: Telefonterror gegen Türken
■ „Verbaldrohungen“ gegen Ausländer nehmen in Hamburg immer mehr zu Von Katrin Wienefeld
„Hier ist der Kriegsgott aus Altona. Ich bin Deutscher“. Fassungslos hält Ayshan G. (Name von der Red. geändert) den Telefonhörer in der Hand. Im bestimmenden Tonfall redet die dunkle Männerstimme weiter: „Eine Woche hast du noch Zeit, aus Deutschland zu verschwinden, sonst wirst du umgebracht.“
Es ist Sonntag, der dritte Advent, in Hamburg-Altona. Die 30jährige sitzt an diesem Abend mit ihrem Mann zuhause vor dem Fernseher. Bereits zum zweitenmal innerhalb einer Stunde hat das Telefon geklingelt. Immer dieselbe Stimme. Beim erstenmal war ihr Mann an den Apparat gegangen. „Du bist Mohammedaner, innerhalb einer Woche mußt du Deutschland verlassen“. Auch ihm drohte der Anrufer mit dem Tod.
Ayshan G. telefoniert noch am selben Abend mit der Polizei unter 110. Die verweisen die junge Türkin an die zuständige Revierwache. Ratlosigkeit herrscht bei dem Ehepaar. Bekannte werden angerufen, ein politisch engagierter Nachbar kommt vorbei. Er schlägt vor, Telefonketten zu bilden mit den Nachbarn. Für den Notfall, falls noch was passiert. Es wird eine lange Nacht.
Der nächste Morgen ist ernüchternd. Ayshan G. wird von den Beamten auf dem Revier abgefertigt: „Was hat der Anrufer gesagt?“ ... „Gut, stellen sie Strafantrag“. Auf den Schreibtischen der Polizisten liegen weitere Anzeigen. Ayshan G. fragt nach. „Ja, Sie sind nicht die Einzige“, heißt es lapidar.
Der Nachbar ruft Politiker an. Die SPD reagiert nicht, nur der GAL-Abgeordnete Peter Mecklenburg schaltet sich ein: „Die Revierwache hat den Vorfall aufgenommen wie die Anzeige einer eingeworfenen Fensterscheibe“, so Mecklenburg, „erst seit Dienstag wird der Vorfall im zuständigen Landeskriminalamt verfolgt“.
Zusammen mit ihrem Nachbarn blättert Ayshan G. noch am Montag das Telefonbuch durch, ruft bei türkisch klingenden Namen an. Bei acht Familien klingt Erleichterung durchs Telefon – sie erfahren, daß sie nicht die einzigen sind, die so bedroht wurden. „Verbaldrohungen“ heißen diese anonymen Anrufe im Polizeijargon. Laut LKA häufen sich auch in Hamburg solche Vorfälle.
„Es war wichtig für uns, zu sehen, daß wir nicht allein sind“, sagt Ayshan G., „genau das wollen die Nazis doch erreichen, das man sich angstvoll in seiner Wohnung verkriecht“. Von mindestens zehn weiteren türkischen Familien aus dem Raum Altona weiß sie mittlerweile. Alle berichten von einem männlichen Anrufer mit dunkler Stimme, der nie betrunken oder fanatisch klang.
Ayshan G. stellt nüchtern fest: „Rechtsradikalismus ist salonfähig geworden.“
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