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Syrien ignoriert Lagerkrieg

■ Die Eingeschlossenen hoffen auf eine Wiedervereinigung der PLO als Voraussetzung für eine Besserung ihrer Lage

Mit seinem Einmarsch in Westbeirut vor dreieinhalb Wochen trägt Syrien nunmehr direkte Verantwortung für die Fortsetzung des Lagerkrieges, den sein libanesischer Hauptverbündeter, die Schiitenmiliz Amal, seit dem 30.September gegen die Flüchtlingslager im Südlibanon und den Beiruter Vororten führt. Syrische Beobachter stehen unweit der Camps, die Kämpfer der Amal in dieser Gegend verschwanden nicht von den Straßen wie im Zentrum Westbeiruts. Die Beendigung des Lagerkrieges rangiert offensichtlich nicht an oberer Stelle auf der syrischen Prioritätenliste für den Libanon. In der Weltöffentlichkeit ist es um den Lagerkrieg unterdessen wieder still geworden. Während die Syrer nach dem „Aufräumen“ in Westbeirut derzeit versuchen, mit den christlichen Gruppen und Präsident Gemayel eine Reform der politischen Institution auszuhandeln, ist alle Welt erst einmal bereit, der „pax syriana“ eine Chance zu geben. Denn wenn es Präsident Assad gelingt, dem Einfluß der Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO und der radikalen, pro–iranischen Hizballah im Libanon ein Ende zu setzen, kann er sicher sein, daß sich auf internationaler Ebene kein allzu heftiger Widerspruch gegen seine militärische Intervention rührt. Zudem führt Assad bereits seit 1983 auf verschiedenen Ebenen einen erbitterten Kampf gegen seinen Erzfeind, PLO–Chef Arafat, in dem der Lagerkrieg, mittlerweile in seiner dritten Runde, nur ein Element darstellt. Die Vertreibung von Arafats Anhängern aus dem Nordlibanon Ende des gleichen Jahres zählt ebenso dazu wie die Versuche, eine alternative PLO von seinen Gnaden aufzubauen und damit einer Wiedervereinigung der seither gespaltenen PLO entgegenzuwirken. Doch alle Anzeichen deuten darauf hin, daß zumindest dieser Zug für den gewieften Präsidenten nun abgefahren ist. Der Sicherheitschef der PLO, Abu Iyad, hat diese Woche angekündigt, eine Sitzung des palästinensischen Nationalrats (PNC), der Exilparlaments, werde bereits am 20.April in Algier stattfinden. Geladen sind alle palästinensischen Parteien, die Mitglied der Dachorganisation sind, also auch die in der syrischen Hauptstadt Damaskus ansässigen Gruppen. Die Demokratische Front (DFLP) unter Najef Hawatmeh und die Kommunistische Partei werden, anders als bei der letzten Tagung in Amman, wieder mit von der Partie sein. Die Volksfront (PFLP) unter George Habasch hat sich bisher noch nicht festgelegt, aber es ist damit zu rechnen, daß sie im letzten Moment auf den fahrenden Zug aufspringen wird. Immerhin hat der palästinensische Schriftstellen– und Journalistenverband Anfang Februar in Algier das erste Mal wieder gemeinsam getagt. Eine Wiedervereinigung der PLO ist auch deshalb wichtig, weil dann zumindest die drei größten Parteien, Arafats Al Fatah, die Demokratische Front und die Volksfront, nach außen hin wieder mit einer Stimme sprechen. Dies erleichtert ihr Auftreten auf internationaler Ebene, vor allem gegenüber der Sowjetunion, die sich immer gegen die Spaltung der PLO ausgesprochen hat, zugleich aber auch Kontakte zu der marxistisch–leninistisch ausgerichteten DFLP und PFLP unterhält und ein Verbündeter Syriens ist. Daher werden die innerpalästinensischen Verhandlungen auch in den umzingelten libanesischen Flüchtlingslagern aufmerksam und zum Teil mit Ungeduld verfolgt. Da sich auf libanesisch–syrischer Ebene keine Lösung des Lagerkriegs andeutet, hofft man darauf, daß die Dinge nach der Tagung einer wiedervereinigten PLO in Algier, wichtig auch für die arabische Welt, erneut in Bewegung geraten. Bis es soweit ist, hungert die Bevölkerung in den Beiruter Lagern weiter, und kaum jemand nimmt Notiz davon, wie auch PLO– Chef Arafat am Dienstag bemerkte. Beate Seel

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