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Tarife bald ganz ohne Partner

■ Gesamtmetall-Chef Stumpfe kündigt mit dem Bündnis für Arbeit auch gleich das Tarifsystem auf

Bonn/Berlin (dpa/taz) – Noch am Dienstag nachmittag wollte Bundeskanzler Helmut Kohl „das Bündnis für Arbeit unverzüglich verwirklichen“. Er erwarte, „daß jeder seinen Beitrag leiste – Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften und Politik“. Keine vierundzwanzig Stunden später war dem Kanzler ein Bündnispartner abhanden gekommen. „Das Bündnis für Arbeit, so wie es die IG Metall vorgeschlagen hat, ist tot“, erklärte gestern der künftige Präsident von Gesamtmetall, Werner Stumpfe. Sein erklärtes Ziel ist es nunmehr, die Arbeitskosten um zwanzig Prozent zu senken. Und dafür geht Stumpfe auf Konfrontationskurs: „Das alles geht mit und ohne Tarifparteien, und wenn die Tarifparteien nicht mitmachen wollen, wird das ohne sie ablaufen.“ Auch Arbeitskämpfe würden ihn dabei nicht stören: „Wenn es nicht anders geht, werden wir eben ein bißchen weniger sozialen Frieden haben.“

Stumpfe will dabei nicht nur eine Senkung der Lohnkosten, sondern zugleich ihre flexible Anpassung an die Kalkulationen der Einzelunternehmen durchsetzen. Zu diesem Zweck schlägt er eine „Zweiteilung der Verbandslandschaft in Arbeitgeberverbände mit und ohne Tarifbindung“ vor. Dies sei „ein Mittel, um den Machtbereich der IG Metall einzudämmen“. Denn je unrealistischer deren Forderungen und je rücksichtsloser deren Durchsetzungsstrategien, um so stärker würden die Arbeitgeber in den Verband ohne Tarifbindung eintreten.

Kommt es tatsächlich zu einer solchen Konkurrenz zweier Arbeitgeberverbände, dann ist das der Abschied vom Flächentarifvertrag. Ob für Unternehmen, die den alten Verband verlassen, die laufenden Tarifverträge dann automatisch nicht mehr bindend sind, ist allerdings rechtlich umstritten. Stumpfes Vorschläge werden, so behauptet er jedenfalls, von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Verband der Maschinenbauer (VDMA) unterstützt.

Das Argument, die Arbeitgeber würden durch ihr Ausscheren aus dem Bündnis für Arbeit nicht zuletzt Bundeskanzler Helmut Kohl vor den Kopf stoßen, ließ Stumpfe nicht gelten: „Wenn wir mit unseren Vorschlägen dazu beitragen können, 100.000 Arbeitsplätze zu erhalten, bin ich bereit, eine ganze Menge Leute zu brüskieren.“ Das Bündnis für Arbeit, aber auch die Kanzlerrunden von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Bundesregierung nannte er „reine Ankündigungsveranstaltungen“ und fügte hinzu: „Das Ende der Hoffnungen ist erreicht.“

Die wollte der Deutsche Gewerkschaftsbund gestern noch nicht aufgeben. DGB-Chef Dieter Schulte appellierte an „die besonnenen Kräfte im Arbeitgeberlager“, jetzt nicht kopf- und konzeptionslos den gesellschaftlichen und sozialen Konsens aufzukündigen und damit „auch die politische und wirtschaftliche Grundlage der Bundesrepublik zu gefährden“.

Doch auch in den Reihen der Arbeitgeber wird Stumpfes Position nicht so einhellig geteilt, wie von ihm selbst dargestellt. Der frisch gewählte BDA-Präsident Dieter Hundt hatte noch vor wenigen Tagen erklärt, er wolle sich um eine Erhaltung des Flächentarifvertrags bemühen. dr

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