: Streit um des Kaisers Fahrt
„Wie das kleine Japan sich dem großen China unterwirft“: Kaiser Akihito soll zum Erzfeind reisen ■ Aus Tokio Georg Blume
Trotz monatelanger Verhandlungen voller bitterer Zungenschläge über die Geschichte des Zweiten Weltkriegs sind sich Japan und China endlich einig geworden: Noch in diesem Oktober wird Akihito als erster Kaiser Japans überhaupt China besuchen. Der Besuch ist mehr als Vergangenheitsbewältigung — er ist eine politische Sensation für Asien. Denn bei allem, was die Geschichte berührte, waren Japan und China bis heute hoffnungslos zerstritten.
Natürlich ist man sich in der Sache auch jetzt nicht nähergekommen. Von Akihito wird in China kein Kniefall nach dem Beispiel Willy Brandts in Warschau verlangt werden. Statt dessen bleibt es vorraussichtlich bei Bekundungen des allgemeinen Bedauerns für die Kriegsereignisse. Auf seiner ersten Auslandsreise durch Länder Südostasiens im vergangenen Jahr konnte Akihito diese eher belanglose Form der Kriegserinnerung bereits perfekt vorexerzieren.
Wenngleich also die Worte des Kaisers unverfänglich sein werden — die Symbolik dieser Reise ist es nicht. Akihito ist Sohn des Kriegskaisers Hirohitos, in dessen Namen die japanischen Truppen 1937 China überfielen. In Japan ist der Kaiserbesuch beim Erbfeind deshalb immer noch heftig umstritten. Tatsächlich hat sich innerhalb der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) eine Koalition der Rechten zusammengefunden, die lautstark gegen das Vorhaben protestiert. Anführer der Bewegung ist der ehemalige LDP-Erziehungsminister Masayoshi Fujio. Auf einer Protestveranstaltung sagte er: „Die chinesische Regierung verlangt den Tenno-Besuch, um ihrem Volk zu zeigen, wie das kleine Japan sich dem großen China unterwirft.“
Fujio verglich die Reise Akihitos mit jenen Delegationsreisen fremder Fürsten an den Hof von Peking, die kleineren Staaten im Mittelalter dazu diente, dem Kaiser von China ihre Treue zu beweisen. Der LDP-Abgeordnete Tadashi Itagaki warnte auf der gleichen Veranstaltung: „Diese Außenpolitik ist eine Außenpolitik des Kniefalls.“ Unter den LDP-Abgeordneten läuft nun eine Unterschriftenaktion gegen den Kaiserbesuch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen