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Sündenbock Takeshita tritt zurück

■ Japans Recruit-Skandal kulminiert im Sturz des Regierungschefs / Vorherrschaft der Liberal-Demokratischen Partei gerät ins Wanken / Opposition fordert Kabinettsauflösung und Neuwahlen

Tokio (afp/dpa/taz) - Starke Kursgewinne verzeichnete gestern die Aktienbörse von Tokio nach der Rücktrittserklärung des japanischen Ministerpräsidenten Noburu Takeshita. Börsenhändler und die Führung der regierenden Liberal-Demokratischen Partei hoffen, daß nun die seit Monaten bestehende Unsicherheit über die weitere politische Entwicklung vom Markt und der politischen Bühne verschwindet.

Als Chef der LDP und des Kabinetts entschuldigte sich Takeshita bei der Nation für den politischen Vertrauensverlust, den der Aktien- und Korruptionsskandal um den Multi-Konzern Recruit ausgelöst hatte. In den vergangen Wochen hatte Takeshita peu a peu einräumen müssen, daß er seinen Wahlfonds über Insidergeschäfte mit Aktien, Spenden und einem „Darlehen“ insgesamt um 200 Millionen Yen (2,85 Millionen Mark) vom Recruit-Konzern aufgebessert hatte.

Die Opposition forderte indessen radikalere Konsequenzen aus der Verwicklung weiter Teile der politischen Führungsschicht in die Affäre und verlangte die Auflösung des Kabinetts und Neuwahlen. Mindestens 17 Politiker sind in den Skandal verstrickt, und mehr als ein Dutzend Personen sind bisher unter dem Verdacht der Bestechlichkeit festgenommen worden. Bereits seit dem 8.März hat die Opposition die anstehende Haushaltsdebatte blockiert und verlangt, daß zunächst Takeshita-Vorgänger Ysuhiro Nakasone unter Eid über seine Rolle im Recruit-Skandal aussagen müsse. Unter Nakasones Ägide - bis heute zentrale Figur der LDP - hatte Recruit-Chef Ezoe ihm und den meisten seiner Mitarbeiter vor der offiziellen Börseneinführung Aktienpakete verkauft, die dann um ein Mehrfaches im Kurs stiegen.

Mit seinem Rücktritt will Takeshita nun den Weg zur Verabschiedung des diesjährigen Haushalts freimachen, so die offizielle Begründung. Sofort nach der Verabschiedung des Etats durch beide Häuser des Parlaments will der Ministerpräsident seinen Sessel räumen. Das Gerangel um den Haushalt kann sich aber noch bis zum 20.Mai hinziehen.

Ausschlaggebend für das Bauernopfer der LDP dürfte

allerdings Fortsetzung auf Seite 2

Porträt und Bericht auf Seite 7

Kommentar auf Seite 8

eine Serie spektakulärer Wahlschlappen gewesen sein. Am Sonntag war der Kandidat der Kommunisten bei der Oberbürgermeisterwahl in der Zweimillionenstadt Nagoya bis auf rund 80.000 Stimmen an den LDP-Amtsinhaber herangekommen. Nach der Einführung einer dreiprozentigen Mehrwertsteuer ist das Stimmungsbarometer für den Premier auf magere 3,7% abgesunken. Die LDP-Führer fürchten ganz offensichtlich eine schwere Niederlage bei den anstehenden Oberhauswahlen im Sommer. In den letzten Tagen wurde in den Medien der frü

here Außenminister Masayonshi für die Nachfolge gehandelt.

Der von dem Vorschlag wenig begeisterte und zuckerkranke 75jährige soll wenigstens für drei Monate Weißwäscherpolitik betreiben. Er zählt zu den wenigen Spitzenpolitikern der Regierungspartei, die im Recruit-Skandal nicht als Geldempfänger genannt wurden. Sollte die LDP mit diesem Saubermann die anstehenden Wahlen überstehen, käme eine Ablösung des alten und kränklichen Politikers durch Generalsekretär Shinto Abe, der ebenso tief im Recruit-Sumpf wie Takeshita selbst steckt, in Betracht. Die diplomatische Kontinuität soll indes gewährt bleiben. Seine Reisepläne für kommenden Samstag in fünf Asean-Staaten läßt sich Takeshita vorerst nicht durchkreuzen.

sl

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