: Tanz die Arbeitswoche
■ „Working Week“ schnipselte im Modernes
Einige mögen der kühlen, wackeren Pop-Jazzband nachtraueren, als die „Working Week“ Mitte der achtziger Jahre dazu beitrug, daß Jazz in England wieder in Mode kam. Heute ist in der Clubszene von London „Schnipselmusik“ en vogue, die die schnittigsten und tanzbarsten Partikel aus aller Herren Musikstilen und — kulturen kompakt und originell zu Dancefloorhits zusammengebastelt. Die neue Ausgabe von „Working Week“ spielt wieder ganz vorne mit, und weil sie durchweg hervorragende Musiker sind, produzieren sie die Samples nicht am Computer im Studio, sondern spielen die Schnipsel live auf der Bühne.
Sängerin Julie Roberts, deren Stärke die Bluesstimmungen und Balladen war, wurde durch die genauso stimmgewaltige, aber viel aggressiver klingende Eyvon Waite ersetzt. Der gesamte Sound der Band ist härter, aber auch präziser geworden. Statt der früher üblichen Bläsersätze und Percussionisten agieren jetzt zwei TänzerInnen und ein zweiter Keyboarder auf der Bühne. Die wenigen alten Songs im Programm überzeugten in dieser neuen Instrumentierung auch am wenigsten: „Inner City Blues“ und „Venceremos“ wurden wie Pflichtstücke durchgespielt, und als letzte Zugabe spielte die Band vorsichtshalber eins der neuen Stücke ein zweites Mal.
Die neuen Stücke waren eine immer dancefloortaugliche Mischung aus Soul, Raggae, Latinmusic und Funk, bei der vom Jazz nur noch eine würzende Prise Coolness bleibt. Diese inszeniert Saxophonist Larry Stabbins mit Sonnenbrille und unbewegter Mine allerdings so überzeugend, daß bei seinen Soloexkursionen die offensichtlichen Anleihen bei Kollegen wie Gato Barbieri oder Pharoah Sanders kaum stören, ja er klingt heute sogar interessanter als zu der Zeit, als er nur seine eigenen Ideen auf dem Tenorsaxophon zum besten gab.
Die Drumcomputerrhythmen von „Soul II Soul“ — dreckige Keyboardsounds, die an Prince oder Herbie Hancock erinnern — und Larry Stabins rhythmisch gespielte Gitarre in der besten Wah Wah Tradition des Funk der 70er Jahre: Überraschend ist nicht so sehr, wieviele verschiedene Zutaten „Working Week“ in ihren Tanzcocktail gesteckt haben — es verblüfft eher, wie gut und einheitlich all das klingt. Denn die findige Detektivarbeit des „Welcher Ton ist wo geerbt?“ hinderte Beine, Arme und Hüften nicht daran mitschwingen, und die schiere Energie der neun Musiker ließ Nostalgie gar nicht erst aufkommen. Im „Modernes“ war Mr. Cool Larry Stabbins sicher der einzige, dessen Körperteile nicht vom Tanzrhythmus mitgerissen wurden. Er muß für diese Pose lange geübt haben. Willy Taub
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