Stromverbrauch von Streamingdiensten: Der Weg zur Streamscham
Videoplattformen und Streamingdienste könnten sich zu Treibern der Klimakatastrophe entwickeln. Die Grünen wollen dagegen jetzt vorgehen.
In vielen Bereichen sei bereits erkennbar, dass „eine Digitalisierung ohne ökologische Leitplanken den bestehenden Trend zu steigendem Ressourcenverbrauch und Emissionen verstetigt und beschleunigt“. Gehe diese Entwicklung ungebremst weiter, könne sich die Digitalisierung zum Treiber der Klimakatastrophe entwickeln, heißt es im Antrag. Ein wesentlicher Hebel dagegen könne eine CO2-Bepreisung sein.
Die Grünen berufen sich in ihrem Antrag auf im März dieses Jahres veröffentlichte Zahlen des Energieunternehmens Eon. Demnach habe das Videostreamen im Jahr 2018 weltweit so viel Strom verbraucht wie Polen, Italien und Deutschland zusammen: 200 Milliarden Kilowattstunden. Auf Youtube kommen demnach jede Minute circa 400 Stunden Videomaterial hinzu. Die Server für solche und andere Dienste laufen rund um die Uhr. Immer mehr Endgeräte greifen auf immer mehr Dienste zu. Die Mobilfunkindustrie schätzt, dass circa fünf Milliarden Menschen ein Smartphone besitzen, rund zwei Drittel der Weltbevölkerung.
In Deutschland ist der Stromverbrauch von Streaming-Diensten in Rechenzentren in den letzten Jahren deutlich gestiegen, sagt Clemens Rohde vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, der zu Energieeffizienz forscht. Einen wachsenden Anteil daran haben Cloud-Rechenzentren. „Der Anstieg ist aber nicht so erschreckend, wie man das von den zahlreichen neuen Dienstleistungen erwarten würde“, sagt Rohde.
Skandinavien attraktiv für Rechenzentren
Allerdings hat Deutschland international gesehen einen relativ kleinen Anteil am Stromverbrauch durch Rechenzentren, da die Stromkosten hierzulande höher als im Ausland sind und es langwierige Genehmigungsprozesse gibt. Beliebtere Standort für die Techfirmen sind die skandinavischen Länder, da dort durch viel Wasserkraft erneuerbare Energien besonders günstig sind.
Wie viel Energie die großen Streaming-Dienste exakt brauchen, lässt sich nur schwer sagen. „Die Zahlen liegen bei wenigen Akteuren, die sich nicht in die Karten schauen lassen, da die Energiekosten Teil der Geschäftsstrukturen sind“, sagt Rohde. Aussagen wie Streaming verbrauche so viel Strom wie ganze Länder fußten auf einer wackeligen Datengrundlage. Unter anderem lasse sich schwer bestimmen, wie hoch der Grundverbrauch der Rechenzentren sei, wenn gerade wenig gestreamt werde.
Wie hoch der Anteil einzelner Dienste am Stromverbrauch ist, lässt sich ebenfalls nur schwierig aufdröseln. Denn der Wert schwankt je nach der Serverauslastung, der Länge und Komplexität der Suchanfrage. Die britische Wochenzeitung Sunday Times behauptete in einem Artikel von 2009, eine einzige Google-Suchanfrage würde 0,003 Kilowattstunden verbrauchen. Google behauptete anschließend, der Verbrauch sei nur 0,0003 Kilowattstunden groß.
Cloudbasierte Dienste werden weiter wachsen
Dabei ist die Grundidee von Streaming ressourcensparend: weil man sich die Fahrt ins Kino spart, weil weniger Datenträger und Verpackungen produziert werden müssen. Doch der Vergleich zwischen DVD und Netflix sei kaum erforscht, sagt Rohde. Bislang gebe es keine valide Datengrundlage. „Bei der schnellen technischen Entwicklung kommt die Forschung oft nicht hinterher.“
Musik-, Video- und Game-Streaming-Dienste unterscheiden sich massiv in ihrem Daten- und Stromverbrauch. Spotify benötigt bei mittlerer Qualität rund 40 Megabyte in der Stunde, bei Netflix sind es bei mittlerer Qualität rund 700 Megabyte. Googles neuer cloudbasierter Spieledienst Stadia verbraucht mindestens 4,5 Gigabyte pro Stunde. Anders als bei Musik und Filmen, bei denen Server die Inhalte nur bereitstellen müssen, sind Games interaktiv und die Server müssen auf die Eingaben der Spieler*innen sofort reagieren.
Für die kommenden Jahre schätzt IT-Experte Rohde, dass cloudbasierte Dienste weiter stark wachsen werden. Doch wie mit dem wachsenden Strombedarf umgehen? Ein Weg zurück ist laut Rohde nicht mehr möglich. Viele Menschen hätten sich an das Streamen gewöhnt und nutzten keine DVDs oder Blu-rays mehr. Ein wichtiger Schritt sei daher die Effizienzsteigerung der Infrastruktur von Rechenzentren und der Software. Der Informatiker Peter Sanders forscht etwa am Karlsruher Institut für Technik zu effizienten Algorithmen, die Software schneller arbeiten lassen, um weniger Strom zu verbrauchen.
Effizienzsteigerung ist nur der Anfang
Das Problem dabei: Das Wachstum war in der Vergangenheit größer als die Effizienzsteigerung, sagt Ralph Hintermann vom Borderstep Institut. Ein klassischer Rebound-Effekt. Prozessoren und Smartphones erbringen zwar immer mehr Rechenleistung bei kleinerem Energieverbrauch und werden damit theoretisch ökologischer. Gleichzeitig nutzen nun immer mehr Menschen immer mehr energieintensive Dienste.
Rohde ist deshalb der Ansicht, dass Effizienzsteigerung nur der Anfang sein könne. Wichtiger sei ein bewusster Umgang mit Technik: „Beim Wasserhahn sehen wir, was wir verbrauchen, beim Streaming nicht, zumal ich die Stromkosten des Rechenzentrums nicht auf meiner eigenen Stromrechnung sehe“, sagt Rohde. Er plädiert dafür, Streamingdienste sparsamer zu nutzen: Einen hochauflösenden Kaminfeuer-Stream laufen zu lassen, hält er für wenig sinnvoll. Besser sei es, auf dem Smartphone zu schauen, als auf dem großen Bildschirm.
Eine CO2-Bepreisung sei aber nur schwer umsetzbar: „Denn die großen Techfirmen sitzen zum Großteil außerhalb von Deutschland.“ Die Grünen betonen in ihrem Antrag auch, dass Digitalisierung nicht per se eine Klimabelastung sein muss. So könne der Energieverbrauch in der Industrie bis 2030 mittels IT um 25 bis 30 Prozent sinken. Und autonom fahrende Kleinbusse könnten den privaten Pkw überflüssig machen.
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