■ Supermans Tod sorgt für amüsierte Reflektionen: Vorübergehend verstorben
New York (dpa) – Superman ist tot. Das jüngst erschienene Comic- Heft No. 75 über das Ende vom Mann aus Stahl hat eine riesige Auflage gehabt, und zahllose Leichtgläubige haben in der Hoffnung, daß es schon in wenigen Jahren fantastische Sammler-Preise bringen könnte, jede Menge Exemplare gekauft. „Nach einer angemessenen Trauerzeit“ – frühestens im März nächsten Jahres – soll der Held wieder auferstehen, hat eine Verlagssprecherin bestätigt. Die Zeichner und Schreiber der 50 Jahre alten Serie konferierten bereits darüber, wie der Held aus dem Totenreich zurückgebracht werden könne, ohne daß die Lesertreue gefährdet werde.
Aber es ist nicht so, daß ganz Amerika um ihn weint – um die „phallische, super-maskuline Figur“, die den eher primitiven Teil der US-Kultur verkörperte. Der Übermann wurde von Doomsday erledigt, einem Schwerverbrecher, der aus einer kosmischen Irrenanstalt entkommen war. Schon die Ankündigung vom Tod des Helden, der zwischen 1978 und 1983 in drei erfolgreichen Filmen von Christopher Reeves dargestellt wurde, war vor einigen Monaten weithin als Public-Relations-Gag verstanden worden. Das hat sich jetzt bestätigt: Leser, die das Heft mit dem Superman-Tod in einer Deluxe-Ausgabe kaufen, erhalten eine schwarze Armbinde dazu, mit der sie um ihr Idol trauern und Reklame für den nur vorübergehend Verstorbenen machen können.
Amerikas Intellektuelle allerdings sehen das Ende des Comic- Idols eher im Zusammenhang mit dem Ende des all-amerikanischen Helden überhaupt. Am Ende des Jahrhunderts, meinen sie, lösen sich die alten Mythen weitgehend in Luft auf: Es war auch ein schlechtes Jahr für George Bush, der ein Held im Zweiten Weltkrieg war und seinen Präsidentschaftswahlkampf gegen Bill Clinton verlor – der war gegen den Vietnamkrieg und schaffte es, seine Einberufung zu umgehen. Wenn Clinton durchsetzt, was er angekündigt hat, wird die US-Armee künftig Helden haben, die sich bisher angeblich niemand vorstellen konnte: Männliche und weibliche Homosexuelle sollen offiziell als Soldaten dienen dürfen. Manche ihrer Sprecher glauben, daß ohnehin rund 200.000 Schwule und Lesben dort Dienst tun – aber der konservative Teil der Öffentlichkeit wird schwer daran zu knacken haben, wenn Sergeants oder gar Generäle sich offen zu ihrer Veranlagung bekennen und nicht mehr automatisch entlassen werden.
„Bush hat sich selbst außergewöhnlichen Schaden zugefügt, als er sich zuzugeben weigerte oder nicht einmal begriff, daß die alten Superhelden abtreten“, schrieb die New York Times über den verlorenen Wahlkampf des Präsidenten. Die Vergleiche des Blattes zwischen Superman und dem künftigen Präsidenten Bill Clinton, besonders die Unterschiede im Verhältnis Supermans zu seiner Anbeterin Lois Lane und Clintons Partnerschaft zu seiner intellektuellen Frau Hillary, fielen eindeutig zugunsten des realen neuen Helden aus. Helmut Räther
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