Gestern bei Gericht: Tatort Gartenzaun
■ Mit Baseball-Schläger zum Nachbarn
Nachbarn helfen sich gegenseitig: ein Ideal, doch längst nicht immer die Realität. „Nach außen hin eine starke Gemeinschaft“, beschreibt Ralph K., angeklagt wegen schwerer Körperverletzung, seine Nachbarschaft in Woltmershausen. Ges-tern wurde sein Fall im Bremer Amtsgericht verhandelt. Vorgeworfen wird dem 43-Jährigen, seinen Nachbarn Fernando S. mit Händen und Füßen attackiert und ihn später mit einem Baseball-Schläger auf den Hinterkopf geschlagen zu haben. Fernando S. trug mehrere Prellungen davon und war immerhin eine Woche arbeitsunfähig. Nach Aussagen des Angeklagten, der mit einem „Veilchen“ nach Hause ging, hat es sich allerdings anders abgespielt: Nachdem der Portugiese Fernando S. ihn als „Nazi-Schwein“ beschimpft habe, sei es zum Streit und schließlich zu einer Prügelei gekommen, bei der er selbst nicht einmal die Chance gehabt habe zuzuschlagen. Gut, er habe sich einen Baseball-Schläger geholt, aber mit gutem Grund: „Nur zum Selbstschutz, denn bei Südländern muss man ja damit rechnen, dass die ganze Familie dazukommt.“
Wer nun als Erster zuschlug, konnte das Gericht nicht klären. Denn der Richter war mit den zuvor aufgenommenen schriftlichen Aussagen der acht geladenen Zeugen offenkundig überfordert. „Die sauberste Lösung wäre eine völlige Aufklärung, doch die ist nicht möglich“, befand er, „nur der Angeklagte weiß, aus welchen Gründen er den Schläger mitgenommen hatte.“ Deshalb verzichtete der Richter wohl auch darauf, noch wenigstens das Opfer zu hören. Nach kurzem Geplänkel mit Ralph Ks. Anwalt wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 2.400 Mark verurteilt – Ende der Verhandlung.
Und wohl auch mit der Nachbarschaftsidylle. „Es gab auch in der Vergangenheit schon zahlreiche verbale Auseinandersetzungen“, erzählt eine Nachbarin. Die Familie des Angeklagten werde „jetzt von allen ignoriert.“ Auch Ralph K. schimpft über seine Nachbarn, berichtet von „Ausgrenzung“ und „Aufhetzung hintenherum“. Das ist in der Pause Gesprächsthema Nummmer eins unter den Zuschauern und geladenen Zeugen – allesamt Nachbarn. Da bestätigt man sich gegenseitig, wie nett doch jeder in der Staße aufgenommen wird, und fragt sich zugleich, was denn diejenige Nachbarin hier zu suchen hat, „mit der doch eh keiner redet“. Stoff genug für den nächsten Streit, aber immerhin hat das Gericht den Baseball-Schläger eingezogen.
Silke Weber
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