Streit um Rundfunkreform: Alte Kriegsbeile und neue Ufer
Die ARD und der Verlagsverband BDZV geben sich auf die Mütze, als sei das Internet ein brandneu abzusteckender Claim. Das ist völlig von gestern.
S pätestens diesen Freitag wird klar, was die Medienpolitik an Rundfunkreform hinbekommt. Bei den Anstalten ist die Stimmung deswegen ein klitzekleines bisschen angespannt. In den letzten Jahrzehnten fühlten sie sich medienpolitisch immer am längeren Hebel und saßen da meistens auch. Dieses Kräfteparallelogramm hat sich aber deutlich verschoben. Und ausgerechnet jetzt kommt ein neuer Vorstand von ProSieben daher und verkündet bei den Münchner Medientagen auch noch das Ende des Dualen Systems.
Also dieses schönen Nebeneinanders von Privaten und Öffentlich-Rechtlichen, das ähnlich gut funktioniert wie das mit dem Grünen Punkt. Markus Breitenecker kommt aus Österreich und ist daher Schlimmeres gewohnt. Die Botschaft des neuen Chief Operating Officers von ProSiebenSat.1 lautet, Private und Öffentlich-Rechtliche sollen und müssen viel stärker gemeinsame Sache machen, wenn sie gegen die Herausforderungen der digitalen Welt von Google bis zu Putins Trollen eine Chance haben wollen.
Breitenecker ruft also als Nachfolger des Dualen das Kooperative System aus. Das ist natürlich alles andere als uneigennützig. Denn sein Konzern baggert ja schon ewig an ARD und ZDF rum, weil er mehr öffentlich-rechtliche Inhalte für seine Streamingplattform Joyn haben will, aber nicht kriegt. Doch das sei hier mal hintangestellt. Denn mit seinem Appell, endlich zu neuen Ufern aufzubrechen und alte Kriegsbeile zu begraben, hat Breitenecker recht. Aber was machen ARD und der Verlagsverband BDZV? Geben sich in Sachen Presseähnlichkeit auf die Mütze, als wäre das Internet noch ein brandneu abzusteckender Claim und in ihm auch gar nicht besonders viel los.
Leute, das ist so von gestern, dass es selbst Verleger merken. Rainer Esser vom „Zeit“-Verlag sagt beispielsweise, der Streit sei überflüssig und irrelevant. Denn die Kohle, die den Verlagen fehlt, kommt nicht bei ARD und ZDF an, sondern bei Google & Co.
Kein weißer Rauch in Sicht
Bei ARD und ZDF kommt aber wohl auch keine frische Kohle an, jedenfalls keine zusätzliche. Denn die eigentlich anstehende Beitragserhöhung fällt aus, es sei denn, am Leipziger Kamin, dem inoffiziellen Tête à Sêchzehn der Regierungschef*innen untereinander und ganz allein, passiert ein kleines Wunder. Dort hocken seit Mittwoch die Ministerpräsident*innen der Länder, um die Rundfunkreform festzuzurren. Wegen der Finanzierungsfragen ist aktuell aber noch kein weißer Rauch in Sicht.
Weshalb es vor allem in der ARD mal wieder heißt, Angst regiert dich. Aber auch das ist ein alter Hut. „Beim Rundfunk habe ich Männer gesehen, darunter auch Leute unserer Generation, die ihr Möglichstes tun, aber wie wenig ist das. Der Rundfunk besteht zu gut 80 Teilen aus Angst.“ Das ist nicht von heute, sondern von Kurt Tucholsky, aus dem Jahr 1929.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“