■ Kommentar: Teilen heißt verzichten
Hätte es die Arbeitszeitverkürzung in der alten Bundesrepublik nicht gegeben, die Zahl der Arbeitslosen wäre heute zweifellos noch höher. Ein Patentrezept aber war die Arbeitszeitverkürzung nicht. Denn trotz einer zehnjährigen Erfolgsbilanz der westdeutschen Wirtschaft ist es damit lediglich gelungen, die hohe Zahl der Arbeitslosen stabil zu halten. Der massiven Krise und dem Zusammenbruch in Ostdeutschland steht die bisherige Arbeitsmarktpolitik erst recht hilflos gegenüber. Von der Regierung in Bonn ist nichts zu erwarten: Die Zahl von mehr als drei Millionen Arbeitslosen beantwortet die Bundesregierung mit der Kürzung bei den ABM-Stellen.
Für Berlin ist die Situation besonders prekär, weil in Ostberlin die gesamte industrielle Struktur kaputtzugehen droht. Der Handlungsdruck ist also gewaltig, die Handlungsmöglichkeiten dagegen begrenzt. Das eng geschnittene Arbeitsförderungsgesetz kann nur Bonn ändern. So dürfen ABM-Mittel nur zusätzliche Arbeit finanzieren, nicht aber Arbeitslose beim Aufbau gewinnorientierter Unternehmen unterstützen. Gebremst wird das Nachdenken über neue Modelle zudem durch tiefe ideologische Gräben. Die Mannschaft im Boot der Zwei-Drittel-Gesellschaft fürchtet zu Recht, daß hier die zerstörerische Wachstumsideologie und der Leistungsbegriff einer Ärmel-um-jeden-Preis-aufkrempel-Generation angegriffen werden. Arbeitslosigkeit aber ist nur zu überwinden, wenn ein neuer Begriff von gesellschaftlich notwendiger Arbeit Raum greift, der quer zur Profitlogik liegt. Dagegen wehren sich Unternehmen, Politiker und teilweise auch Gewerkschafter. Lieber werden Milliarden in die permanente Arbeitslosigkeit gesteckt, rüstige Menschen in die Rente gejagt oder ABM-Projekte finanziert, die nichts anderes überbrücken als Zeiten der Arbeitslosigkeit. Doch egal ob man Arbeitslose mit der 30-Stunden-Woche oder mit Arbeitslosen-Krediten von der Straße bringen möchte, vorher muß die Gesellschaft von einem überzeugt werden: Ohne realen Wohlstandsverzicht bei den Besitzern der Arbeitsplätze kann es keine solidarische Umverteilung geben. Gerd Nowakowski
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