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Syrien will Schray freibekommen

■ Libanesischer Rundfunksender spricht von Ultimatum an Entführer / Noch kein Bekennerbrief wegen Schray-Entführung aufgetaucht / Krisenstab tagte in Bonn / Schray fühlte sich als Libanese

Beirut/Bonn (afp/ap) – Das Oberkommando der syrischen Truppen in Westbeirut hat den Entführern des Bundesbürgers Ralph Schray am Donnerstag ein Ultimatum bis Freitag 00.00 Uhr gestellt. Das berichtete der Sender Stimme des Libanon am Donnerstag morgen ohne auf Details einzugehen. Syrische Soldaten durchkämmten am Vormittag den Westteil Beiruts auf der Suche nach Schray. In libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, die Syrer wollten offenbar in der gleichen Weise vorgehen wie im Falle des US-Journalisten Charles Glass, der zwei Monate nach seiner Festnahme freigelassen worden war.

Bislang hat sich keine Gruppe zu der Entführung des 31jährigen Ingenieurs bekannt. Wie Regierungssprecher Ost zum Abschluß einer Sitzung des Arbeitsstabes „Libanon“ der Bundesregierung erklärte, liegen keine gesicherten Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen der Entführung von Schray und der Geiselnahme von Rudolf Schmidt und damit der Hamadi-Affäre vor. Schray selbst verbindet außer einem deutschen Vater und einem deutschen Paß wenig mit der Bundesrepublik. Er ist bei seiner palästinensischen Mutter in Libanon aufgewachsen, spricht kaum Deutsch und hat vor fünf Monaten die Libanesin Ghana Moula geheiratet. Seiner Frau zufolge habe er sich als Libanese gefühlt und da her die Stadt nicht verlassen, als die Entführungen von Ausländern sich häuften.

Angaben aus Beirut zufolge gibt es Hinweise, daß die Entführung Schrays mit der pro-iranischen Schiitenbewegung Hizbollah in Verbindung steht. So heißt es beispielsweise in der libanesischen Hauptstadt, Abdel Hadi Hamadi, ein Bruder der in der BRD einsitzenden Abbas und Mohammed Hamadi, sei vor rund zwei Monaten nach einem langen Aufenthalt im Iran wieder in Beirut aufgetaucht. Abdel Hadi Hamadi gehört nach Einschätzung der Justizbehörden der Hizbolallah an und war an den Entführungen von Cordes und Schmidt beteiligt. Die Kidnapper hatten den Austausch gegen Mohammed Hamadi gefordert, dem unter anderem Flugzeugentführung und Mord vorgeworfen wird. Sein Bruder Abbas steht derzeit in Düsseldorf vor Gericht. Der Bruder des am Mittwoch entführten Schray, Georges Abu Nassar, hat unterdessen mit dem libanesischen Interims- Ministerpräsident Selim Hoss und dem geistigen Führer der Hizbollah im Libanon, Scheikh Hussein Mohammed Fadlallah, Kontakt aufgenommen. Nassar, der einer der reichsten moslemischen Famlien des Landes angehört, will jedoch nicht bei den bundesdeutschen Behörden vorspechen. „Mein Neffe ist nur Deutscher aufgrund seines Passes. Wir sind arabische Nationalisten und in keinster Weise mit der Bundesregierung verbunden“, erklärte Nassar gegenüber afp.

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