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Südkoreas Studenten fordern Regierung heraus

■ Mit einem Massenaufgebot an Polizei soll eine demonstrative Diskussion zwischen nord- und südkoreanischen Studenten verhindert werden / Heftige Straßenkämpfe / Organisationsgrad und Entschlosse

Südkoreas Studenten fordern Regierung heraus

Mit einem Massenaufgebot an Polizei soll eine demonstrative Diskussion zwischen nord- und südkoreanischen Studenten

verhindert werden / Heftige Straßenkämpfe /

Organisationsgrad und Entschlossenheit der Studenten auf

neuem Niveau

Seoul (afp/ap/dpa) - In Südkorea droht die Auseinandersetzung um ein geplantes symbolisches Treffen südkoreanischer und nordkoreanischer Studentendelegationen in Panmunjon in einen erneuten Machtkampf zwischen Regierung und Studentenschaft zu münden. Mit massivem Polizeieinsatz, mit Straßensperren und Festnahmen versuchte die Polizei am Freitag, die Gespräche der jeweils 13köpfigen Delegationen über eine Wiedervereinigung der beiden Koreas zu verhindern. Wie schon am Vortag kam es dabei zu heftigen Straßenschlachten zwischen den Sicherheitskräften und rund 5.000 Studenten der Yonsei-Universität in Seoul. Nach Augenzeugenberichten wurden bei den Zusammenstößen 100 Menschen verletzt.

Ein Student wurde von einer Tränengasgranate lebensgefährlich am Kopf getroffen. Fast genau vor einem Jahr hatte der Tod des Studenten Lee Han-Yol, der ebenfalls von einer Tränengasgranate am Kopfe getroffen worden war, eine der bislang schwersten Straßenschlachten in Seoul ausgelöst.

Etwa 10.000 Hochschüler von 60 Universitäten hatten sich am Donnerstag auf dem Gelände der Yonsei-Universität versammelt. In der Nacht zum Freitag wurden über 650 Studenten festgenommen. Mit Kontrollen und Blockaden hinderte die Polizei viele Demonstranten daran, auf das Universitätsgelände zu gelangen.

Mit massivem Tränengaseinsatz versuchten rund 50.000 Polizisten vor den Universitäten und an den wichtigsten Knotenpunkten Seouls dann am Freitag, den geplanten Marsch der Studenten zur innerkoreanischen Demarkationslinie zu vereiteln. Die Demonstranten antworteten mit Brandflaschen und Steinen. Die Straßenschlacht wurde mit großer Brutalität geführt.

Polizisten, deren Uniformen in Flammen standen, schrien. Studenten skandierten Losungen wie „Yankee go home!“ und „Häutet die Yankees!“ Zu wüsten Szenen kam es nach Augenzeugenberichten am Bahnhof von Seoul, als etwa 2.000 Studenten versuchten, einen Zug in Richtung Panmunjon zu besteigen. Dabei seien mindestens 200 der Teilnehmer von der Polizei fortgeschleppt worden.

Nach Ansicht von Beobachtern wird es für die Studenten nahezu unmöglich sein, die sieben Checkpoints auf der 40 Kilometer langen Straße von Seoul zur Imjin-Brücke, dem einzigen Zugang nach Panjunmon, zu passieren. Vorsorglich wurde darüber hinaus die Brücke mit Stacheldraht, Stahlbarrieren und Sperren aus Benzin und Brennholz, die bei Bedarf in eine Feuerwand verwandelt werden können, abgesichert.

Ungeachtet der Blockade wollen die 13 Studenten an ihrem Vorhaben festhalten. „Ich werde mich noch heute mit meinen Brüdern aus dem Norden treffen und mit der Wiedervereinigung unseres Vaterlands beginnen“, rief Kim Jung-Ki, ein 23jähriger Philosophie-Student, der die südkoreanische Delegation leiten sollte, am Morgen den Kundgebungsteilnehmern auf dem Campus der Yonsei-Universität zu. Die Dreizehn hatten zuvor nach Presseberichten ihr Testament aufgesetzt und mit Selbstmord gedroht, sollten sie an dem Treffen mit ihren nordkoreanischen Kommilitonen gehindert werden.

Rund 5.000 Studenten blockierten später mit Sitzstreiks den ersten Teilabschnitt der Straße nach Panmunjon. Am Nachmittag wurde die Blockade von der Polizei gewaltsam aufgelöst, 20 Studenten wurden festgenommen.

Nach Angaben der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA traf unterdessen die nordkoreanische Studentenabordnung in Panmunjon, dem Ort in der entmilitarisierten Grenzzone, wo 1953 der Waffenstillstand abgeschlossen wurde, ein.

Seouls Minister für die Nationale Vereinigung, Lee Hong -Koo, warf Pjöngjang vor, die Studentenbewegung propagandistisch auszuschlachten. Nach seinen Worten müßten einem derartigen Treffen bilaterale Gespräche auf Regierungsebene vorhergehen. Dies werde jedoch von Nordkorea abgelehnt.

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