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Tangentopoli, Bancopoli ...

Banken, Pharmaindustrie, Nobelpreis: Italiens Skandale reißen nicht ab  ■ Aus Rom Werner Raith

Daß „Tangentopoli“ mit „Schmiergeldrepublik“ zu übersetzen ist, hat sich in deutschen Medien inzwischen herumgesprochen. Wöchentlich kommen neue Wortschöpfungen dazu. Es handelt sich zumeist um den gleichen korrupten Zusammenhang. Wir werden uns an sie gewöhnen müssen.

Ein Beispiel: „Bancopoli“. Der Ausdruck wurde vor zwei Wochen geboren. Er steht für eine sich immer weiter ausbreitende Serie von Enthüllungen über Bankpräsidenten und ihre Stellvertreter, über Aufsichtsräte von Geldinstituten und Finanzierungsfirmen. Nicht nur um Schmiergelder geht es dabei, sondern offenbar immer häufiger auch um Privatgeschäfte. Verhaftet wurde bereits der Chef der weltgrößten Sparkassenvereinigung, der Cassa di risparmio per le province lombarde (Cariplo), nebst einiger seiner Mitarbeiter. Ähnliches gilt für einen Teil der Führung der Banco popolare di Novara und für Mitglieder der obersten Etage der Banca per il commercio italiano. Unter Anklage der Veruntreuung und der Bestechlichkeit steht auch der Chef der Banca nazionale di lavoro.

Internationale Wirtschaftsinstitute trauen der italienischen Bankenwelt inzwischen so wenig, daß sie nahezu jedes halbe Jahr ein oder zwei Geldinstitute in der Bewertung ihrer Kreditwürdigkeit herabstufen. Fast alle der derzeit in Ermittlungsverfahren verwickelten Banken sind mittlerweile von solchen Sanktionen betroffen.

Im Zusammenhang von „Bancopoli“ bei der Bank Cariplo hat es jedoch nicht nur die Chefetage erwischt, sondern auch noch einen, der einen Skandal jetzt gar nicht gebrauchen kann: Paolo Berlusconi. Sein Bruder Silvio ist gerade in die Politik einstiegen und träumt davon, im Frühjahr Ministerpräsident zu werden. Paolo Berlusconi tritt offiziell unabhängig von seinem Bruder als Eigner eines Teils des Medienimperiums Berlusconi auf, etwa als Mehrheitsgesellschafter der Tageszeitung Il Giornale. Er hat nach Angaben der Mailänder Staatsanwaltschaft nach seiner Verhaftung bereits eingeräumt, der Cariplo für die „Förderung“ einiger Geschäfte im Zusammenhang mit dem Pensionsfonds der Sparkasse umgerecht etwa 1,2 Millionen Mark zugeschoben zu haben. Für ihn sei das keine Bestechung, erklärte er nach seiner Freilassung. Im Fall einer Verurteilung dürfte Silvio Berlusconis Traum vom Regierungschef wohl ausgeträumt sein.

Schon wartet ein neuer Skandal und ein neuer Name: „Pharmacopoli“. Gemeint sind weitverzweigte Schmiergeldzahlungen der pharmazeutischen Industrie an die Dienststellenleiter der Ministerien, die über die Genehmigung neuer Arzneimittel und deren Zulassung für die kassenärztliche Verschreibung entscheiden.

Bei dem Leiter des Gesundheitsaufsichtsamtes, Duilio Poggiolini, wurde ein ganzes Zimmer voll mit „Anerkennungsgaben“ gefunden. Sie reichten von mehrkarätigen Diamanten über Goldbarren bis zu einmaligen Kunstwerken. Zudem wurden beträchtliche Auslandskonten entdeckt. Zwischen umgerechnet 40 und 60 Millionen Mark soll Poggiolini eingestrichen haben.

Poggiolini hat nun ausgepackt, um sich so vielleicht einen Strafnachlaß zu verdienen. Und sofort ist ein neuer Name im Umlauf: „Nobelopoli“. Denn der Pharmaverwalter wußte zu berichten, daß nicht nur bei der Genehmigung von Medikamenten reichlich Schmiergeld floß, sondern auch bei Preisverleihungen für verdiente Forscher und Gelehrte.

Poggiolinis spektakulärste Anschuldigung: Italiens Vorzeige-Nobelpreisträgerin Rita Levi Montalcini. Sie soll keineswegs der eigenen Leistung wegen ausgezeichnet worden sein. Bestechung spielte hier die Rolle: Gelder, die der multinationale Konzern Fidia Farmaceutica beim Nobel-Komittee „angelegt“ hatte. Um umgerechnet an die zwanzig Millionen Mark soll es sich gehandelt haben, die Fidia Farmaceutica 1986 für den Nobelpreis von Frau Montalcini investiert haben soll. Das jedenfalls will Poggiolini vom vormaligen Vorstandsvorsitzenden des Konzerns, Francesco della Valle, erfahren haben.

Die inzwischen 86jährige Preisträgerin dementiert die Vorwürfe ebenso heftig wie die jetzige Konzernführung.

Poggiolini will anscheinend nichts zurücknehmen. So müssen sich die ItalienerInnen wohl darauf einstellen, daß zumindest einige Kleckse auf einem der letzten noch intakt geglaubten Monumente der Nationalstolzes hängen bleiben — und daß „Nobelopoli“ sicher nicht der letzte Neologismus bleibt.

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