Streit um Habecks Heizungsgesetz: Schuld sind alle anderen
Nordrhein-Westfalens Grüne machen eine „Angstkampagne“ von Springer-Presse, CDU und FDP für ihre Umfragewerte verantwortlich.
Grund dafür sei die Taktik von CDU/CSU, aber auch von SPD und FDP, die Verantwortung für effektiven Klimaschutz allein bei den Grünen abzuladen: „Alle anderen demokratischen Parteien“ redeten „jede einzelne Maßnahme für mehr Klimaschutz schlecht“, klagte die 38-Jährige Bundestagsabgeordnete wie viele anderen Redner:innen der Landesdelegiertenkonferenz.
Nach einem Ergebnis von 14,8 Prozent bei der Bundestagswahl 2021 hatten die Grünen zu einem zwischenzeitlichen Höhenflug angesetzt und konnten 2022 Zustimmungswerte von mehr als 20 Prozent verzeichnen.
Aktuelle Umfragen sehen die Partei allerdings nur noch bei 13 bis 15 Prozent. Die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte AfD liegt dagegen wie die SPD bei 18 bis 19 Prozent – und könnte damit die zweitstärkste Partei in Deutschland sein. Noch weiter vorn liegt weiter die Union aus CDU und CSU mit 27 bis 29 Prozent.
Grüne beklagen konservative „Angstkampagne“
Grund für das grüne Umfragetief sei vor allem eine „Angstkampagne“, die von der Bild-Zeitung, aber auch von CDU und FDP gegen das Gebäudeenergiegesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gefahren werde, beklagten Dutzende Redner:innen beim NRW-Parteitag.
Habecks Gesetzentwurf sah ursprünglich vor, dass beim Neueinbau von Heizungen ab Januar 2024 nur noch Anlagen zum Einsatz kommen sollten, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
Ermöglicht werden soll das vor allem durch Wärmepumpen. Doch die sind wegen hoher Kosten, auch durch Umbau und nötiger Dämmung besonders bei unsanierten Altbauten, umstritten – Kritiker:innen rechnen mit Preisen bis in den sechsstelligen Bereich hinein.
Zwar hat Habeck mittlerweile angedeutet, das Gesetz zunächst nur für Neubauten gelten zu lassen, zwar sind schon jetzt massive Subventionen von 30 bis 50 Prozent der Kosten vorgesehen. Dennoch blockiert die FDP weiter: Ob das Gebäudeenergiegesetz wie ursprünglich vorgesehen bis zum Beginn der Sommerpause am 7. Juli vom Bundestag beschlossen werden kann, ist aber weiter unklar. „Der Gestaltungswille mancher Politiker steckt im Großstau“, kritisierte deshalb die Co-Landesvorsitzende der Grünen in NRW, Yazgülü Zeybek – und mahnte auch ein Machtwort von SPD-Bundesregierungschef Olaf Scholz an: „Der Kanzler drückt sich vor der Verantwortung.“
Allerdings sei die Bild-Kampagne gegen Habecks angeblichen „Heiz-Hammer“ nicht der alleinige Grund für das grüne Stimmungstief, erklärte nicht nur der Aachener Bundestagsabgeordnete Lukas Benner: „Wir sind zu langsam beim sozialen Wohnungsbau, zu langsam beim Ausbau der Schiene, zu langsam beim Ausbau der Erneuerbaren Energien“, sagte der 27-Jährige.
Außerdem habe die „Trauzeugenaffäre“ rund um Habecks Klimastaatssekretär Patrick Graichen den Grünen einen echten „Skandal“ beschert, der den Bundeswirtschaftsminister ebenso „beschädigt“ habe wie die grüne Politik und die Partei selbst, kritisierte Gerd Klünder, Ratsherr in Münsters knapp 20.000 Einwohner:innen zählenden Nachbarstädtchen Telgte – in Sachen Korruptionsverdacht hätten Wähler:innen an die Grünen eben „andere Ansprüche an uns als an andere Parteien“.
Grüne Kommunikationsprobleme
Kommunikationsprobleme der Partei bei der Umsetzung ihrer Klimaschutzpolitik räumte auch Telgtes grüner Bürgermeister Wolfgang Pieper wie viele andere Redner:innen ein: „Wir reden seit 40 Jahren über den Klimawandel“, sagte das bereits seit 2010 regierende Stadtoberhaupt.
„Selbstverständlicher Mainstream ist das aber nicht“, mahnte Pieper: „Wir müssen unsere Politik immer wieder erklären, wir müssen die Menschen mitnehmen.“ Dennoch bleibe Habecks Heizungsgesetz im Kern unverzichtbar, argumentierte der baupolitische Sprecher der grünen Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Arndt Klocke – schließlich trägt dieser Sektor zusammen mit dem Verkehr am stärksten zur drohenden Klimakatastrophe bei. Nötig sei deshalb, in den nächsten Wochen die „Kampagnenfähigkeit“ der Partei zu beweisen, forderte der einstige Co-Landes- und Co-Landtagsfraktionschef der Grünen: „Wir müssen auf die Straße gehen, müssen für das Heizungsgesetz, für die Energiewende kämpfen.“
Punkten wollen die NRW-Grünen einmal mehr mit der Ankündigung einer sozialverträglichen Verbindung von Ökonomie und Ökologie. Schon das Motto des Landesparteitags lautete „Natur.Klima.gerecht.“ Beschlossen hat die Landesdelegiertenkonferenz deshalb einen Leitantrag zur Biodiversität, der etwa naturnahe Wälder ebenso sichern soll wie den Schutz und die Wiedervernässung von Mooren sowie einen zweiten Nationalpark im bevölkerungsreichsten Bundesland.
Schon heute, ein Jahr nach dem Einstieg in die schwarz-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst, sei die 1.000-Meter-Abstandsregel zwischen Windrädern und Wohnbebauung, die den Ausbau der Windenergie massiv behindert hatte, gefallen, heißt es in dem Leitantrag. Landesumwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer konnte außerdem die Einführung eines von 49 auf 29 verbilligten Deutschlandtickets für Schüler:innen ankündigen. Menschen mit geringem Einkommen sollen Bus und Bahn deutschlandweit für 39 Euro im Monat nutzen können. Zusammen mit Wüsts CDU kämpften die Grünen zwar „relativ geräuschlos“, aber effektiv für eine „sozial-ökologische Marktwirtschaft“, erklärte auch Nordrhein-Westfalens grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur.
Allerdings: Eine Alternative für die Bundespolitik wäre Schwarz-grün zumindest aktuell trotzdem nicht: In den neuesten Umfragen kommen beide Parteien nur noch auf maximal 44 Prozent.
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