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Streit zum 50. Geburtstag

Das DeutschlandRadio will vom Rias-Gebäude das alte Signet entfernen. Das Haus steht unter Denkmalschutz. An die 50jährige Geschichte erinnert nun eine Ausstellung  ■ Von Torsten Teichmann

Noch prangt der Schriftzug des Rias über dem Funkhaus am Hans- Rosenthal-Platz, seit drei Jahren Sitz des DeutschlandRadios (DLR). Doch DLR-Verwaltungschef Christian Wagner möchte anstelle des alten Schildes gern seine Hausmarke nach außen hin zeigen. „Es ist in diesem Haus etwas Neues angebrochen“, so Wagner gestern anläßlich der Eröffnung eines Dokumentationsraumes zum 50. Jahrestag der Gründung des Rias.

Ein Raum voller Fotos von Redakteuren und Moderatoren, Flugblättern und Staatsverträgen erinnert an die wechselvolle Geschichte des Rundfunks im Amerikanischen Sektor. Akustische Ausschnitte aus 47 Jahren Programm bieten CD-Player mit alten Mitschnitten aus dem Abgeordnetenhaus, Folgen der beliebten Kabarettsendung „Insulaner“ und Interviews mit Zeitzeugen.

Der geplante Abbau der Rias- Insignien stößt allenthalben auf Unverständnis. Eine ganze Flut von Briefen ehemaliger Rias-Hörer fordert die Hausherren auf, das Emblem auf dem Dach zu belassen. Für Jürgen Graf, Rias-Reporter der ersten Stunde, gehört die alte Leuchtschrift zur Geschichte des Gebäudes. Und das stehe, erinnert er die DLR-Oberen, nun einmal unter Denkmalschutz. So rückt der aktuelle Streit um ein Symbol in diesen Wochen die Geschichte des Hauses ein wenig in den Hintergrund. Dabei kann der Sender wie kaum ein anderer auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Am 7.2.46 nahm der Rias mit finanzieller Unterstützung und unter Aufsicht des amerikanischen Hauptquartiers seinen Sendebetrieb auf, damals noch als Drahtfunk. Das Programm war nur mit einem Fernmeldeanschluß zu empfangen. „Aber wer hatte damals schon Telefon“, erinnert sich Jürgen Graf. Seine Rundfunkarbeit begann in einem alten Postfernmeldeamt in der Wintersteinstraße. Das Studio war ein Raum ohne Fenster. Die Wände aus Spanplatten wurden zur Schalldämmung mit Decken überhängt. Grafs erster Übertragungswagen war ein amerikanischer Militärjeep mit Aufnahmegerät.

Die Aufnahme des Sendebetriebes wurde per Flugblatt angekündigt. Die Reichweite der ersten Sendungen war gering. Erst als das Radio per Rundfunkwellen übertragen wurde, erreichte man die Menschen in der Sowjetischen Zone.

Der Rias als „eine freie Stimme der freien Welt“ in der „Frontstadt“ Berlin war auch Propagandaradio des Kalten Krieges. Die DDR-Staatssicherheit notierte in ihren Akten, der Sender versuche, mit „ideologischer Diversion die Konsolidierung der gesellschaftlichen Verhältnisse auf dem Gebiet der DDR zu erschweren“.

Die Ausstellung im Rundfunkhaus soll mit Hilfe der ehemaligen „Rias-Gemeinde“ weiter ausgebaut werden. Mit alten Zeitungsausschnitten, Aufklebern und privaten Fotos wollen die Organisatoren die Dokumentation ergänzen.

„Wir waren vor allem ein sehr aktueller Sender“, sagt Jürgen Graf. Doch neben der Politik wurde das Radio für sein Unterhaltungsprogramm geliebt. „Schallplatten aus Übersee“, Jazz und Heinz Jankowskys Tanzorchester trugen zum Erfolg des Senders bei. An Hans Rosenthals „Klingendes Sonntagsrätsel“ oder Evergreens mit Lord Krug, alias Manfred Krug, erinnert die Dokumentation. 1985 startete Rias2 als Jugendwelle. Und trotz aller Unterhaltung schlug jeden morgen die Freiheitsglocke vom Schöneberger Rathaus: „Ich glaube an die Unantastbarkeit und die Würde jedes einzelnen Menschen.“

Der Abgang des Senders, der weit über die Grenzen Berlins hinaus bekannt war, verlief eher lautlos. Die Jugendwelle wurde privatisiert, Rias TV der Deutschen Welle angegliedert. Das erste Rundfunkprogramm ging mit Deutschlandfunk und DeutschlandsenderKultur im jetzigen DeutschlandRadio auf. Einzelne Sendungen wurden übernommen. Daß der Schriftzug bleiben wird, davon ist zumindest Jürgen Graf überzeugt. Rolf Rawe, Architekt des Umbaus des Preußischen Landtags, soll nun eine neue Fassade für das Rundfunkhaus konzipieren. Graf hat bereits einen Alternativvorschlag: „Vielleicht kann die DLR-Leuchtschrift vom fünften bis ersten Stock des Gebäudes hinunterlaufen.“

Ausstellung: Eingangsfoyer des Rias am Hans-Rosenthal-Platz.

Täglich von 10–19 Uhr.

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