■ Das Portrait: Taslima Nasreen
Die Angaben zur Person bieten nichts Besonderes: 32jährig, geschieden, Ärztin in einem Krankenhaus, alleinlebend. Daneben schreibt sie Erzählungen, engagiert sich in der Öffentlichkeit für politische Themen. Es ist ein Profil, wie es auf viele Frauen zutreffen könnte. Doch Taslima Nasreen lebt in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, und dort ist beinahe jede dieser Eigenschaften eine Provokation.
Taslima hat eine weitere, unverzeihliche Provokation begangen. Sie hat es gewagt, in ihrer Erzählung „Lajja“ (Scham) die Muslime ihres Landes als intolerant zu bezeichnen. Eine obskure religiöse Organisation erließ nach der Veröffentlichung eine Fatwa über die Autorin. In dem religiösen Gutachten fordern sie dazu auf, Frau Nasreen zu ermorden. Rund 1.300 Dollar versprechen sie als Kopfgeld.
Die Kampagne wurde von Organisationen aufgegriffen, die der Dschamaat-Islami- Partei nahestehen. Ende November veranstalteten diese eine Demonstration und brandmarkten Taslima als „perverse Frau“, die leichtsinnig über die Sexualität rede und dabei „den Islam und islamische Gefühle“ verletze. Mehrere tausend Personen zogen mit Transparenten mit der Aufschrift „Taslima soll sterben“ zum Parlament, wo sie eine Petition überreichten, in der sie für von der Religion abtrünnige Personen die Todesstrafe forderten.
„Ein zweiter Rushdie“ Foto: Reuter
Die Abhängigkeit des Landes von westlicher Entwicklungshilfe wird die Regierung davon abhalten, ein solches Gesetz zu verabschieden. Doch gleichzeitig ist diese ausgerechnet auf die parlamentarische Unterstützung der Dschamaat-Islami- Partei angewiesen. Es mag einer der Gründe für die Schikanen sein, denen Frau Nasreen seit Monaten ausgesetzt ist: daß sie ihren Job im staatlichen Krankenhaus verloren hat, daß ihr der Paß entzogen wurde, und selbst bei der Polizeibewachung rund um die Uhr ist sie sich nicht sicher, ob sie zu ihrem Schutz aufgezogen wurde oder um ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Ob Schutz oder Haft oder beides: Taslima ist auf die Polizisten vor ihrer Wohnungstür angewiesen, denn die kürzliche Demonstration hatte keinen Zweifel an ihrem Status gelassen: „Sie ist ein zweiter Rushdie“, hatte es aus den Lautsprechern getönt. Bernard Imhasly
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