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Strenges Auge

Leni Riefenstahl hätte nicht mit fast hundert Jahren noch Filmschnitt am Computer erlernt, wenn sie konsequenterweise nicht auch eine eigene Homepage hätte (www.leni-riefenstahl.de). Neben der Imagepflege dient diese Homepage auch dem Geschäft – per Link zu einem Onlineversand. Hielt die Riefenstahl lange Zeit ihre Filme, zu denen sie selbst die Rechte wahrt, unter Verschluss, so sind sie heute fast sämtlich als Video oder DVD im Handel erhältlich.

Orientierung vermag die Homepage aber auch dem erklärten Riefenstahl-Gegner zu liefern: Veröffentlichungen, die nicht den Segen der Regisseurin gefunden haben (oder ihr offensichtlich unangenehm sind, wie ihr Buch „Hinter den Kulissen des Reichsparteitagsfilms“ mit einem Hitler-Vorwort, München 1935), werden hier nicht erwähnt. Den Test nicht bestanden haben die drei Biografien, die in den letzten Jahren erschienen sind, aber auch der instruktive, leider vergriffene Katalogband zur Riefenstahl-Ausstellung des Filmmuseums Potsdam (Henschel, Berlin 1999).

Gnade vor den strengen Augen der Regisseurin und Fotografin fand hingegen der von Angelika Taschen herausgegebene Bildband Fünf Leben (Taschen, Köln 2000, 336 Seiten, 30 Euro). Was vermutlich vor allem damit zusammenhängt, dass der Band mit Ausnahme einer Kurzbiografie auf jeden Text verzichtet. Ein Buch für Fortgeschrittene wie für all jene, die es zu genau nun auch nicht wissen wollen – oder die ein Faible für Riefenstahls Konterfei haben.

Die ausführlichste und umfangreichste Riefenstahl-Biographie ist erst seit ein paar Tagen auf dem Markt. Jürgen TrimbornsRiefenstahl. Eine deutsche Karriere“ (Aufbau Verlag, Berlin 2002, 600 Seiten, 25 Euro) konzentriert sich vor allem auf die Riefenstahl-Vita und die Widersprüche zwischen Legende und Realität. Glanzstück seiner Arbeit ist der Nachweis, dass Riefenstahl im September 1939 keineswegs, wie bislang angenommen, sofort Polen verließ und ihre Pläne zu einem Kriegsfilm annulierte, nachdem sie Zeugin eines deutschen Massakers geworden war.

Stärker am Werk und an wertenden Filmanalysen interessiert zeigt sich Rainer Rother in seiner Monografie „Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents“ (Henschel, Berlin 2001, 288 Seiten, 15 Euro). Sehr überzeugend zeigt Rother auf, wie das bundesrepublikanische Publikum das Unsympathische und Kaltherzige an Riefenstahls Haltung (und damit auch sich selbst) erkannte, darüber aber obendrein verdrängte, dass die Regisseurin symbolisch auch für die eigene Verstrickung einstehen sollte.

Lutz Kinkel hat in seinem Buch „Die Scheinwerferin. Leni Riefenstahl und das ‚Dritte Reich‘ “ (Europa Verlag, Hamburg 2002, 380 Seiten, 26,90 Euro) einige neue Quellen zu Riefenstahls Umgang mit den Größen des Faschismus erschlossen: Briefe an Mussolini, Telegramme an Hitler, Stasiakten. Vom Duktus ist dies die forscheste der drei Biografien, was das Lesevergnügen nicht immer steigert.

Die Hörspiel-CD „Marleni“ von Thea Dorn ist soeben bei Lido/Eichborn erschienen (sechzig Minuten, 19,90 Euro). Mit der einstigen Ufa-Schauspielerin Gisela Uhlen und der einstigen DDR-Diseuse Gisela May sind die Rollen der Leni Riefenstahl und der Marlene Dietrich nicht nur gewitzt, sondern auch ideal besetzt. Ein Duell der knurrenden und grollenden Stimmen, unterbrochen von gelegentlichen strategischen Heulkrämpfen seitens Frau Uhlen. Wunderbar.

REINHARD KRAUSE

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