist, ist der Blick auf die Autobahn."
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