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Archiv-Artikel

Synagoge von Anwohnern nicht erwünscht

Wegen Uneinigkeiten über den Standort verzögert sich die Einrichtung eines jüdischen Zentrums in Neuss. Anwohner protestieren gegen eine Synagoge in ihrer Nähe und die Parteien schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu

NEUSS taz ■ Die jüdische Gemeinde in Neuss muss voraussichtlich noch lange auf ein eigenes Gotteshaus warten. Der seit 1999 geplante Umbau eines leer stehenden Theatergebäudes ist „aus Platz- und Sicherheitsbedenken“ vom Tisch (taz berichtete). Der frisch wiedergewählte CDU-Bürgermeister Herbert Napp visiert jetzt einen Neubau am Rande der Innenstadt an. Aber auch gegen das neue Projekt regt sich der Widerstand.

Dass der Umbau des ehemaligen Landestheaters aus Sicherheitsgründen geplatzt sei, halten SPD und Grüne für vorgeschoben. Der Bürgermeister selbst hatte sich seit 1999 für die Umwidmung eingesetzt und für seine Idee bundesweit viel Lob eingeheimst. 2001 stellte sich der Rat per Beschluss mit großer Mehrheit hinter ihn.

In Wirklichkeit hätten einflussreiche Bürger die Synagoge in der Innenstadt verhindert, meint SPD-Vorsitzender Benno Jakubassa. „Das sind Anwohner mit CDU-Parteibuch“, ist er sich sicher. Durch Leserbriefe an die Lokalzeitung hatten diese diverse Bedenken gegen das Projekt des Bürgermeisters vorgetragen: Der geplante Umbau sei „unästethisch“ und störe die gediegene Atmosphäre der Jugendstilfassaden ringsum, hieß es da. Geschäftsleute fürchteten um den Verlust von Parkplätzen.

Insgesamt sollen 600 jüdische Bürger – die meisten von ihnen sind in den vergangenen zehn Jahren aus der Sowjetunion eingewandert – im Kreis Neuss durch ein jüdischen Zentrum versorgt werden. Der grüne Fraktionsvorsitzende Michael Klinkicht kritisiert vor allem eine lange Verzögerung durch den Neubau. Es müssten neue Gelder beantragt und ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden, so Klinkicht.

Schuld an der Verzögerung sei der rot-grüne „Ressort-Egoismus“ in Düsseldorf, setzt Bürgermeister Napp dagegen. „Wir haben mit der jüdischen Gemeinde dort den Antrag gestellt, die Gelder vom Umbau auf den Neubau umzupolen.“, sagt er zur taz. Aber das sei abgeblockt worden. Nun würde das Projekt erst 2007/2008 in das Bauprogramm des Landes einbezogen werden. „Wir denken über eine Zwischenfinanzierung nach“, sagt Napp. Dann könnte auch 2006 mit dem Bau begonnen werden.

Die Vorwürfe der Opposition schmettert Napp ab. „Es hat keinen Druck meiner Partei gegeben, den Umbau des Theaters zu verhindern“, sagt er. Die Sicherheitsbedenken seien daher gekommen, dass die Angst vor Anschlägen größer sei und die Attentäter immer brutaler würden. Auch die jüdische Gemeinde habe ihm in diesem Punkt recht gegeben.

Streit gibt es bereits jetzt um den von Napp angepeilten Standort am Rande des Stadtparks. Auch die dortigen Anwohner wollen kein jüdisches Gotteshaus in ihrer Nachbarschaft. Diese Bürger seien aber nicht aus antisemitischen Gründen gegen den Standort, will der Grüne Klinkicht wissen. „Es handelt sich hier um eine schützenswerte Grünfläche“, sagt er. Vergangene Woche stürmten 40 Anwohner die Bürgersprechstunde der CDU-Geschäftsstelle. Zur Debatte steht auch ein von SPD und Grünen favorisierter Platz für den Neubau, auf dem bereits ein Mahnmal für die ermordeten Neusser Juden steht. Bürgermeister Napp plant jetzt eine Kommission mit Beteiligung aller Ratsparteien und Vertreter der jüdischen Gemeinde einzurichten, die Standortvorschläge prüfen soll. NATALIE WIESMANN