: Tausend Schlager
Paul Kuhn wurde am 12. März in Wiesbaden geboren und entpuppte sich schnell als musikalisches Wunderkind. Bereits mit acht Jahren trat er bei der Funkausstellung in Berlin mit seinem Akkordeon auf. Mit seinem geliebten Klavier begann er als Zehnjähriger. Nach seinem Studium am Wiesbadener Konservatorium spielte Kuhn nach dem Krieg Jazz in der legendären Berliner Femina-Bar und in GI-Clubs. Eine Zeit lang war er der einzige deutsche Musiker mit einem festen Job beim amerikanischen Soldatensender AFN in Frankfurt.
In den Fünfzigerjahren startete Kuhn parallel eine erfolgreiche Karriere im Nachkriegsschlager. Erfolgreiche Titel waren „Die Farbe der Liebe“, „Der Mann am Klavier“, natürlich das notorische „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ und dessen Sequel „Geben Se dem Mann am Klavier noch’n Bier“. In seinen TV-Personalityshows, hießen sie „Hallo Paulchen“ oder „Pauls Party“, versuchte er den Spagat zwischen Klamauk und Jazz. Im Gegensatz zu James Last, dessen Weichspülsound als Vorläufer von Easy Listening gefeiert wird, wartet Kuhns Tanzmusik auf die Wiederentdeckung.
Und Kuhn trat in den damals maßlos populären Musikfilmen auf. Er spielte nie tragende Rollen, eher sich selbst. „Meistens wusste ich lediglich, wann ich in welchem Studio zu erscheinen hatte“, erzählt er in seiner Autobiografie „Swingende Jahre“, „wie der Film hieß, sagte mir keiner, und von der Handlung hatte ich erst recht keine Ahnung. Erst später, wenn ich zufällig an einem Kino vorbeikam, erfuhr ich den Titel. Zum Beispiel: ‚Liebe, Tanz und tausend Schlager‘.“
Als Bandleader ließ er die SFB-Bigband, die er seit 1968 leitete, den satten Sound seiner Idole Count Basie oder Louis Armstrong imitieren. Mit dem Tanzorchester ging er auf Tournee und beschallte die großen Unterhaltungssendungen der Sechziger- und Siebzigerjahre. Und weil er schon mal da war, trat er gleich in den damals unvermeidlichen Sketchen mit Peter Alexander oder Harald Juhnke auf.
In den Achtzigern ging die große Zeit des TV-Produkts Kuhn vorbei: Die Orchester und Ballette, überhaupt die Samstagabendunterhaltung für die ganze Familie war nicht nur den Öffentlich-Rechtlichen zu teuer geworden. 1980 wurde Kuhn vom Sender Freies Berlin als Bandleader gefeuert, seine Plattenfirma löste nach 25 Jahren den Vertrag mit ihm, und seine Scheidung brachte ihn in die Boulevardblätter. 1994 wurde er wegen Steuerhinterziehung von 1,2 Millionen Mark zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Seit den Achtzigern lebt Kuhn im Schweizer Wintersportort Lenzerheide.
Aktuelle Platten: Paul Kuhn Trio: „My World of Music“ (In & Out Records/ in-akustik) – 1999 Paul Kuhn Trio: „Blame it on My Youth“ (Timbre/ Ninety-Nine) – 1996
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