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Taft und Tüll

■ Modenschau im Rahmen der Ausstellung »...dann mach' ich es mir eben selbst!« von BeV StroganoV

Es begab sich in einem Restaurant zu Frankfurt am Main, daß ich mit einem werten Freunde des Nachts speisen wollte. Und wie ich mit ihm Platz genommen hatte, fiel uns nach ein paar Sätzen, deren Inhalt ich jetzt hier bei bestem Willen nicht mehr wiedergeben könnte, die Eigentümlichkeit der Gardine auf. Diese bestand aus locker gewebten Fäden in traumhaften Muschelfarben gehalten, die einfach von der Gardinenstange herabhingen. Wahrhaft spannend gestaltete sich die Inspektion aber erst, als einer von uns beiden auf die Idee kam, einzelne Fäden nach unten zu ziehen um sie dann plötzlich loszulassen. In gar munterer Weise schnellten diese dann nach oben, so daß man, wenn man - mitlerweile zum Ärger des Personals - die Fäden in lockerer Reihenfolge in beschriebener Weise mißbrauchte, durchaus die Assoziation eines Bolschoiballetts haben konnte.

Ein anschließendes Rätselraten, was die verschiedenen Designer wohl mit diesem interessanten Stoff zu machen wissen würden (Tima die Göttliche würde wahrscheinlich mit den Worten »Dann fällt es besser« unten Gardinenschnüre annähen), waren wir uns einig, daß BeV StroganoV sicherlich, was immer sie auch mit diesem Material zu tun gedenke, erst einmal viel Stoff kaufen würde. Zeichneten sich doch bisher die BeV- Moden dadurch aus, die Models mit ganzen Stoffballen behangen — diese durch Klettband und Sicherheitsnadeln zusammengehalten — über den Laufsteg zu scheuchen. Nach der Devise »Tragbar ist, was nicht herunter fällt« setzten die Klamotten auch der leidigen Frage nach Gefälligkeit ein Ende.

Ganz so üppig werden aber bei der neuen Kollektion BeV light die Bahnen nicht verarbeitet. Schließlich handelt es sich ja auch um Sommermoden. Vielmehr wird hier dem Körper, anstatt ihn geschickt zu verhängen, verstärkt Betonung gegeben. Denn Tuntenmode sei nicht Frauenmode, und so müsse auch der männlichen Identität der Tunte Ausdruck verliehen werden. Gerade die Slipschlipse und Chapslipschlipse gereichen dieser Anstrengung zur Ehre: Suchte schon das Brautkleid aus voriger Kollektion durch Ausparungen im Brust- und Bauchbereich jeglichem Zweifel über das Geschlecht des Trägers Einhalt zu gebieten, werden diesmal schon die Fummel an sich der männlichen Bekeidungsbranche entlehnt.

Analog der Austellung in der Galerie Lou Lou Lazard, welche, ohne die Tunte hinter sich zu lassen, eine Imageänderung zum Ernsthaften und Tiefgang hin vollzieht, soll auch in der Mode das Wissen um die eigene Vielschichtigkeit transportiert werden. Das Spannungsfeld zwischen den Antipoden Lederkerl und Fummeltrine, sowie die Eindrücke im Aidszeitalter, in dem das »Drumherum« wichtiger geworden ist als der Orgasmus selbst, werden hier ihren künstlerische Bearbeitung finden. In einer Mode, die sich den Vorwurf, sexistisch zu sein, anscheinend gerne gefallen lässt.

Ob die Mode allerdings auch in den Räumen der Galerie gezeigt wird, ist noch ungewiss. In Anbetracht des beschränkten Raumangebots in der Crellestraße könnte ein kurzfristiger Umzug an anderen Ort nötig werden. Hier war unter anderem das in unmittelbarer Nähe gelegene Xenon-Kino im Gespräch. Auf alle Fälle trifft man sich erstmal in der Galerie, in der man sich zur Einstimmung die Ausstellung ansehen sollte. Bleibt nur zu hoffen, daß angesichts der spärlichen Bekleidung BeV knackige Models verpflichten konnte. Dirk O. Evenson

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