: TV-gerechtes Freiheitsdrama
■ ZDF-Intendant: Westfernsehen hatte Bedeutung beim Umbruch in der DDR
Eine entscheidende Rolle im Vorfeld und während des Umbruchs in der DDR hat ZDF-Indentant Dieter Stolte dem Westfernsehen zugesprochen. Die sozialistische Propaganda im früheren Fernsehprogramm der DDR habe die Menschen über Jahrzehnte hinweg der Gesellschaft und der Wirklichkeit entfremdet, meinte Stolte am Montag bei den „23. Tagen der Fernsehkritik“ in Mainz. Ihre Sprache haben die DDR-Bürger nach Ansicht des ZDF-Indentanten nicht zuletzt mit Hilfe des westdeutschen Fernsehens wiedergefunden. Weil das DDR -Fernsehen ein staatlich gelenkter „Unterdrückungsmechanismus, eine Eintrichterungsapparatur“ gewesen sei, habe das westliche Fernsehen von ARD und ZDF wirksam werden können.
Stolte erklärte, jetzt veröffentlichte Statistiken zeigten, daß das West-Fernsehen in der DDR weit mehr gesehen worden sei als das Ost-Programm. Die öffentlich-rechtlichen Programme und somit Teile der westlich-demokratischen Wirklichkeit und Freiheit, seien jahrelang Bestandteil des Alltags in der DDR gewesen. Dadurch sei dann das Bedürfnis entstanden, an den demokratischen Errungenschaften nicht nur über den Bildschirm teilzuhaben, sondern sich persönlich ein Bild davon zu machen.
Die Mainzer Tage der Fernsehkritik standen unter dem Thema: Revolutionäre Öffentlichkeit - das Fernsehen und die Demokratisierung im Osten. ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser sprach den Verdacht aus, daß die Ereignisse um die Wende in der DDR auch deshalb eine so große Wirkung entfalteten, weil sie „fernsehgerecht“ und ganz nach dem Geschmack des Mediums waren. Das Freiheitsdrama sei als Fortsetzungsserie geboten worden mit allen Zutaten erfolgreicher Fernsehdramaturgie wie Umarmung und Tränen, Tyrannensturz, Schicksalen und Karrieren. In den Tagen der Umwälzungen in Osteuropa sei das Fernsehen zwar „in Hochform“ gewesen, davor habe es sich aber schwer getan, die Ursachen, danach, die Folgen zu beschreiben.
Zum Auftakt der Tage der Fernsehkritik veröffentlichte das ZDF eine Umfrage, nach der das ZDF das „beliebteste Fernsehprogramm in der DDR“ ist. 27 Prozent von etwa 800 Befragten entschieden sich für das ZDF auf die Frage, welches Programm sie wählen würden, wenn nur noch ein einziges empfangen werden könnte, heißt es in einer ZDF -Mitteilung. Bei der ARD machten nach ZDF-Angaben 24 Prozent der Befragten ihr Kreuz, bei RTL plus 16 Prozent, beim DDR -Fernsehen DFF 15 Prozent und bei Sat1 neun Prozent.
dpa/ap
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