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Studie zu Terrorangriff auf AKW Biblis AAuch Berlin wäre gefährdet

Die SPD stellt eine Studie des Öko-Instituts vor, wonach nach einem Anschlag auf das südhessische AKW selbst 600 Kilometer entfernte Städte unbewohnbar werden. CDU: Panikmache

Das AKW Biblis: So könnte es auch von möglichen Terroristen gesehen werden Bild: dpa

WIESBADEN ap/taz Im Fall eines Terroranschlags mit einem Flugzeug auf das südhessische Atomkraftwerk Biblis A wären auch Berlin, Paris und Prag bedroht. Nach einer Studie des Darmstädter Öko-Instituts, die der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer am Montag in Wiesbaden vorstellte, könnte der radioaktive Niederschlag noch in 600 Kilometern Entfernung die Evakuierung ganzer Städte und Landstriche notwendig machen. Auf einer Fläche von bis zu 10.000 Quadratkilometern, das entspricht dem Vierfachen des Saarlands, müsste die Bevölkerung umgesiedelt werden.

"Wir alle müssen wünschen, dass es zu so etwas nicht kommt", sagte Scheer: "Biblis A ist die größte anzunehmende Gefahrenstelle in Europa." Die Studie war von der Vereinigung Eurosolar in Auftrag gegeben worden, deren Präsident der SPD-Politiker ist. Scheer verwies auf Überlegungen, ein entführtes Passagierflugzeug abzuschießen, wenn damit ein Terroranschlag drohe. Derartige Erwägungen gingen bei Biblis A jedoch ins Leere. Das Atomkraftwerk sei weniger als eine Flugminute vom Frankfurter Flughafen entfernt, so dass die Zeit für eventuelle Gegenmaßnahmen nicht ausreiche.

Die Folgen eines derartigen Anschlags würden die deutsche Volkswirtschaft im Kern treffen. Die einzig denkbare Konsequenz aus dieser Situation sei es, den 1.200-Megawatt-Reaktor nicht wieder ans Netz gehen zu lassen, sagte der SPD-Politiker: "Abschalten statt abschießen." Wer die Gefahren des Atomterrorismus ernst nehme, müsse die Gefahrenquellen beseitigen

Biblis A ist im Gegensatz zu jüngeren Kraftwerken nur unzureichend gegen Flugzeugabstürze geschützt. Die Betonkuppel über dem Sicherheitsbehälter hat eine Wandstärke von lediglich 60 Zentimetern. Sie dürfte selbst dem Absturz kleinerer Maschinen nicht standhalten. Das älteste deutsche Atomkraftwerk ist seit mehr als einem Jahr abgeschaltet, weil in der Anlage Tausende falsch montierter Dübel ausgetauscht werden mussten. Ein Wiederanfahren wird aber für die nächsten Wochen erwartet.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im hessischen Landtag, Christean Wagner, bezeichnete die Aussagen Scheers als unverantwortliche Panikmache. Jede Technik habe ihre Risiken. Es helfe den Bürgern nicht, wenn diese zu Wahlkampfzwecken aufgebauscht würden. Die hessische FDP sprach von Horrorszenarien. Dagegen forderten die Grünen Bundes- und Landesregierung zum Eingreifen auf. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein hessischer Kollege Wilhelm Dietzel (CDU) müssten jetzt umgehend handeln, um die Bevölkerung vor einem nicht beherrschbaren Risiko zu schützen, sagte Fraktionschef Tarek Al-Wazir.

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4 Kommentare

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  • J
    JoHo

    600 km?

    Was ist mit den Kernkraftwerken an der deutsch-französischen Grenze ? Weit genug weg ??

     

    Das Aussparen dieser Anlagen aus der allmählich lächerlichen Diskussion um Kernkraft (ja/nein) zeigt einmal mehr, daß in Deutschland nur noch mit stark eingeschränkter Hirntätigkeit gedacht und regiert wird. Fast nebenan liegt das Hauptwerk der BASF in Ludwigshafen.Sollte sofort stillgelegt werden - wegen Terrorgefahr !!

     

    @ Bürger G : Danke, es tut wohl Kommentare wie Ihre zu lesen !!!

  • BG
    Bürger G.

    Lieber Herr Bachmann,

     

    1.) selbst das vom Schullehrer Gabriel geführte BMU zollt der Studie keine große Aufmerksamkeit, da nichts neues drinne steht und es eben nur Panikmache beschreibt, um potentielle Wähler zu mobilisieren.

    2.) Der Vergleich zur Spingerpresse sollte sich die "taz" mal durch den Kopf gehen lassen, da sie in den letzten Jahren sehr oft deren Methoden verwendet und sich viele frühere Leser von Ihr zu recht abwenden

    3.) "Traue keiner Studie, die Du nicht selbst gefälscht [oder in Auftrag] gegeben hast"

    4.) Zum Thema Brennelemente steht seit Jahren die Bundesregierung (die jeweilige) in der Pflicht, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen, für ein Endlager zu sorgen (das wir standortmäßig ja bereits hätten)

    5.) Ich werde hier jetzt nicht die toxische, akute und genetische Wirkung von ionisierender Strahlung gegen die von Dioxinen und anderen Chemischen Verbindungen ausspielen bzw. gegenüberstellen. Jedoch sollte man dabei ein wenig mehr Sachverstand einbringen als Zitat: "sie zerstört trotzdem die DNS jedes Lebewesens und das für hunderte von Jahren"[Herr Bachmann]

    6.) Zum Thema Subventionen: Das Umweltministerium von Schleswig-Holstein hat die Studie in Auftrag gegeben. Hierzu kann ich wiederum nur auf Punkt "3.)" verweisen. Die Kernenergie hatte in früheren Jahren m.W. nur Anschubfinanzierungen bekommen und ist wirtschaftlich, das wird seid über dreißig Jahren jedes Jahr bewiesen! Die Subventionen der Erneuerbaren Energien (ich finde diese Subvention erstmal nicht schlecht, wenn wir es in der Zukunft schaffen auf reg. Energien umzusteigen) übertrifft schon jetzt deutlich die Subventionen die die Kernenergie angeblich hatte! Die Wirtschaftlichkeit ist leider bei vielen erneuerbaren Energieträgern leider immer noch nicht gegeben....

    7.) Finde ich es von Seiten der Erneuerbaren-Lobby recht schäbig, sich den besten und leichtesten Gegener rauszusuchen (da die Kernkraft in der Büger-Meinung sowieso einen schweren Stand hat und m.E. die Diskussion unfair und unsachlich geführt wird), um Ihre Belange duchzusetzen die nicht nur idealistischer Natur sind, denn es geht um sehr viel Geld, das zu verdienen ist bei der Förderung von Ern. Energien. Wenn die Öko-Lobby wirklich dem Menschenwohl verpflichtet wäre, sollte sie objektiver werden!

  • SB
    Sascha Bachmann

    Sehr geehrter Bürger G.,

     

    so funktioniert Politik nun einmal. Soll die genannte Firma keine Studie in Auftrag geben, nur weil es die Atomlobby ständig tut? Es stimmt, die taz hätte gut daran getan die Auftraggeberin zu nennen, damit jedeR selbst sehen kann ob sie/er dem allem Glauben schenkt. Aber wird das auch in der Springerpresse getan?

     

    Nicht nur Biblis A ist eine Gefahr, die Brennstäbe aus dem abgebauten brandenburgischen AKW im Zwischenlager Lubmin bei Greifswald stehen in einer normalen Lagerhalle. Es ist gar kein Schutz gewährleistet. Mal ganz von den 18 weiteren AKW neben Biblis abgesehen, die sind vielleicht gegen kleine Flugzeuge gesichert, aber keines Wegs gegen eine Passagiermaschine.

     

    Die US-Amerikanische Regierung hat im Sommer 2001 zwar von der Gefahr gehört Bin Laden könnte einen erneuten Anschlag auf das WTC durchführen und zwar diesmal mit Passagiermaschinen, aber diesem Dossier zollte niemand Aufmerksamkeit. Es war einfach zu unwahrscheinlich.

     

    In Ostdeutschland existieren zum Glück kaum große Chemieanlagen, deswegen würde so ein Anschlag eher den Raum Köln/Bonn, Nord-BaWü oder die Region Wien treffen. Eine dort entstehende Wolke würde zwar viel Schaden anrichten, aber eins vergessen Sie völlig: Der Unterschied zu Biblis ist nun einmal die Strahlung. Ich weiß, man sieht sie nicht, sie zerstört trotzdem die DNS jedes Lebewesens und das für hunderte von Jahren. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, das einfach nicht sein muss.

     

    Übrigens gab das Umweltministerium von Schleswig-Holstein vor ein paar Jahren eine Studie über die Wirtschaftlichkeit von AKW in Auftrag. Ergebnis: Ohne staatliche Subventionen wäre Atomstrom teurer als Strom aus erneuerbaren Energien.

     

    Die Liste lässt sich noch sehr lang fortsetzen. Bitte informieren Sie sich, bevor Sie eine solche Studie als puren Wahlkampf bezeichnen - immerhin gibt es im Wahlkampf höre Aufmerksamkeit für bestimmte Themen, es ist also gut genau jetzt vor den Gefahren des maroden AKW zu warnen.

  • BG
    Bürger G.

    1.) der Auftraggeber der Studie EUROSOLAR: Lobby der Solarenergie, die sich, weshalb auch immer, die Kernkraft als Gegner ausgesucht hat (weshalb überhaupt?, es bringt der Solarenergie doch nichts, der Solarstrom bleibt auch ohne Kernkraft unrentabel, die Kernenrgie könnte ihr eher helfen)

    2.) Herr Scheer (Präsident von o.g. Lobbyorganisation): der möchte gerne Umweltminister und Wirtschaftsminister in Hessen werden. Da kann er ja dann dafür sorgen, dass der Bürger seine unwirtschaftlichen Solarträume finanziert und er privat ne Menge Geld daran verdient (Der neue Typ des "Sozialdemokraten")

    3.) In Hessen hat s.o. der Wahlkampf begonnen und die SPD liegt mit Ihrer Kandidatin in den Umfragen abgeschlagen (was auch daran liegt, dass die SPD die schlechteste aller personellen Möglichkeiten als Kandidatin ins rennen schickt). Da liegt es nahe, dass man mit Panik, den ein oder andern aus der Reserve locken kann, ...wenn sonst nichts hilft?! :-)

    4.) Die Studie steht und fällt mit den Annahmen die zu Grunde gelegt wurden. Wie sieht es denn bei der BASF oder bei Bayer etc. aus, gibt es da nicht auch die ein oder andere hochtoxische Chemikalie, die auf Grund eines Flugzeugabsturzes und angenommenen ungünstigen Bedingungen bis nach Berlin ihr Unheil anrichten und sehr schnell viele Menschen töten könnte?