: Tamilen wollen weiter verhandeln
■ LTTE–Führer Prabhakaran bezeichnet Gespräch mit offiziellen indischen Vertretern in Jaffna als „historisch entscheidenden Schritt“ / Indiens Premier Rajiv Gandhi will in Colombo „Kompromißabkommen“ unterzeichnen / Widerstand der singhalesischen Rechten
Aus Madras Biggi Wolff
„Lösung für das ethnische Problem in zwei Wochen“ und „Rajiv wird Abkommen in Colombo unterzeichnen,“ lauteten die Schlagzeilen gestern morgen in der indischen Presse. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatte der staatliche srilankische Rundfunk verkündet, daß eine „endgültige Übereinstimmung“ zur Lösung des ethnischen Problem erzielt worden sei und Indiens Premierminister Rajiv Gandhi zur Unterzeichnung eines „bilateralen Kompromißabkommens“ innerhalb der nächsten zehn Tage in Sri Lankas Hauptstadt Colombo erwartet werde. Schon am Sonntag hatten die von der Regierung Jayewardene und dem indischen Botschafter in Colombo, N. Dixit, veröffentlichten Vorschläge über die Einrichtung von Provinzräten politische Beobachter und die tamilischen Organisationen in Madras überrascht. Hinter den Vorschlägen steht eine Aufteilung Sri Lankas in fünf Provinzen, die von einem gewählten 71köpfigen Parlament, einem Kabinett und dessen Ministerpräsident regiert werden sollen. Oberste Instanz ist ein von der Zentralregierung in Colombo eingesetzter - und durch sie auch wieder absetzbarer - Gouverneur in jeder Provinz. Wesentliche Neuerung im Vergleich zu früher gemachten Vorschlägen ist die geplante Zusammenfassung der traditionell tamilischen Siedlungsgebiete des Nordens und Ostens unter einer einzigen Provinz. Diese Minimalforderung der tamilischen Seite war jahrelang von der Regierung in Colombo als zu weitgehend abgelehnt worden, weil damit nach ih rer Meinung eine Anerkennung eines „tamilischen Heimatlandes“ (Homeland) verbunden gewesen wäre. In der vergangenen Woche hatten mehrere Gespräche zwischen dem indischen Botschafter, Präsident Jayewardene und verschiedenen srilankischen Ministern stattgefunden, gefolgt von einem Gespräch des indischen Vertreters mit dem Führer der Guerillaorganisation LTTE (“Liberation Tigers of Tamil Eelam“), Prabhakaran, in Jaffna. Prabhakaran ließ in Jaffna erklären, das Treffen zwischen den Tigers und offiziellen indischen Vertretern in Jaffna sei „ein historisch entscheidender Schritt, da es die politische Anerkennung der LTTE zur Folge hätte“. Trotz der zahlreichen offenen Fragen und der nur vage mündlich unterbreiteten Vorschläge ist den Erklärungen aller Tamilenorganisationen deutlich das Bemühen anzumerken, weitere Verhandlungen auf der Grundlage der Provinzräte nicht zu behindern. Als positiv wird übereinstimmend hervorgehoben, daß eine offizielle Anerkennung der tamilischen Sprache vorgesehen sei. Inzwischen ist Parbhakaran nach Neu Delhi gereist. Nach Angaben aus tamilischen Kreisen in Madras soll er am kommenden Mittwoch in Delhi das Friedensabkommen unterschreiben, meldete afp gestern. Am Donnerstag traf Präsident Jayewardene in Colombo fünf Abgeordnete der regierenden „United National Party“ (UNP), die als Vertreter der mohammedanischen Bevölkerung im Parlament sitzen. Die überwiegend Tamil sprechenden Mohammedaner spielen bei den jetzt vorliegenden Vorschlägen eine entscheidende Rolle. Im Osten Sri Lankas, in den Distrikten Trincomalee, Batticalao und Amaparai, setzt sich die Bevölkerung heute zu etwa je einem Drittel aus Singhalesen, Tamilen und Mohammedanern zusammen. Viele ehemals tamilisch dominierte Gebiete wurden in den letzten Jahren durch eine systematische Kolonialisierungspolitik zu mehrheitlich singhalesischen umgewandelt. Darüberhinaus zwangen die „Special Task Force“, die mit äußerster Brutalität gegen die tamilische Zivilbevölkerung im Osten vorging, und die 15.000 Mann starke bewaffnete zivile „Singhalesische Bürgerwehr“ Zehntausende von Tamilen zur Flucht in den Norden des Landes. In seinem Gespräch mit den Vertretern der Mohammedaner versicherte Präsident Jayewardene, daß es ein Jahr nach Inkrafttreten der Zusammenlegung der Nord– und Ostprovinz unter einer Regierung ein Referendum geben werde, im dem diese Entscheidung durch Mehrheitsbeschluß der Bevölkerung wieder rückgängig gemacht werden könne. Starken Widerstand gegen die neuen Pläne gibt es von seiten der oppositionellen „Sri Lanka Freedom Party“ (SLFP) und der einflußreichen „Maha Sangha“ (“Vereinigung der buddhistischen Hohepriester“). Die Aufteilung des Landes in kommunale, linguistische und religiöse Zonen würde niemals zu Frieden und zur Einheit führen können hieß es. SLFP–Führerin Frau Bandaranaike kündigte an, ihre Partei werde mit den Mönchen zusammen eine landesweite Kampagne gegen die Provinzratsvorschläge durchführen. Die Regierung habe kein Recht, „ein Drittel des Landes zu verschachern, ohne das Mandat des Volkes dafür zu haben,“ sagte Frau Bandaranaike.
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