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Tamilische Befreiungstiger geben Waffen ab

■ Planmäßig liefert Sri Lankas größte tamilische Guerillagruppe ihre Waffen an die indische Armee ab / Guerillasprecher sind verbittert Die tamilische Bevölkerung jubelt den Indern zu / Sri Lankas Planungsminister tritt für drastische Kürzung des Rüstungsetats ein

Jaffna/Colombo (afp/wps) - Nur wenige Stunden, nachdem rund 4.000 indische Soldaten auf der nordsrilankanischen Jaffnahalbinsel das Kommando über fast alle Außenposten der ceylonesischen Armee übernahmen, hat die größte tamilische Guerillaorganisation LTTE gestern morgen mit der Waffenübergabe begonnen. Ein Sprecher der Befreiungstiger kündigte an, die Organisation werde bis Donnerstag rund 5.000 Waffen mit LKWs zum Luftwaffenstützpunkt Palali schicken, um den Kämpfern die Demütigung zu ersparen, die Waffen vor den Kameras ausländischer Reporter selbst abzuliefern. Während indische Truppen mittlerweile an allen strategisch wichtigen Punkten Sri Lankas präsent sind, machten Guerillasprecher kein Hehl aus ihrer Verbitterung über die von New Delhi über ihre Köpfe hinweg herbeigeführte „Lösung“ des Konflikts. Der 33jährige LTTE–Chef Prabhakaran erklärte am Dienstag in Jaffna– Stadt vor 100.000 in einem Hindutempel versammelten Zuhörern: „Wir haben keine andere Wahl, als der Linie Indiens zu folgen. Wir werden die Waffen abgeben, denn wenn wir es nicht tun, wird es eine bewaffnete Konfrontation mit der indischen Armee geben und das wollen wir nicht. Indien ist ein mächtiges Land, daran gibt es nichts zu rütteln.“ Ein lokaler Sprecher der Tiger äußerte sich gegenüber Journalisten noch deutlicher: „Es hat sich nicht gelohnt, für diese Lösung zu sterben. Wir haben so viele Männer verloren, so viele Zivilisten wurden getötet.“ Prabhakaran, unter dessen Führung die Tiger jahrelang für einen separaten Tamilenstaat gekämpft hatten, erklärte, er glaube nicht, daß das Friedensabkommen von Dauer sein werde. Der Tamilenstaat Eelam bleibe nach wie vor die einzige Lösung. Aber nichtsdestotrotz würden sich die Tiger an eventuellen Wahlen für neue Provinzräte in den tamilischen Gebieten beteiligen: „Der Krieg ist vorbei, aber der Kampf wird auf der politischen Ebene weitergehen.“ Entgegen weitverbreiteten Gerüchten habe er selbst kein Interesse an Regierungsposten. Unter der Hand räumten Guerillavertreter auch schon ein, man werde wohl doch einige Waffen „zum persönlichen Schutz“ und zur Austragung von Fehden untereinander behalten. Im Gegensatz zur pessimistischen Einschätzung der meisten Tamilenführer herrschte in Jaffna am Dienstag und Mittwoch festliche Stimmung. Zum ersten Mal seit Monaten kehrte die nördliche Metropole wieder zu normalem Leben zurück. Während die Straßen noch von Bildern der im Krieg gefallenen Guerillakämpfer gesäumt waren und in vielen Orten der Halbinsel die Fahne der „Tiger“ gehißt war, waren die Kämpfer selbst kaum noch zu sehen. Bewohner begannen, Möbelstücke in die zerschossenen Häuser zurückzubringen, Tausende begrüßten fähnchenschwingend die indischen Soldaten und feierten die „Befreier“ mit „Jai Hind“ (“Hoch lebe Indien“)–Rufen. Unterdessen hat der srilankanische Finanzminister Ronnie de Mel, der sich maßgeblich für das Zustandekommen des indisch–srilankanischen Abkommens eingesetzt hatte, erste Vorschläge für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Nordens und Ostens der Insel gemacht. Die Weltbank solle zunächst das Ausmaß der Schäden schätzen, bis Ende des Jahres solle ein internationales Treffen über Hilfsmöglichkeiten beraten, und die Regierung in Colombo solle die Verteidigungsausgaben drastisch kürzen. Trotz des allgemein dokumentierten Friedenswillens wurde jedoch am Mittwoch der langjährige Führer der kleineren tamilischen Rebellenorganisation PLOT, Uma Maheswaran, wegen eines Bankraubes aus dem Jahr 1981 und der Ermordung eines Regierungsbeamten zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Nach den Bestimmungen des Friedensabkommens müßte er allerdings begnadigt werden.

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