Nachgefragt: „Taschenspieler-Trick“
■ Kammer gegen einen Gewoba-Verkauf
Gegen den in der Großen Koalition diskutierten Teilverkauf der Gewoba formiert sich der Widerstand von Mietern. Mehrere Versammlungen haben stattgefunden, gestern abend hat sich eine Initiative gegründet. Klaus Jakubowski ist Referent für Sozialpolitik bei der Angestelltenkammer und hat deren Argumente gegen einen Gewoba-Verkauf aufgelistet.
taz: Sie haben ausgerechnet, daß ein Verkauf von Teilen der Gewoba Bremen mehr kosten als einbringen würde. Warum?
Klaus Jakubowski: Wenn man davon ausgeht, daß Bremen für den Verkauf von 25 Prozent der Gewoba rund 100 Millionen Mark bekommt, dann müßte man die erhöhten Forderungen dagegenhalten, die an die Stadt über Wohngeld und Sozialhilfe gestellt werden. Wenn man davon ausgeht, daß 10.000 Haushalte Hilfe zur Unterbringung über Sozialhilfe beziehen und die Miete lediglich von zur Zeit 6,50 Mark auf 8,50 Mark erhöht wird, würde das unmittelbar mit 17,5 Millionen Mark im Jahr durchschlagen.
Aber die Mieten könnten bei der Gewoba auch erhöht werden, wenn sie in städtischer Hand bleibt. Warum sollte das nach einem Teilverkauf eher geschehen?
Man muß davon ausgehen, daß die 25 Prozent von den Banken erworben würden, die schon heute 25 Prozent besitzen. Der Renditedruck von Seiten dieser Kapitalgeber wird so stark sein, daß eine Mieterhöhung stattfinden wird. Das wird auch jetzt schon vorsichtig von der Gewoba in ihren Hausmitteilungen angekündigt. Die Entwicklung soll in Richtung von Marktmieten gehen, das wären in Bremen zehn bis elf Mark. Dann wären wir ganz schnell bei 30 Millionen Mark höheren Sozialkosten im Jahr.
Muß man nicht auch eine Gegenrechnung aufmachen? Schließlich fließt die Mieterhöhung über die Gewinnausschüttung der Gewoba auch nach einem Teilverkauf zur Hälfte an die Stadt zurück.
Das ist richtig. Im letzten Jahr hat die Gewoba 33 Millionen Mark vor Steuern ausgeschüttet. Andererseits ist aber auch meine Rechnung noch nicht vollständig. Ich habe nur die steigenden Sozialhilfekosten und den Bremer Anteil am Wohngeld gerechnet. Eigentlich müßte man darüber hinaus auch berücksichtigen, was die Unterbringung von Wohnungsnotstandsfällen kostet, die Unterbringung nach dem Obdachlosenpolizeirecht, die bisher im wesentlichen über Belegwohnungen bei den gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften stattfinden.
Bei den Mietern regt sich bereits Widerstand gegen einen möglichen Verkauf. Welche Rolle will die Angestelltenkammer dabei spielen?
Wir stehen sicherlich nicht an der Spitze des Widerstands. Wir unterstützen im wesentlichen die KollegInnen bei der Gewoba, die sich mit aller Kraft gegen den Verkauf aussprechen. Das ist unser Klientel. Nach dem Verkauf der Beamtenbau hat der private Investor ja massiv die Arbeitsbedingungen verschlechtert.
Wenn der Finanzsenator solche Pläne schmiedet, ist er dann dumm oder macht er eine andere Rechnung?
Ich glaube, hier geht es gar nicht um eine Rechnung. Hier geht es darum, der Privatisierungsideologie der CDU zu folgen. Und die SPD macht aus Koalitionsraison mit. Aber ich hoffe, daß gerade an der SPD-Basis noch gemerkt wird, daß hier nur ein Taschenspielertrick stattfindet. Ase
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