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Tanz auf der Titanic von Berlin-Mitte

Heute läuft die Räumungfrist für das besetzte Kulturhaus „Tacheles“ aus. Der künftige Investor will mit Kunst weitermachen – aber unter seiner Kontrolle und mit anderen Betreibern  ■ Von Gereon Asmuth

Berlin (taz) – Keines der unzähligen Plakaten am Tacheles gibt einen Hinweis auf die fast unausweichlichen Änderungen, die dem Kunsthaus in Berlin-Mitte bevorstehen. Geht es nach der Oberfinanzdirektion (OFD), die das Gebäude im Auftrag der Bundesregierung verwaltet, sollen die Betreiber das seit sieben Jahren besetzte Tacheles spätestens heute freiwillig übergeben. Anfang März waren die Verhandlungen zwischen dem Tacheles und dem Investor Fundus, der das Kunsthaus in ein Neubauprojekt auf den umliegenden Brachflächen integrieren wollte, gescheitert.

„Freiwillig werden wir das Haus nicht verlassen“, erklärt Tacheles- Sprecher Martin Reiter. Heute abend steht anderes auf dem Programm. Mit einem kulturellen „Salon d'Avril“ und einer Riesenparty will sich das Tacheles noch einmal von seiner besten Seite zeigen. Über ihre Kreativität wollen die Künstler die öffentliche Meinung auf ihre Seite ziehen.

Doch es dürfte ein Tanz auf der Titanic werden. Bis September hofft OFD-Sprecher John die Räumung zu erklagen. Für andere Lösungen sieht er keinen Spielraum mehr. Dem von den Tacheles-Betreibern vorgeschlagenen Stiftungsmodell, bei dem die OFD das Gebäude für rund 4.000 Mark monatlich überlassen sollte, gibt er keine Chance. Das Tacheles habe alle an der Nase herumgeführt: „Die wollen nur noch Geld abzocken.“ Das Tacheles-Modell komme einem „Freifahrschein für die Finanzierung durch die öffentliche Hand“ gleich, ergänzt der Sprecher des Kultursenators, Axel Wallrabenstein. Dabei sei eine Lösung zwischen Kunst und Kapital möglich gewesen.

Auch Fundus hatte ein Stiftungsmodell angestrebt. Projektleiterin Toni Pfeiffer wollte das Stiftungskuratorium aber größtenteils mit „kulturnahen Persönlichkeiten“ besetzen – für die Geldakquise. Ein Nutzerbeirat sollte kulturelle Freiheit gewährleisten, aber: das Haus sollte sich für externe Impulse öffnen. Doch diese wollten sich die Nutzer nicht diktieren lassen. Der Tacheles-Verein wäre nur einer von drei Vertragspartnern des Investors geworden. Zudem wollte Fundus bei der Raumvergabe die „kulturelle Förderwürdigkeit der Untermieter“ prüfen. Die Projektleiterin will nun einen Ideenwettbewerb ausrufen und anschließend die Nutzung des Gebäudes ausschreiben. Im Frühjahr 1998, so ihr Plan, könnte die Zukunft des Kulturhauses beginnen. Das wird dann allerdings weder Tacheles heißen noch sein. Den Namen haben die heutigen Nutzer rechtlich schützen lassen.

„Subkultur hat immer auch etwas mit Gesetzlosigkeit zu tun“, meint selbst Senatorensprecher Wallrabenstein. Berlin habe dafür nach dem Mauerfall einmalige Freiräume geboten. Wenn man Subkultur institutionalisiere oder fördere, könne sie vielleicht aufregend bleiben, verliere aber ihren Charme. Manchmal, so meint er, auch schon vorher: Das Tacheles gleiche zunehmend einem „Hollywood von gestern“. Als „Disneyland“ bezeichnen die Tacheles- Nutzer im Gegenzug das Investorenkonzept. Über Kunstgeschmack läßt sich eben streiten, wenigstens darin sind sich alle Parteien einig.

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