: Tennis auf löchrigen Tischen
Spielerisches Denken ist ein wesentlicher Aspekt der Kunst: Das Kunstmuseum Siegen zeigt Experimentelles
„Faites vos jeux“, heißt es im Titel der Ausstellung „Kunst und Spiel seit Dada“ im Siegener Museum für Gegenwartskunst. Und tatsächlich hat die Schau etwas von einem Spielkasino – wenn auch einem ziemlich harmlosen: Der Besucher durchstreift die hellen Räume, läuft an Spieltischen vorbei, die traditionell mit grünem Filz überzogen sind, bleibt stehen, setzt sich hin – und ist mittendrin im Spiel. Er darf Likör-Schach zocken, Figuren in Sand malen. Natürlich nach Regeln in einem vorbestimmten System. Eine Hörstation setzt sich mit John Cages „Water Music“ auch mit musikalischen Strukturen auseinander.
Die Ausstellung, die zuvor bereits in Berlin und Liechtenstein zu sehen war, konzentriert sich in Siegen ganz besonders auf zeitgenössische Künstler. Mit großen Namen (Hans Arp oder Jean Tinguely) verfolgt die Schau aber auch den Anspruch, das Phänomen „Spiel“ in einen kunsthistorischen Zusammenhang seit dem Dadaismus zu rücken. In den Verfahren der „Anti-Künstler“ kommt so der Zufall ins Spiel. Sie führen spontan Künstler, Objekt und Betrachter zusammen, ließen sie miteinander spielen. Auch zu sehen: Die Original-Performance von Kurt Schwitters‘ Ursonate, ein „Laurel and Hardy“-Streifen oder Arnold Schönbergs „Bündnisschach“, wo die Spieler mit Kanonen und Flugzeugen gegeneinander antreten. Schach ist allgegenwärtig. Bei der in Düsseldorf lebenden Künstlerin Takako Saito werden Likörflaschen zu Schachfiguren, oder der Spieler muss stattdessen völlig identische Würfel schütteln, um ihre Funktion im Spiel zu erkennen. In Roland Stratmanns „Gemischtem Doppel“ überschreitet das Spiel dagegen Grenzen, politisch wie räumlich: Kuba und die USA treten gemeinsam gegen ein Team aus Israel und Mexiko via Internet an. Jeden Tag machen Meister einen Zug auf dem überdimensionierten Über-Kopf-Schachbrett . Als Figuren dienen hier Fahnen.
Auch in der zweiten Etage wird die politische Dimension der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Spiel gezeigt. Öyvind Fahlström inszeniert hier Monopoly als überdimensionales Gesellschaftsspiel, bei dem man nicht mehr nur Straßen, sondern ganze Länder kauft. Daneben werden Lego-Verpackungen nachgeahmt – nur dass es sich hier nicht um den Bausatz für eine Feuerwehrwache handelt, sondern um Konzentrationslager. Dennoch wirkt nichts gedrängt oder überfrachtet, selbst George Maciunas Arbeit „Flux Ping Pong“ – die viel Platz benötigt – umgibt genügend Raum, um sie ausprobieren zu können: Mit instabilen, durchlöcherten Schlägern müssen die Spieler an einer schrägen, ebenfalls durchlöcherten Tischtennisplatte mehr als nur Geschick beweisen. GESINE HINDEMITH
Bis 14. Mai 2006Museum für Gegenwartskunst, SiegenInfos: 0271-4057710