: Südafrika verschärft erneut Zensur
■ Polizeichef verbietet jede Äußerung zur Freilassung politischer Gefangener / Bischof Tutu bezeichnet Rassistenregime als „bis ins Innere verrückte“ Macht und kündigt öffentliches Gebet für Gefangenenfreilassung an / Regime will Entlassungskampagne unterdrücken
Johannesburg (ap/wps) - In Südafrika ist am Wochenende unter dem seit zehn Monaten geltenden Ausnahmezustand das Recht auf freie Meinungsäußerung weiter eingeschränkt worden. Polizeichef Coetzee verbot in einem Erlaß jede Handlung und jede Äußerung, die die Freilassung politischer Gefangener zum Thema haben. Dazu gehöre auch das Tragen von T–Shirts mit entsprechenden Aussagen. Der Polizeichef begründete sein Vorgehen damit, daß die Aufrufe zur Freilassung von Häftlingen und Aktionen zur Unterstützung von Gefangenen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdeten. Nach Meinung von Kritikern der Regierungspolitik betrifft das Verbot sogar öffentliche Gebete für die Gefangenen. Der schwarze südafrikanische Friedensnobelpreisträger Bischof Tutu reagierte nach einer Meldung des britischen Rundfunks BBC auf die weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit mit der Ankündigung, daß er sich dem Verbot widersetzen und noch am Sonntag in einem Gottesdienst öffentlich für die Freilassung der Gefangenen beten werde. Tutu charakterisierte die neuen Bestimmungen als Ausdruck „einer Macht, die bis ins Innerste verrückt geworden ist“. Anti–Apartheid Aktivisten in Südafrika beschrieben die Maßnahmen als „drakonisch, furchterregend und illegal“. Es sei offenbar das Ziel des Regimes, eine landesweite Kampagne für die Entlassung von 13.000 bis 20.000 Verhafteten zu unterdrücken. Unter den Gefangenen sind auch 256 Kinder, die nach Aussagen der Regierung wegen Sicherheitsvergehen festgehalten werden. Sprecher der Vereinigten Demokratischen Front (UDF), in der über 700 Anti–Apartheid–Grup pen zusammengeschlossen sind, erklärten in Johannesburg, daß die offiziellen Zahlen der Verhaftungen weit untertrieben seien. Wahrscheinlich würden gegenwärtig bis zu 30.000 Menschen länger als 30 Tage in Lagern und Gefängnissen festgehalten. UDF–Sprecher Murphy Morobe wurde von der südafrikanischen Nachrichtenagentur SAPA mit den Worten zitiert, die neuesten Bestimmungen seien als Teil einer Regierungskampagne zu sehen, jede rechtmäßige politische Betätigung zu kriminalisieren. Max Coleman, Sprecher des Unterstützungskomitees der Eltern Inhaftierter, teilte mit, bei Verstößen gegen das neue Verbot drohten zehn Jahre Gefängnis oder ein Bußgeld von 20.000 Rand (18.000 DM). Coleman meinte, daß sogar gefragt werden müsse, ob nicht auch der Antrag eines Rechtsanwalts auf Haftentlassung seines Mandanten unter die Verbotsvorschrift falle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen