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■ StandbildSzenen einer Ehe

„Ehepaare: Die Genschers“, Sonntag, 22.25 Uhr, ZDF

„Ehepaare – da hat ja wohl jeder so seine Erfahrungen“, erklärt uns Ruprecht Eser gleich eingangs, und Barbara und Hans-Dietrich Genscher lächeln zu dieser Feststellung staatsmännisch weise. Seit sechsundzwanzig Jahren sind die beiden verheiratet. 1969, im Jahr ihrer Eheschließung, trat er seinen ersten Ministerposten im Innenressort unter Willy Brandt an. Eine Politikerehe also, ohne jedes private Vorspiel – da wird wohl auch Barbara so ihre Erfahrungen gemacht haben.

Zum Beispiel die, daß sich die „Frau an seiner Seite“ auch im Privaten nach dem Politischen richten muß. Am Abend, wenn er nach einem langen, harten Arbeitstag nach Hause kam, da wartete sie natürlich erst einmal ab, ob er etwas erzählen wollte. „Man weiß dann, die Stimmungen zu deuten.“ Weiß sich zurückzuhalten, mit den eigenen kleinen alltäglichen Sorgen. Viele Ehen funktionieren so. Aber normalerweise interessiert uns das nicht. Bei dem Medienstar Genscher ist das anders. Da gieren wir nach dem Mensch hinter dem politischen Gesicht. Möchten wissen, wie er sich fühlte, damals 1989 auf dem Balkon der Prager Botschaft. Wollen erfahren, was sie bewegte, als er sich während des Münchner Olympiadramas 1972 als Austauschgeisel anbot. „Ich war ganz sicher, sie würde das verstehen“, erklärt er. „Ich war nicht erstaunt, als ich in den Nachrichten davon erfuhr“, sagt sie.

Barbara Genscher ist die Kronzeugin des Abends. Sie könnte uns erzählen, ob er vielleicht schnarcht im Bett oder morgens immer muffelig ist. Ob er die Brocken so manches Mal hinschmeißen wollte oder vielleicht sogar Angst vorm Fliegen hat. Und sie gibt auch brav Auskunft. „Mein Mann dachte ...“, erklärt sie ein ums andere Mal, „mein Mann meinte ... mein Mann machte ...“ Nicht etwa: „Hans-Dietrich dachte“ oder gar „Hänschen meinte“. Nur ganz am Ende der Sendung, die natürlich doch nicht eingelöst hatte, was sie uns eingangs versprach, schenkt man uns doch noch einen kleinen privaten Moment. Als er sich schon eilig erheben will, hält sie ihn mit einer unwirschen Geste zurück: „Wir sollen doch noch nicht aufstehen!“ zischt sie ihm zu, und er rutscht auch sofort wieder in die Couchkissen zurück. Mehr war über diese Ehe nicht in Erfahrung zu bringen. Aber war es nicht schon viel mehr, als man zu hoffen gewagt hätte? Klaudia Brunst

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