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Press-SchlagTeamchef mit Mission

■ Mit gleich vier Stürmern will Erich Ribbeck heute die Moldawier schrecken

Kürzlich hat Erich Ribbeck, der Teamchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, sein erstes Amtsjahr bilanziert. Und zwar den Teil seiner Arbeit, den er auf Stadiontribünen verbracht hat. Der Diplomsportlehrer (61) teilte mit: „Ich habe Spitzenspiele gesehen, ich habe Durchschnittsspiele gesehen, ich habe auch schlechte Spiele gesehen.“ Puhhh!! „Es gab aber auch Spiele, die normal abgelaufen sind.“ Gott sei dank, möchte man da aufatmen. Denn nur Spitzenspiele, Durchschnittsspiele und schlechte Spiele, da hätte doch einiges gefehlt und man hätte wieder einmal sehr am deutschen Fußball zweifeln müssen. Oder muß man das etwa trotzdem?

Die Ribbecksche Wertung der Ribbeckschen Ligasichtung lautet nämlich: „An etwas ganz Bedeutendes könnte ich mich jetzt nicht erinnern.“ Wem darauf ungefähr ein Dutzend Begegnungen einfallen, die der ausdrücklichen Bemerkung wert sein könnten, der soll schweigen und wissen, daß er die Geheimnisse des Teamchefdaseins sowieso nie begreifen wird. Der Teamchef hat im Unterschied zum einfachen Menschen nämlich eine Mission: Die DFB-Auswahl nicht zum ersten Mal seit 1968 nicht in ein großes Turnier zu führen. Dafür hat er „einen Stamm von 20, 22 Spielern, insofern sehe ich die Spiele schon etwas anders als der normale Zuschauer“. Nun, das ist gut zu wissen. Genauso wie es gut ist zu wissen, daß Erich Ribbeck mangels großer Ereignisse in der Liga für große Ereignisse auf dem Fußballplatz nunmehr selber sorgt.

Heute abend wird er in Leverkusen Bedeutendes präsentieren. Und zwar, indem er dem mächtigen und „risikofreudigen“ Auswahlkader der Republik Moldau in einem wichtigen EM-Qualifikationsspiel (20.30 Uhr/ARD) eiskalt eine Mannschaft mit vier Stürmern entgegenbietet. Vier! Nicht einer, nicht zwei, nicht drei, sondern vier. Früher, in der Steinzeit deutscher Fußballsysteme, beispielsweise während der WM 1998, spielte die Nationalmannschaft noch mit zwei Stürmern. Unter Erich Ribbeck jüngst eigentlich mit dreien. Diese Idee – verriet der Fachmann großmütig und ließ so den gemeinen Laien ausnahmsweise einmal an seiner komplexen Arbeitsweise teilhaben – hatte er von Ottmar Hitzfeld und Bayern München, nun, nicht geklaut, sagen wir: adaptiert. Und jetzt übertrifft er den Deutschen Meister gar. Neben den zwei Außenstürmern (mutmaßlich: Marco Bode und Oliver Neuville) wird es nun zwei (sicher: Oliver Bierhoff und Ulf Kirsten) in der Mitte geben.

Warum? „Wir müssen Druck machen.“ Noch mal warum? „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß wir mehr in Ballbesitz sind.“ Gut: Druck machen, Ballbesitz. Aber was nützt das, wenn sich Bierhoff und Kirsten dann als Mittelpärchen auf den Füßen stehen oder über den Haufen rennen, was sie erklärtermaßen selbst (Kirsten: „Kurz vor dem Tor ist es oft passiert, daß Oliver mir den Laufweg wegnahm oder ich ihm“) als Problem ansehen? „Ich bin der Auffassung, daß man durch Absprache erreichen kann, daß sie sich nicht behindern“, sagt darauf Ribbeck. Zum Glück haben auch die beiden Mittelstürmer erkannt, daß verbale Kommunikation der spielerischen nützen könnte. „Ich glaube, daß man durch Sprechen viel erreichen kann“, sagt Kirsten. „Ulf und ich reden darüber, wer sich wo wohler fühlt“, sagt Oliver Bierhoff. Und wenn sie ihre Laufwege gefühlsmäßig erstmal erspürt und gute Gespräche darüber geführt haben, werden sie vermutlich auch ihrer Flügelabteilung mitteilen, wo es langgehen soll mit dem Ball.

Wenn die Flügel überhaupt zu ihrer Abteilung zu rechnen sind. Oliver Bierhoff favorisiert eine fließendere Auffassung: „Eine Aufstellung kann wie vier Stürmer aussehen, vielleicht sind es aber nur zwei.“ Die wahre Fußballwahrheit ist, sagt er auch, daß das sowieso egal ist. Der Trainer macht halt irgendeine Vorgabe, eins, zwei, drei oder vier, und dann „dürfte es kein Problem sein, sich darauf einzustellen“.

Vielleicht sogar produktiv. Bierhoff und Kirsten sind zwar im allgemeinen kein ideales Paar (17 gemeinsame Spiele, 11 Treffer), aber beim Hinspiel in Moldawien haben sie alle drei Tore geschossen. Ribbeck erinnert sich: „Da haben sie sich auf alle Fälle nicht behindert.“ Na bitte, das zweite bedeutende Ereignis der Saison – und der Teamchef mittenmang.

Katrin Weber-Klüver

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