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Telekom-Gebühren bleiben – Arme zahlen voll

■ Änderungen sollen trotz Protesten aus allen Richtungen bleiben. Gewerkschaft ärgert sich über Pöbeleien und bietet eine Telefonkarte als Geschenk an

Berlin (dpa/rtr/AP) – „Eine Rücknahme der neuen Tarife wäre falsch, sie sind für den Börsengang notwendig“, sagte Telekom-Chef Ron Sommer gestern in der Bild- Zeitung. Auch würden die Kunden nicht abgezockt, weil „für die meisten privaten Kunden die Telefonrechnung nicht höher wird“.

Bayerns Ministerpräsident Stoiber (CSU) schrieb seinem Parteikollegen, Postminister Bötsch, einen Brief und verlangte ein Eingreifen. Der ist nach eigener Aussage aber gegen eine Änderung der neuen Gebührenordnung. Er lehnte auch Preisnachlässe für sozial Schwache ab. „Auch bei Mieten und beim Bäcker gibt es keine Sonderpreise“, so der Minister im hessischen Privatradio FFH. Dafür kündigte der Oberaufseher der Telekom allerdings einen Familien- und Freundschaftstarif nach amerikanischem Vorbild an. Kunden könnten dann bestimmte häufig gewählte Nummern angeben, mit denen sie billiger telefonieren wollen. Diese Rabatte kann die Telekom nach eigenen Angaben allerdings erst Ende des Jahres anbieten, weil erst dann die dafür notwendigen digitalen Vermittlungsstellen flächendeckend eingerichtet sind.

Der Verband der Postbenutzer in Offenbach verlangte die Wiedereinführung der alten Zeittakte im Nahbereich. Verbandsvorsitzender Wilhelm Hübner sagte der Thüringischen Allgemeinen: „Die Telekom hat das Postministerium bei der Entscheidung über die Gebührenreform mit alten Zahlen über den Tisch gezogen. Sie hat Zahlen aus 1991 eingereicht und diese nicht hochgerechnet auf 1994.“ Sonderrabatte für Privatkunden und ältere Menschen würden das Tarifchaos aber noch verschlimmern, so Hübner.

Die neuen Gebühren sind tatsächlich von einer einmaligen Unübersichtlichkeit. So kostet in Telefonzellen eine Einheit nun 20 statt 30 Pfennig. Bei Kartentelefonen variiert die Gebühr mit dem Kartenwert zwischen 25 und 19 Pfennig. Bei internationalen Kartentelefonen kostet die Einheit 25 Pfennig, jedes Gespräch aber mindestens drei Mark. Alles klar?

Die deutsche Postgewerkschaft hat die Forderungen der Politiker als verlogen bezeichnet. Die gleichen Politiker hätten mit ihrer Entscheidung zur Privatisierung die Grundlage geschaffen, daß aus der Bürger- eine Unternehmerpost wird.

Einen besonderen Gag überlegten sich die Gewerkschaftskollegen vom Deutschen Postverband. Weil es zu „Pöbeleien“ gegen Mitarbeiter gekommen sei, sollen die Kunden bestochen werden: Wer zwischen 8 und 12 Uhr unter (030) 251 71 55 anruft und ein nettes Erlebnis mit der Telekom erzählt, bekommt eine Telefonkarte im Wert von sechs Mark geschenkt – dann aber schnell plaudern, sonst rauschen mehr als die sechs Mark durch den Gebührenzähler.

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