: Summa summarum sauteuer
■ Ein Gewerbe klagt an: Fürs Taxifahren blecht der Kunde oft ein kleines Vermögen, aber auch die Männer und Frauen hinterm Steuer können den Droschkendienst kaum noch finanzieren / Am allerwenigstenlukrativ: ...
Seit einer halben Stunde wartet Taxifahrer Ulrich Siglinski auf einen Fahrgast. Eine Kollegin schon seit 45 Minuten. An lange Stehzeiten hat sie sich gewöhnt und vertreibt sich die Langeweile mit Handarbeiten. Sie näht. Das braune Tuch, das sie umsäumt, ist fast fertig. Langes Warten gehört für die Taxifahrer am Bahnhof Friedrichstraße zum Geschäft. 13 Taxis stehen dort Schlange. Die meisten Fahrer sind ausgestiegen und schlagen die Zeit mit einem Kaffee am Imbißstand tot.
„Früher waren wir gefragter“, sagt der aus Ostberlin stammende Siglinski, seit 30 Jahren Droschkenfahrer. Heute werde weniger Taxi gefahren, „weil die Fahrpreise gestiegen sind“. Besonders schlimm, sagt Siglinski, sei es in den Ostberliner Außenbezirken. Trotzdem ist der Mann dafür, die Tarife zu erhöhen. Denn die Kosten wachsen ihm über den Kopf: Versicherungen und Sprit kosteten monatlich 100 Mark mehr als im letzten Jahr.
Für einen Diesel 200 zahlt ein Taxihalter seit Anfang Januar knapp 8.000 Mark Versicherungsgebühren jährlich. Um 25 Prozent teurer geworden sind die Prämien einer Teilkaskoversicherung, um 15 Prozent die einer Vollkaskoversicherung. Im Vergleich zu den anderen Jahren sind dagegen die Gebühren für Haftpflicht und KFZ- Steuer nur normal gestiegen. Doch auch für den Sprit müssen die Droschkenkutscher tiefer in die Tasche greifen: Der Liter Diesel kostet acht Pfennige mehr, Benzin 15 Pfennige. Summa summarum sind die Betriebskosten um fünf Prozent gestiegen. Für die Taxifahrer bedeutet das fünf Prozent weniger Geld in der Kasse, denn noch fährt der Kunde zum alten Tarif.
Doch die Meinungen darüber, ob durch erhöhte Tarife die Verluste ausgeglichen werden können, gehen stark auseinander. „Dann hätten wir ja noch weniger Fahrgäste“, glaubt Gerhard Orgas, selbst Taxihalter und -fahrer. Orgas ist dafür, weniger Taxis zuzulassen. Denn in Berlin seien 14.000 Taxifahrer mit 7.200 Fahrzeugen unterwegs. Orgas: „Das sind 2.000 Taxis zuviel.“ Der 60jährige Westberliner kommt auf 1.300 bis 1.400 Mark Netto im Monat. Neun Stunden arbeitet er täglich, Urlaub gab es schon lange nicht mehr.
Auch Wolfgang Wruck von der Berliner Taxiinnung spricht von einer Flaute. Doch Schuld daran hätten weder die gestiegenen Betriebskosten noch zu viele Taxis auf Berlins Straßen, sondern die wirtschaftliche Rezession: „Die Leute“, meint er, „sparen zuerst am Taxifahren.“ Deshalb hätten die Gesamtkosten die Taxihalter dieses Jahr fast „erschlagen“.
Den Ideen des Staatssekretärs der Verkehrsverwaltung, Ingo Schmitt, der schwierigen Lage im Berliner Taxigeschäft durch Zonentarife, Sondertarife für bestimmte Tageszeiten oder den Einsatz von Sammeltaxen abzuhelfen, stimmt Wruck zu. „In diese Richtung gehen auch unsere Pläne, aber sie sind noch nicht spruchreif.“ Juliane Echternkamp
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