: Streit ums Sparpaket in Bonn geht weiter
■ CDU und FDP planen erhebliche Einschnitte bei den sozialen Leistungen
Berlin (taz/AFP/dpa) – Mit einem bunten Strauß von Kürzungs- und Reformvorschlägen trafen gestern die Spitzen der Regierungskoalition zusammen, um über die Sanierung der Bundesfinanzen und des Sozialsystems zu beraten. Geplant sind dabei beträchtliche Einschnitte in die sozialen Leistungen. So kündigte Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) für die Rente ein „Konsolidierungspaket“ an, um das sich abzeichnende Milliardenloch in den Rentenkassen zu schließen.
Um eine einmalige Entlastung der Rentenkassen von zehn Milliarden Mark zu erreichen, sollen Arbeitgeber ihre Rentenbeiträge künftig zwei Wochen früher an die Rentenkasse abführen müssen als bisher. Blüm will darüber hinaus die Altersgrenze für Frauen, die bisher bei 60 Jahren liegt, bis zum Jahr 1999 auf 63 Jahre anheben. Zudem soll die Anrechnung von Ausbildungszeiten auf die Rente von bisher sieben auf vier Jahre gekürzt werden. Außerdem sollen die Bedingungen zum Erhalt der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente verschärft und der Rentenanspruch für deutschstämmige Aussiedler aus Osteuropa gekürzt werden.
Einigen Unionspolitikern gehen Blüms Pläne nicht weit genug. So schlug der CDU-Sozialexperte Julius Louven vor, die im Juli kommenden Jahres turnusgemäß anstehende Rentenanpassung ausfallen zu lassen, um Geld zu sparen. Blüm und die CDU-Sozialausschüsse lehnen das ab. Zugleich will Louven schon Mitte dieses Jahres die Rentenbeiträge auf 19,5 Prozent anheben. Außerdem sollten Rentner seiner Meinung nach künftig den vollen Beitrag zur Krankenversicherung zahlen. Bisher tragen Rentner und Rentenkasse je die Hälfte.
In der Steuerpolitik scheinen sich Union und FDP im wesentlichen einig zu sein. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Hermann Otto Solms, erklärte gestern, seine Partei sei bereit, die von der Union befürwortete Umwandlung der KFZ-Steuer in eine Abgassteuer mitzutragen.
Vorrangig geht es in der Steuerpolitik jedoch um die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Reform der Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Vermögenssteuer soll möglichst ersatzlos abgeschafft werden. Im Fall der Erbschaftssteuer plant Finanzminister Theo Waigel laut FAZ die Verringerung der Steuerklassen von vier auf drei und eine Senkung des Höchststeuersatzes von 70 auf 50 Prozent. Erbenden Ehegatten und Kindern soll danach ein aufzuteilender Familienfreibetrag in Höhe von 750.000 Mark zustehen, hinzu kommt ein persönlicher Freibetrag von 300.000 Mark für Ehegatten und 150.000 Mark je Kind. Die Freibeträge sollen dafür sorgen, daß das durchschnittliche Einfamilienhaus – wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – dem Zugriff der Steuer entzogen bleibt.
Streit gibt es noch beim Thema Lohnfortzahlung. Blüm hatte eine teilweise Kürzung der Lohnfortzahlung gefordert. Danach sollen Zuschläge für Überstunden oder das Weihnachtsgeld künftig nicht mehr in die Berechnung des Lohnfortzahlungsentgelts einfließen. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Hermann-Josef Arentz, erklärte hingegen, kranke Arbeitnehmer dürften nicht durch Kürzungen des Grundlohns oder gesetzliche Zwangsmaßnahmen bestraft werden. flo
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