piwik no script img

Tauziehen um die Knete

■ taz-Dokumentation: Wer bezahlt eigentlich für neue Arbeitszeitmodelle?

Berlin (taz) – Alle reden davon, kürzere Arbeitszeiten einzuführen, um Entlassungen zu vermeiden. Aber niemand will dafür bezahlen, nur wenige wollen auf Einkommen verzichten. Beim Tauziehen um die Knete sind derzeit mehrere Modelle im Gespräch oder gar schon verwirklicht, mit denen Personalkosten gespart werden können, ohne Beschäftigte zu entlassen.

Teilzeit nach Wahl

Bei der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), bei der Schering AG, in manchen Siemens-Betrieben können Beschäftigte ihre Arbeitszeitdauer schon selbst wählen. Wer möchte, kann neuerdings bei der HBV seine Wochenarbeitszeit von derzeit 37,5 Stunden auf 30,25 oder eine andere Stundenzahl verringern. Lohnausgleich gibt es nicht. Auch möglich: der Verzicht auf das 13. Gehalt. Als Gegenleistung erhalten die Beschäftigten den Gegenwert plus 25 Prozent in Freizeit, also rund fünf Wochen, beziehungsweise 25 freie Tage für das 13. Gehalt. Wer will, kann durch den Verzicht auf das Weihnachtsgeld somit ein halbes Jahr lang die „Vier-Tage-Woche“ praktizieren.

Wer zahlt? Die Beschäftigten, denn bei freiwilliger Teilzeit gibt es keinen Lohnausgleich.

Vereinbarte Teilzeit

Wird derzeit beim VW-Konzern verhandelt. Drei Modelle sind im Gespräch: 1. die Viertagewoche für alle. 2. die Verkürzung der Jahresarbeitszeit auf neun Monate, die drei verbleibenden Monate werden für Qualifizierung genutzt, und 3. das Modell „Stafette“, bei dem junge Auslerner erst allmählich von Jahr zu Jahr ihre Arbeitszeit steigern, während die über 50jährigen allmählich ihre Arbeitsstunden reduzieren.

Wer zahlt? Wenn es zu keinem Lohnausgleich kommt, verlieren die Beschäftigten einen entsprechend hohen Prozentsatz ihres Einkommens. Bei teilweisem Lohnausgleich wird auch der Konzern mit Kosten belastet. Wenn die Beschäftigten in ihrer „arbeitsfreien“ Zeit allerdings an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, kann die Bundesanstalt für Arbeit (BA) für diese Zeit finanziell eingespannt werden. Sie zahlt dann entweder Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld für die Dauer der „beruflichen Fortbildung“.

Traditionelle Kurzarbeit

Traditionell werden bei Überkapazitäten Personalkosten durch die Einführung von Kurzarbeit gesenkt. Ein Unternehmen kann Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens ein Drittel der im Betrieb Beschäftigten für die Dauer von mindestens vier Wochen mindestens zehn Prozent weniger Arbeitszeit leistet. Kurzarbeit wird im Normalfall für sechs Monate gewährt, kann aber auch durch Ausnahmeregelungen auf bis zu 24 Monate verlängert werden.

Wer zahlt? Die Bundesanstalt für Arbeit zahlt für die ausgefallene Zeit Kurzarbeitergeld in Höhe des Arbeitslosengeldes. Hinzu kommen oft noch Zuschüsse des Unternehmens. VW zum Beispiel muß laut Haustarifvertrag das Kurzarbeitergeld in Höhe von etwa 63 Prozent des Nettolohnes auf 98 Prozent aufstocken. BD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen