: Streit um Niedrigsteuergebiet geht weiter
Regierungskoalition kann sich nicht auf den Umfang der Maßnahmen zur Wirtschaftsankurbelung der DDR einigen/ Kanzlerwahl wird möglicherweise verschoben/ FDP fällt beim schnellen Brüter um ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Beim Streitpunkt Niedrigsteuergebiet konnten sich die Koalitionsparteien erneut nicht einigen, sondern vertagten sich auf das kommende Wochenende. Möglicherweise wird wegen der anhaltenden Differenzen in dieser Frage sogar der Termin der Kanzlerwahl nicht zu halten sein, hieß es in Bonn.
Welchen Umfang das von der FDP geforderte Bündel von Maßnahmen haben soll, blieb gestern im Kanzleramt ebenso umstritten wie die Frage, welche davon wirksame Instrumente zum Aufbau der Wirtschaft der Ex-DDR seien. Die FDP hält daran fest, in Gesamtdeutschland die ertragsunabhängige (zu zahlen auch, wenn der Schornstein nicht raucht) Gewerbekapital- und Vermögenssteuer abzuschaffen. Zusätzlich will die FDP für das Gebiet der fünf neuen Länder die ertragsabhängigen Einkommens-, Körperschafts- und Gewerbeertragssteuern acht Jahre lang senken. Über die Höhe des Abschlags aber sei man gesprächsbereit; im Gespräch war bei der Einkommenssteuer eine Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 50 Prozent.
Dem Wegfall der Gewerbekapital- und Vermögenssteuer will Waigel zustimmen, nicht aber dem zweiten Teil des FDP-Pakets. Der CSU- Chef will eine Senkung dieser Steuern erst 1995 zulassen, dann aber nicht nur für das Gebiet der ehemaligen DDR, sondern für Gesamtdeutschland. Massive Einwände, eine Senkung der ertragsabhängigen Steuern würde in der Ex-DDR nur wenig Investititionsanreiz bringen, dafür aber jede Menge Kontrollaufwand nötig machen, um einen Mißbrauch der Steueroase durch Briefkastenfirmen zu verhindern, hat die FDP nicht wankend gemacht.
Mit Investitionszulagen und großzügigen Sonderabschreibungen ließe sich die Wirtschaft viel effektiver päppeln, vertreten Wirtschaftsinstitute. SPD und Grüne vermuten deshalb, eigentlich wolle die FDP nicht die frühere DDR, sondern ihr West-Klientel beglücken.
Schließlich profitieren auch vom Wegfall der Gewerbekapitalsteuer und Vermögenssteuer in Höhe von neun Milliarden Mark vor allem die Vermögensbesitzer in der alten BRD. Auf das arme Beitrittsgebiet entfällt dagegen nur eine Milliarde Mark. Auch die Bundesländer gehen auf die Barrikaden: Von der Gewerbekapitalsteuer und Vermögenssteuer finanzieren sich die Kommunen; fällt diese weg, werden öffentliche Infrastrukturinvestitionen unmöglich gemacht.
Verständigt hat sich die Koalition lediglich darauf, durch die Rückstellung von öffentlichen Investitionen 2,3 Milliarden DM einzusparen, durch Privatisierung öffentlicher Unternehmen 0,5 Milliarden mehr einzunehmen und Subventionen im Steuerbereich um 6,5 Milliarden Mark einzusparen.
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