: Streit um das Chaos bei Nicaraguas Wahlen
Ortega will wegen „skandalöser Unregelmäßigkeiten“ die Niederlage nicht anerkennen ■ Aus Managua Anne Huffschmid
Es bleibt dabei: Nicaragua wird rot. Nach Auszählung von rund der Hälfte der Stimmzettel liegt Arnoldo Alemán von der Liberalen Allianz (AL, Parteifarbe rot) mit 48 Prozent der Stimmen klar vor dem sandinistischen Kandidaten Daniel Ortega mit rund 38 Prozent. So wird es tatsächlich Alemán sein, der sich am 11. Januar in den Präsidentensessel fallen läßt. Der deutliche Abstand zwischen „Daniel“ und „Arnoldo“ schrumpft in der Nationalversammlung zusammen: Während die Liberale Allianz voraussichtlich 37 der 90 Abgeordneten stellen wird, können die SandinistInnen 34 Parlamentssitze besetzen.
Zwar geht auch die Hauptstadt Managua an die Liberale Allianz, aber längst nicht überall liegen die Rechten vorn: Sieben von siebzehn Provinzen werden sandinistisch regiert werden, darunter die traditionellen Frente-Hochburgen León und Esteli im Norden des Landes; an der konfliktreichen Atlantikküste dagegen schnitten die Sandinisten, ähnlich wie schon bei den letzten Wahlen, schlecht ab. Weit vor den kleinen Konservativen und Erneuerer-Parteien kristallisierte sich allerorten der evangelisch inspirierte „Christliche Weg“, dessen Wahlkampf sich auf Messen und Bibelpredigten beschränkt hatte, als „dritte Kraft“ heraus.
Während internationale Beobachter dem Wahlgang wohlwollende Sauberkeitszertifikate ausstellen und gegenüber der Presse immer wieder betonen, daß das elektorale Chaos bestimmt „kein böser Wille“ gewesen sei, hält sich Verlierer Daniel Ortega mit Kritik nicht zurück. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt am Montag sagte er gegenüber der Presse mit steinernem Gesicht, im Unterschied zu 1990 könne man diesmal die mutmaßliche Niederlage nicht ohne weiteres anerkennen, da es „eine Reihe von ernsthaften Anomalien“ gegeben habe. So sei man bei der eigenen Parallelauszählung im Vergleich zu den offiziellen Resultaten beispielsweise auf eine Stimmendifferenz von 60.000 Wahlzetteln gekommen. In der Provinz Matagalpa sei das Ausmaß der „Unregelmäßigkeiten“ so „skandalös“ gewesen, daß gar eine Anfechtung der dortigen Teilergebnisse erwogen wird. Tatsächlich räumten auch lokale Wahlfunktionäre ein, man habe Plastiksäcke voller Stimmzettel gefunden und werde den Vorwürfen nachgehen. Erst wenn die oberste Wahlbehörde die ausgefüllten Stimmzettel minutiös nachgeprüft habe, sagte Ortega, könne das „letzte Wort“ gesprochen werden. Bis dahin, verabschiedete er sich von den „Freunden von der Presse“, werde man weiterhin „für und mit den Armen kämpfen — bis zur letzten Konsequenz“.
Die Meinungen an der enttäuschten Basis gehen weit auseinander: von der erbosten Forderung einer Straßenverkäuferin, die Wahlen „ganz und gar zu annullieren“, über den versöhnlichen Appell zur „Zusammenarbeit“ bis zum lakonischen Kommentar einiger rotschwarz geschmückter Jugendlicher, man müsse „eben auch verlieren können“. Aber, fügen sie hinzu, „daß sie uns nicht von unserem Land runterschmeißen“! Mit Blick auf seine Freunde im Kreise ehemaliger Landbesitzer hatte Alemán angekündigt, die Enteignungen der sandinistischen Landreform rückgängig zu machen.
Am Montag allerdings gab sich der strahlende Sieger ungewohnt generös. Ihm sei „keinesfalls nach Revanche zumute“, sagte Alemán, auch die Sandinisten seien „schließlich ein Teil des nicaraguanischen Volkes“. Wenige Minuten zuvor hatte ihm noch Friedensnobelpreisträger Oscar Arias öffentlich ins Gewissen geredet: Das künftige Staatsoberhaupt müsse „dieses Land versöhnen“, sagte der Expräsident des benachbarten Costa Rica, das sei „Nicaraguas letzte Chance“.
„Das Portrait“ Seite 12
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