: Süßes Gift der Reaktion
Mit neun lief ich dann zu Nöstlinger über. Auslöser war ein Briefwechsel mit Otfried Preußer, meinem damaligen Idol. Ich hatte ihn gefragt, wie man Schriftsteller wird. Und, ob er Tipps geben könne. Die Antwort kam prompt: Ein Schriftseller müsse eigene Ideen entdecken. Und lesen schade auch nicht. Ich solle doch sein bald erscheinendes Buch „Hörbe mit dem großen Hut“ erwerben. Oh, war ich stolz! Ich antwortete postwendend, wie toll ich alles von ihm fände. Bis auf die Sache, dass seine „Hotzenplotz“-Bände alle mit denselben Worten beginnen. Und enden. Die Antwort kam prompt. Ein Schriftsteller müsse eigene Ideen entdecken und seinen Weg finden. Das war’s. Ich kapierte damals nicht, dass diese Verweigerung von Reflexion erklärt, warum man Preußler lieben muss, obwohl er mit seinen grandiosen Fantasiewelten auch das süße Gift der Reaktion verbreitete – durch ein selbst für die 1950er konservatives Frauenbild, getragen vom Begehren, eine zerbrochene Ordnung zu restaurieren. Er hat es vielleicht nie selbst bemerkt oder gewollt. Er ist wohl zu erinnern als wichtiger, und nicht ungefährlicher, Dichter der Gegenaufklärung.
BENNO SCHIRRMEISTER