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Taktierende Freude

■ Bundestag streitet, wie und wann die Kontrolle von Zuwanderung geregelt wird

Bonn (taz) – „Opposition macht frei!“ rief Guido Westerwelle, Generalsekretär der Freien Demokraten, gleich zweimal freudig ins Plenum. Schließlich hatte die FDP und nicht die rot-grüne Bundesregierung die gestrige Bundestagsdebatte über ein Einwanderungsgesetz initiiert. Westerwelle hatte den Entwurf für ein „Einwanderungskontrollgesetz“ vorgelegt.

Der FDP-Entwurf, über den gestern im Bundestag gestritten wurde, stammt nämlich aus dem Frühjahr vergangenen Jahres. Aus Rücksicht auf den Koalitionspartner CDU/CSU war er damals nicht ins Parlament eingebracht worden. Die späte parlamentarische Weihe verdankt das alte FDP-Einwanderungsgesetz wohl vor allem SPD- Mann Otto Schily. Der Bundesinnenminister hatte in einem Zeitungsinterview gesagt, die Grenze der Belastbarkeit durch Zuwanderung sei in Deutschland überschritten. Daran könne auch ein Einwanderungsgesetz nichts ändern. Drei Tage später holte Westerwelle den gestern verhandelten Gesetzentwurf hervor. Ein kluger Schachzug, denn in der Vergangenheit hatten Schilys SPD und der bündnisgrüne Koalitionspartner immer wieder ein Einwanderungsgesetz gefordert. Der Regierung bereitete die gestrige Debatte sichtliches Unbehagen. Das erste Kabinettsmitglied erschien erst 20 Minuten nach Beginn. Schily ließ sich überhaupt nicht blicken, was die CDU lustvoll zum Anlaß für Empörung nahm.

Für ihren abwesenden Minister legte die parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium, Cornelie Sonntag-Wolgast, die neue Linie der SPD dar: Ein Einwanderungsgesetz sei nötig, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Zuerst solle das Staatsangehörigkeitsrecht wie geplant reformiert werden. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, machte deutlich, auch für ihre Partei, Bündnis 90/Die Grünen, hätte ein Einwanderungsgesetz jetzt keine Priorität.

Der FDP-Gesetzentwurf, dem schließlich keine andere Fraktion zustimmte, sieht vor, jährliche Höchstquoten für Zuwanderung festzulegen. Der Zuzug von Arbeitsmigranten und Aussiedlern soll quotiert werden. Die Zahl von nachziehenden Familienmitgliedern und Menschen, die in Deutschland um Asyl nachsuchen, soll mit dieser Quote verrechnet werden. Von solchen Vorstellungen völlig fern stehen die PDS und die Union. Allerdings mit ganz unterschiedlichen Begründungen: Ulla Jelpke (PDS) mahnte an, Asylsuchende könne man nicht quotieren. Für die Union erklärte Jürgen Rüttgers, Deutschland habe „angesichts von 7,3 Millionen Ausländern und 4 Millionen Arbeitslosen keinen Zuwanderungsbedarf“. Deshalb sei ein Einwanderungsgesetz überflüssig. Robin Alexander

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