: Telekom kommt im Osten nicht nach
■ Bei der Post-Tochter stapeln sich bis zu zwei Millionen unerledigte Telefon-Anträge
Bonn (ap/taz) — Die Bundespost- Tochter Telekom will den Ausbau ihres Telefonnetzes in Ostdeutschland beschleunigen. Mit neun Milliarden Mark und 600.000 neuen Telefonanschlüssen will das Unternehmen in diesem Jahr die vielkritisierte Telekommunikations-Infrastruktur in den neuen Ländern kräftig anschieben.
Die Zahl der unerledigten Telefonanträge habe sich inzwischen auf ein bis zwei Millionen aufsummiert, teilte Telecom-Chef Helmut Ricke gestern mit, etwa 1,5 Millionen davon noch aus DDR-Zeiten. Die Hoflieferanten der Bundespost mußten bereits vergangene Woche eingestehen, daß sie mit den Aufträgen kaum Schritt halten können. Vor allem der Elektronik-Multi hinkt weit hinter den gegebenen Zusagen hinterher. Dennoch päsentiert die Telekom das Ost-Engagement als Erfolg: Mit 555.000 Telefonanschlüssen für neue Kunden, darunter 153.000 für Geschäftskunden, habe man die Planung von 500.000 neuen Anschlüssen sogar überschritten. 453.000 Anschlüsse wurden völlig neu geschaltet, der Rest sind Neuvergaben alter Anschlüsse.
Im vergangenen Jahr investierte die Telekom in den neuen Ländern rund 6,5 Milliarden Mark. Weitere rund 500 Millionen Mark konnten noch nicht ausgegeben werden, weil beispielsweise Grundstücke wegen ungeklärter Eigentumsfragen nicht gekauft werden konnten. Nun soll vor allem die Modernisierung der Telefontechnik angegangen werden. Bis Ende 1992 sollen deshalb 40 Prozent der Ortsnetze modernisiert und erweitert werden, so Ricke.
Die Telekom habe in Ostdeutschland die einmalige Chance gehabt, Kenntnisse für den Totalaufbau kompletter Telekommunikationsnetze in Notstandsgebieten zu sammeln, sagte Ricke weiter. Die Telekom sei deshalb geradezu prädestiniert, in den früheren Ostblockländern eine führende Rolle beim Aufbau der dortigen Telefonnetze zu spielen. Ricke forderte, durch Umwandlung in ein privatrechtliches Unternehmen hierfür die nötigen Freiräume zu schaffen. Für die Telekom würden Hindernisse bei ihren internationalen Aktivitäten einen erzwungenen Verzicht auf potentielle Märkte bedeuten.
Für die Kunden werden sich Gespräche aus Telefonzellen vorerst nicht verteuern, obwohl in diesem Bereich jährliche Verluste in dreistelliger Millionenhöhe entstehen. Eine Anhebung des Preises für die Telefonauskunft, die 700 Millionen Mark an Verlusten einfährt, schloß Ricke dagegen nicht aus.
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