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PRESS-SCHLAGTeuflischer Kreisel

■ Bei einem Treffen in Berlin zeigten Meister des Balls alte und heutzutage unbekannte Künste

Es begab sich vor zwei Tagen, die Sonne war gerade im freien Westen untergegangen, daß sich in einer Berliner Kultstätte des Olymp alte Meister und junge Schüler beim Ball zusammenfanden. Die Jungen wohnten hier dauerhaft und nannten sich Hertha BSC. Die Meister kannten sich von vielen Zaubertreffen, und weil sie eigentlich im Ruhestand waren, trafen sie sich nur noch gelegentlich zum Pläsier. Jeder von ihnen hatte schon genug Dukaten gesammelt, und des Goldes wegen brauchte keiner der Meister mehr den Ball zum Leben zu erwecken.

Nun waren sie wieder einmal aus den verschiedensten Ländern dieser Erde auf fliegenden Teppichen angereist, um von den alten Zeiten zu schwatzen und den Schülern etwas von ihrer Weisheit abzugeben.

Und die staunten nicht schlecht. Die Meister hatten ja neben manch grauem Haar auch Speck angesetzt, und als sie sich morgens vom Lager erhoben, spürten sie da ein Reißen und dort ein Reißen in den Gliedern. Kaum aber standen sie auf dem Rasen, da wurde die Laune wiedererweckt und der Ball lief, als habe er nie stillgestanden.

„Sag, Meister Socrates, warum bei dir das runde Ding nie links und rechts vom gewünschten Weg abgeht?“, fragte Schüler Scheinhardt. „Weil ich faul bin“, sprach der Doktor aus dem fernen Brasilien, „und wenn ich nicht selbst laufen will, darf der Ball sein Ziel nicht fehlen. Viele Millionen Mal hab' ich ihn getreten, und noch immer ärgert mich meine Stümperhaftigkeit.“

Stümperhaftigkeit?“ Schüler Kruse konnte es nicht fassen: „Wenn ich nur ein Viertel deiner Kunst hätte. Und schau, wie Meister Valdano das runde Ding am Fuß hängt, als hätte er beides zuvor in ein Faß mit Leim getaucht.“ Meister Socrates war wirklich geduldig: „Das ist kein Wunder und noch viel weniger Leim. Aber Meister Valdano ist mit dem Ball aufgewachsen, er nahm ihn als Kind mit ins Bett und ins Bad und überallhin, und deswegen stehen die beiden heute auf gutem Fuß miteinander.“

Da war auch noch ein schwarzer Magier aus Kamerun, welcher derart behend Hüfte und Beine bewegte, daß jedem Schüler die Gelenke aus den Pfannen gehüpft wären, hätte einer versucht, diese seltsame Gangart nachzuahmen. Wenn Meister Milla sein Hexenspiel trieb, litten die Schüler große Not, denn oftmals vermochten sie das runde Ding gar nicht mehr zu sehen, und vollends stürzten sie in Verwirrung beim „teuflischen Kreisel“.

Neben Meister Milla standen dabei die Meister Zico und Rummenigge, dem die schönsten Knie der Welt gehörten, ganz nah beieinander und berührten den Ball immerfort nur mit der Ferse. Eins, zwei, drei, und noch einmal zurück, Schüler Holzer trat hin, wo immer er die Kugel sah, aber er traf nur Luft, nichts als Luft.

Wie kommt das“, erboste sich Schüler Patzke, „daß ihr Bälle auf der Nase tanzen laßt wie dressierte Seehunde, und sie Kurven machen, als hätte Meister Ceulemans sie mit dem Queue über den Billardtisch gestoßen?“ Da kicherte Meister Kempes und gab zur Antwort: „Ein Tolpatsch bist du, und ein Tolpatsch wirst du bleiben. Nicht fragen sollst du, sondern mit den Augen lernen.“

Die Schüler rannten wacker, aber ohne Erfolg. Und weil die Meister auch so ihren Spaß hatten, ging das Spiel mit null zu null zu Ende. Die Schüler grollten, was Meister Six gar nicht verstehen konnte.

Er hatte jahrelang die Menschen glänzend unterhalten und dabei, das war sein ganzer Stolz, nicht ein einziges Mal aufs Tor geschossen. „Wischtisch ist nischt das Ziel, sondern der Weg dahin“, gab er Schüler Gowitzke mit auf den Weg. Aber im Gesicht Gowitzkes war zu lesen, daß er die Botschaft des Meisters nicht verstanden hatte. Für die Schüler war der Abend wie ein schlechter Traum, und Meister Breitner war klar, daß dieser in der zweiten Liga ein schlimmes Erwachen finden würde.Herr Thömmes

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