piwik no script img

Streit um Gedenken zum 9. November„Leute im Publikum haben mich angeschrien“

Der US-Philosoph Jason Stanley sollte in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt eine Rede halten. Sie wurde abgebrochen. Stanley ist schockiert.

Synagoge in Frankfurt am Main Foto: Arne Dedert/dpa
Stefan Reinecke

Interview von

Stefan Reinecke

taz: Jason Stanley, Sie haben am Sonntagabend in der Frankfurter Synagoge eine Rede zum 9. November und der Reichspogromnacht gehalten. Warum?

Jason Stanley: Ich habe über meine deutsch-jüdische Familie gesprochen. Wir haben tiefe Wurzeln in Deutschland, und unsere deutsch-jüdische Tradition liegt mir am Herzen. Meine Großmutter Ilse Stanley hat den 9. November 1938 erlebt und in ihren Memoiren beschrieben. Das habe ich in der Rede zitiert. Ich habe auch Meinungsfreiheit und Differenzen in der jüdischen Gemeinschaft angesprochen. Die jüdische Publizistin Masha Gessen wurde kürzlich mit dem Hannah-Arendt-Preis ausgezeichnet. Die Preisverleihung wurde abgesagt, weil sie eine Analogie zwischen Gaza und dem Warschauer Ghetto gezogen hatte. Hannah Arendt dürfte heute in Deutschland wegen ihrer kritischen Haltung zu Israel nicht mehr sprechen. Für Albert Einstein, der sich für einen binationalen Staat einsetzte, gilt das Gleiche. Beides habe ich erwähnt.

taz: Und dann?

Stanley: Leute im Publikum haben mich angeschrien. Es gab auch Beifall für meine Rede. Aber manche haben nur gebrüllt.

Im Interview: Jason Stanley

Jason Stanley, ist ein US-amerikanischer Philosoph und Faschismusforscher. Bis 2025 lehrte er an der Universität Yale und kündigte wenige Wochen nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten an, nach Kanada an die Universität Toronto zu wechseln. Als Begründung sagte er auch, die USA würden auf eine faschistische Diktatur zusteuern.

taz: Warum?

Stanley: Ich habe es nicht genau verstanden. Es war eine äußerst verstörende, bedrohliche Situation.

taz: Haben Sie Ihre Rede zu Ende gehalten?

Stanley: Nein, jemand von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt kam zu mir auf die Bühne und forderte mich auf, die Bühne zu verlassen.

taz: Das haben Sie getan?

Stanley: Ja, am Haupteingang waren mehrere aufgebrachte, wütende Menschen. Ich bin durch einen Seiteneingang verschwunden und in mein Hotel gegangen. Es war sehr beunruhigend. Ich habe so etwas noch nie erlebt.

taz: Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt hatte Sie eingeladen …

Stanley: … und sie hätte dafür sorgen sollen, dass ich meine Rede zu Ende halten kann. Es ging darin um die Reichspogromnacht und das Erbe des Liberalismus. Dazu gehört auch die Meinungsfreiheit. Zur Meinungsfreiheit gehört, dass es möglich sein muss, Reden zu Ende halten. Der Streit und Meinungsfreiheit sind zentral für das Jüdische. Sehen Sie, meine Eltern waren bei der Frage, was Israel ist, uneins. Meine Mutter, eine polnische Jüdin, war angetan von dem jüdischen Nationalstaat. In Israel sagt sie zu meinem Bruder: „Als ich klein war, waren alle bewaffneten Menschen gegen mich, sie waren meine Feinde, und ich hatte Angst. Hier sind alle bewaffneten Menschen auf meiner Seite.“ Mein Vater, ein deutsch-jüdischer Intellektueller, war kritisch gegenüber einem Staat, der eine Religion bevorzugte. Er lehnte die Gründung des Staates Israel nicht ab, hielt aber die Behandlung der Palästinenser als Bürger zweiter Klasse für völlig falsch. Solche Debatten muss man führen können.

taz: Haben Sie den Eindruck, dass es in Deutschland ein Problem mit Meinungsfreiheit in Bezug auf Israel und Gaza gibt?

Stanley: Das drängt sich angesichts der Reaktionen auf meine Rede auf. Dort ging es ja nur am Rande um Israel und Gaza. Ich habe auch betont, dass es in Deutschland von verschiedenen Seiten Antisemitismus gibt.

taz: Verstehen Sie die heftige Reaktion auf Ihre Rede?

Stanley: Nein. Ich unterstütze BDS, also die Sanktionsbewegung gegen Israel, nicht. Offensichtlich gibt es in Deutschland, auch für jüdische Menschen, Regeln, welche Worte benutzt werden dürfen und welche nicht. Ich bin schockiert, weil meine Ansichten eher konservativ sind – ich unterstütze uneingeschränkt die Existenz des Staates Israel, ich halte es für antisemitisch, Juden zum Verlassen Israels aufzurufen, ich halte die Unterstützung der Hamas für antisemitisch und ich halte es für antisemitisch, in Synagogen oder Schulen aufzutauchen und uns anzuschreien.

taz: Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt hat sich Montagnachmittag offiziell von Ihnen distanziert. Sie wirft Ihnen „relativierende Vergleiche“ vor und „bedauert aufrichtig“, Sie eingeladen zu haben. Wie finden Sie das?

Stanley: Erstaunlicherweise fehlt in der Erklärung jeder Hinweis darauf, was an meiner Rede relativierend oder falsch gewesen sein soll. Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt hatte mich eingeladen, um über meine Familie und die Reichspogromnacht zu reden. Meine Familie wurde aus Deutschland vertrieben. Ich hatte das Gefühl, dass die Jüdische Gemeinde mich am Sonntagabend herausgeworfen hat. Das ist unglaublich unhöflich. Und bei dem Anlass auch irgendwie ironisch. Ich war übrigens der einzige von vier Rednern, der sich ausführlich mit der Shoah und dem befasst hat, was am 9. November 1938 passiert ist. Die Reaktion der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt ist ein Verrat an der liberalen, deutsch-jüdischen Tradition.

taz: Sie haben als Philosoph die USA verlassen und sind wegen des politischen Drucks in Trumps Amerika nach Kanada gezogen. Sehen Sie eine Ähnlichkeit zwischen dem, was Ihnen Sonntagabend passiert ist, und dem, was in den USA geschieht?

Stanley: Ich weiß nicht genug über deutsche Politik, um das beurteilen zu können. Aber dass jüdische Menschen keine Debatten führen können, ist besorgniserregend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

158 Kommentare

 / 
  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Wenn die Diskussionen ausfallend werden, zu weit vom Thema abweichen, oder die Zahl der Kommentare zu groß wird, wird das manchmal leider nötig. Sonst können wir die Kommentare nicht mehr zeitnah moderieren. 

  • was für ein Problem hat Herr Stanley eigentlich? Die Menschen, die seinen Vortrag schlecht, übergriffig und paternalistisch fanden, äußerten laut ihre Meinung. Das ist doch Meinungsfreiheit, oder?

  • Es ist ein schmaler Grat vom "XYZ keine Plattform bieten" zum präventiven Niederbrüllen von Stimmen, von denen man denkt, dass sie einem vielleicht nicht passen könnten...

    Manche tun gern letzteres, glauben aber, ersteres zu tun.

  • Erstaunlich, was sich mittlerweile in diesem Land alles ereignet. Kopfbilder münden in Geschrei. Das hat nichts mehr mit Streitkultur zu tun.

    • @Salinger:

      Erstaunlich ist vielmehr, wie sich nichtjüdische Deutsche plötzlich so herrlich echauffieren können, was "die" da für unmögliche Dinge tun in ihren Synagogen. Und dann auch noch unsere schöne Streitkultur zerstören! Durch ne private Veranstaltung! Lustig, wenn's nicht so traurig wäre.

      • @Jewels&Iron:

        Na ja, es geht Stanley ja nicht um die schöne deutsche Streitkultur, sondern um die der liberal-aufgeklärten jüdischen Tradition in Deutschland, die er hier verraten sieht. Baeck, Buber, Arendt, wurde hier ja schon alles genannt.



        Eher ist die Frage, ob man als nicht-jüdischer Deutscher eine eigentlich innerjüdische Kontroverse - wie auch der Streit Zionismus vs. Antizionismus (eigentlich auch eine rein innerjüdische Angelegenheit) - überhaupt kommentieren sollte, zumal wenn das in paternalistischem Duktus passiert, was Juden jeweils tun oder unterlassen sollten. Zumindest ist bei solchen Kommentierungen viel Fingerspitzengefühl angeraten.



        Ich habe sowohl das taz-Interview mit Stanley gelesen als auch das mit Graumann in der JA und kann nach der Lektüre nur sagen: Vorsicht mit voreiligen Urteilen.

  • Inzwischen hab ich nicht nur den Artikel hier, sondern auch den in der Jüdischen Allgemeinen, www.juedische-allg...der-buehne-gejagt/ gelesen - und somit keine Klarheit über das tatsächliche Geschehen, weil sie sich zum Teil widersprechen.

    Aber es entsteht ein Bild: dass da ein Redner die Debatte gesucht hat, wo - jedenfalls für einen Teil der Zuhörer*innen - die Vergewisserung, die Bestärkung dran war. Ich denke, dass manche jüdische Menschen einfach ganz viel Angst haben, was passieren wird, ob der Faschismus wiederkommt, ob sie wieder physisch verfolgt werden und besser das Land verlassen; wenn sie zurückblicken auf die Pogromnacht - und wir wissen alle, dass dann der Holocaust gefolgt ist - weckt dies Angst und der Europa- und Weltweite Rechtsruck verstärkt die Angst. Wer also Empathie, Verstehen, Zuspruch, Trost, Stärkung gesucht hat, wurde enttäuscht. Und vermutlich wurden einige sehr wütend.

    Diese Annahme passt wohl so ungefähr zu beiden Sach-Darstellungen (taz, JA). Was die Intention der veranstaltenden Gemeinde war, bleibt unklar.

  • u. a.Zitate aus Frankfurter Rundschau vom 11.11.2025

    "Das war es wohl, was dem Frankfurter Publikum zu weit ging. Stanleys Rede erinnerte an eine Tradition, die älter ist als der Staat Israel – und heute in Deutschland zunehmend vergessen wird: die deutsch-jüdische Aufklärung. Moses Mendelssohn, Leo Baeck, Hannah Arendt – sie alle verbanden das Besondere mit dem Allgemeinen, die Erfahrung des Jüdischen mit der Idee der Menschheit. „Das Judentum“, schrieb Leo Baeck 1905, „spricht vom guten Menschen, nicht vom guten Juden.“ Religion sei nicht Bekenntnis, so Stanley, sondern Verantwortung. Aus dieser Ethik erwuchs die Überzeugung, dass kein Mensch bevorzugt werden dürfe – auch nicht die eigenen Leute".

    Stanleys Kritik an der Kriegsführung in Gaza, mit Verweis auf diese Tradition, ein Bruchteil seiner Rede, war einigen Zuhörenden zu viel: sie diskutierten nicht, schrien den Redner an.

    Historiker Benz „Aus Angst vor Antisemitismus droht Deutschland ein Diskursklima zu entwickeln, das selbst Ressentiments befördert. Und ausgerechnet jene, die im Namen der Erinnerung reden, verengen den Raum der Rede.“

    Der Eklat um Jason Stanley sei Symptom einer neuen, autoritären Empfindlichkeit".

    • @Lindenberg:

      Die Zionisten hielten sich nie für "gute Juden". Allerdings ist die "deutsch-jüdische" Aufklärung mit dem Holocaust gestorben. Der Staat Israel ist genau die partikulare Konsequenz aus einem gescheiterten Universalismus (die Versprechen auf allgemeinen Fortschritt und Bruderliebe der Aufklärung, die sozialistische Weltrepublik).



      Zum "Historiker Benz": Das Diskursklima in Deutschland und mehr noch weltweit geht gegen Israel, gegen jüdische und nichtjüdische Menschen, die sich nicht eindeutig von Israel distanzieren. Die "Angst vor dem Antisemitismusvorwurf" dient zur Kritikabwehr. "Und ausgerechnet jene, die im Namen der Erinnerung reden, verengen den Raum der Rede."



      Vielleicht aus gutem Grund (noch)? Bald wird das "Gerede" am 9. November sowieso niemand mehr interessieren. Und das ist wahrlich zum Fürchten.

  • "Der FAZ verdanken wir, dass die gesamte Rede nun nachzulesen ist. Deshalb wissen wir, dass Stanley den Anlass, das Setting und die seine Zuhörerschaft vollkommen falsch eingeschätzt hat."



    schreibt Chajm Guski gestern www.sprachkasse.de...frankfurt_stanley/

    • @Land of plenty:

      Nun mag man sich umgekehrt fragen, ob es nicht auch die JG war, die ihren Redner falsch eingeschätzt hat: Stanley ist ja nicht spontan auf das Podium geklettert, sondern wurde eingeladen - und wer einen meinungsstarken politischen Philosophen einlädt, muss auch mit einer über Familiengeschichten hinausreichenden Reflexion rechnen.

    • @Land of plenty:

      Danke für den link 🔗🙀🥳🧐

  • Für mich klingt es so, als ob die Entrüstung über einen unpassenden Anlass der Rede nur vordergründig ist. Der Satz: "De facto haben sich die Deutschen die Macht angemaßt, zu bestimmen, wer jüdisch ist und wer nicht." ist der einzige, bei dem ich direktes Protestpotential sehe (habe allerdings nur Ausschnitte der Rede gelesen). Wenn ich das Interview oben lese, wo er sagt, er weiss nicht genug über deutsche Politik, kommt es mir vor, als ob er da zurück rudert.



    Aber diese Rede derartig zu stören, wie es anscheinend der Fall war, so dass abgebrochen werden muss, das spricht für mich in erster Linie nicht fürs Publikum. Man kann seine Nicht-Zustimmung ja auch dezenter zeigen.

  • In der "Jüdischen Allgemeinen" wird die gesamte Situation bzw. der Ablauf und das Ende des Vortrags komplett gegensätzlich dargestellt.



    Tatsächlich kann man als Außenstehende(r) ohne Videoaufnahme zu keinem Schluss kommen. Der (besonders) wunde Punkt ist wohl die nicht eindeutige Distanzierung Stanleys von der These "Gaza ist wie das Warschauer Ghetto".



    Ich kann die verletzten Gefühle der Gemeinde zum Teil nachvollziehen. Ich würde es trotdem begrüßen, wenn nicht immer das gleiche vorwurfsvolle Vokabular verwendet würde: "Unwahrheiten, infam, bösartig, dämonisierend, vorsätzlich missbrauchte Einladung für eigene Zwecke, usw." Stanley wurde hochgelobt angekündigt, seine strittigen, unbequemen Positionen waren bekannt. Jetzt wird nicht nur der Vortrag, sondern auch der Mensch Stanley vollkommen abgewertet, er allein trägt die Schuld.

    • @chat cat:

      Jenninger sei noch mal in Erinnerung gerufen. Der, obwohl Politiker und Muttersprachler, die indirekte Rede so gar nicht vermittelt bekam und zurücktreten musste.

      Bei einem Nichtmuttersprachler, der Deutsch redet, würde ich aber im Publikum doppelt gut auf den Text achten. Und der ist klar indirekte Rede. Die ist eine bekannt gute Methode, um verschiedene Denkstränge zu zeigen und die Welt so komplex darzustellen, wie sie ja auch ist.

  • Herr Stanley zeigt auch in diesem Interview wieder, dass er seinen Drang, zum Zweck der argumentativen Zuspitzung hyperbolische - und eben auch mal taktlose - Parallelen zu ziehen, offenbar nicht erkennt oder im Griff hat. Es ist schlicht nicht angebracht, sich auf eine Stufe mit Hannah Arendt zu stellen oder wie ein J. D. Vance grundsätzlich "die Meinungsfreiheit in Gefahr" zu sehen, nur weil seine provokanten Thesen bei einer ausgewählten Zuhörerschaft schlecht ankamen, die notwendigerweise eine sehr emotionale Beziehung sowohl zum eigentlichen, historischen Thema seiner Rede alsauch zur von ihm da reinbugsierten gegenwärtigen Politik in Nahost hat. Wie man in den Wald ruft...

    Und dass er nicht ausreden durfte, naja: Vielleicht sind etliche Mitglieder und auch die Führung der jüdische Gemeinde in Frankfurt in der Tat zu "deutsch" (=pathetisch-betroffenheitsgeneigt), um den offenen Streit an einem Tag wie dem 9. November so unbekümmert kultivieren zu können, wie Herr Stanley sich das augenscheinlich als spezifisch jüdisches Kulturgut vorstellt. Da bricht man eine Konfliktsituation, in der sich die Antagonisten nur noch anschreien, halt schon mal ab. Sollte dem so sein - so what??

    • @Normalo:

      "Und dass er nicht ausreden durfte, ..." Dieser Darstellung hat der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt Benedikt Graumann explizit widersprochen www.juedische-allg...der-buehne-gejagt/



      Die harsche Reaktion lässt sich wohl am ehesten damit erklären, dass sich die Zuhörer regelrecht überrumpelt gefühlt haben müssen, als Stanley ungebeten seine politischen Ansichten zu allem Möglichen darlegte, u.a. zur amerikanischen und deutschen Innenpolitik, bis hin zu der Behauptung, Arendt und Einstein dürften heute in Deutschland nicht mal mehr auftreten. Wie völlig unpassend dieser Satz war, den er im Interview wiederholt, scheint sich Stanley bis heute nicht bewusst zu sein. Nicht nur, dass er meinte, ihn ausgerechnet am Tag des Gedenkens an den 9. Nov. 1938 sagen zu müssen (als Arendt und Einstein aus Deutschland vertrieben waren und dort tatsächlich nicht auftreten durften, er die Verhältnisse also quasi gleichsetzt), sondern dass er ihn gegenüber einer Zuhörerschaft äußerte, die in Deutschland tagtäglich und ungehindert (weil von der Meinungsfreiheit gedeckt) mit dem ungebremsten Hass auf Israel konfrontiert wird.

      • @Schalamow:

        Dann aber muss man doch sagen, dass der Kommunikationsfehler hier eindeutig bei den Verantwortlichen der jüdischen Gemeinde lag.



        Wie @O.F. weiter oben ausführt, musste bekannt gewesen sein, dass Stanley möglicherweise eine über seine Familiengeschichte hinausgehende politische Refexion betreiben könnte. Wurde der Erwartungshorizont im Vorfeld etwa nicht abgeklärt?



        Außerdem hätten die Verantwortlichen auch wissen müssen, dass sie ihre Gemeindemitglieder mit der Rede Stanleys überfordern könnten.



        Es ist auch klar, worin diese Überforderung bestand: in der Erwähnung von Masha Gessens Vergleich des Warschauer Ghettos mit Gaza, von der er sich dann nicht mal eindeutig distanzierte. Und der Ärger aus dem Publikum ist an dem Punkt sogar nachvollziehbar, denn natürlich handelt es sich bei der Gessen-Analogie um ahistorischen Blödsinn, zudem auf der Befindlichkeitsebene geeignet, die Gefühle einer zum Gedenken zusammengekommenen Gemeinde zu verletzen,



        Das alles hätte der Frankfurter Gemeindevorstand aber wissen und abwägen müssen. Die Verantwortung für dieses Fiasko liegt daher mehr bei den Verantwortlichen der Jüdischen Gemeinde zu Frankfurt als bei dem Gedenkredner Jason Stanley.

      • @Schalamow:

        Das liest sich in der Tat dort durchaus anders, als es hier im Interview geschildert wird. Die Wahrheit wird vermutlich nur kennen, wer selbst dabei gewesen ist.

    • @Normalo:

      Warum haben deutsche Juden eine emotionalere Beziehung zur gegenwärtigen Politik in Nahost als ein deutschstämmiger amerianischer Jude?

      • @Francesco:

        Kurzversion: Weil der Hass auf Israel auch auf sie überschwappt (was meines Erachtens in den USA weniger der Fall ist) und man auch auf einer US-Landkarte eben KEINE Gedenkstätten namens Sachsenhausen, Dachau, Buchenwald, Bergen-Belsen etc. finden wird. Die gefühlte Nähe zur Shoa, die einige Feinde Israels durchaus gerne nochmal proben würden, ist also sehr viel größer.

    • @Normalo:

      Wie kommen Sie denn auf Streit oder "Drang"(???)?



      Kein Jude hat "notwendigerweise" eine "sehr emotionale Beziehung" zu Nahost. Was sind das für Zuschreibungen?







      Arendt, Buber, Stanley und viele andere, gerade in den USA beweisen, dass man nüchtern einfach an Israel dieselben Maßstäbe anlegt, wie an andere auch. Das hat Stanley in die eine wie in die andere Richtung auch vorgeschlagen, als gute jüdische und jüdisch-deutsche Tradition.



      Nachvollziehbar.

      • @Janix:

        Weniger nachvollziehbar ist, mit diesen Maßstäben provokant in einer Gedenkrede an die Progromnacht zu hantieren.

        Und wer ein wenig mit offenen Augen durchs Leben geht, sollte verstehen, dass der Nahostkonflikt deutsche Juden ganz unmittelbar betrifft, weil nunmal eine zumindest erhebliche Zahl von Menschen sich beflissen fühlt, hierzulande seine Aggressionen gegenüber Israel AUCH auf hier lebende Juden zu projizieren.

        Und nein, die Gleichsetzung von Gaza mit dem Warschauer Ghetto ist KEINE Behandlung Isreals wie jeden anderen Staat, sondern wahlweise eine perfide Hyperbel oder eine sträfliche Verharmlosung des Warschauer Ghettos und der an seinen Bewohnern begangenen Greueltaten - oder beides. Rhetorische Zuspitzung ist keine Entschuldigung für sowas, zumal nicht zu dem Anlass.

        • @Normalo:

          Ihre Wertung. "provokant hantieren" oder dass er selbst gleichgesetzt hätte. Für mich zeigt er nur, wozu liberal-universal-jüdisch denken führen kann: zu Nestbeschmutzung, weil man sich auch nicht vom Nest in Haft nehmen lässt. Das ist fast eine Definition von intellektuellem Denken ohne Stammes-/Nations-Grenzen.

          Dass Juden hirnrissig für Israel in Haftung genommen werden, da wiederum trauriges Nicken. Das hat Stanley lange und pointiert gut ja auch ausgeführt. Ich mochte seinen USA-Vergleichs-Punkt. Ich redete weniger von Zuspitzung als von indirekter Rede, Positionen benennen, ohne sich gleich mit ihnen gemein zu machen.

          PS: Vergleichen darf man, das ist Werkzeug der Geschichtswissenschaft, gleichsetzen hingegen nur sehr, sehr selten.

          • @Janix:

            "Das hat Stanley lange und pointiert gut ja auch ausgeführt."

            Hat er, aber er hat die Konsequenzen nicht gezogen und reflektiert, was er einem von diesem Hirnriss betroffenen Publikum an rhetorischer Überspitzung - insbesondere solcher mit Holocaust-Analogie - zumuten kann. Genau das war der Punkt meines Postings: Derartige Rhetorik mag in den USA verzeihlich sein, wo der Holocaust tatsächlich als rhetorischer Dampfhammer missbraucht wird, teils sogar völlig gedankenlos genutztes Mittel ist. Aber das ist eben hierzulande anders.

            Und ganz ehrlich verstehe ich die Apologeten hier nicht. Wäre es J. D. Vance gewesen, der diesen Teil der Rede in diesem Setting von sich gegeben hätte (einen großen Unterschied zum Duktus seiner Münchner Rede gab es nicht, nur dass ER dankenswerterweise auf die Thematisierung von Holocaust-Verharmlosungen verzichtet hat), sie selsbt wären alle eifrig auf der Suche nach Rechtsgrundlagen für seine sofortige, dauerhafte Ausweisung aus Deutschland.

            • @Normalo:

              Vance führ US-style sich mit Schmeicheln und Witzeln beim Publikum ein, dann sehr selektiv und aus einer Frontstellung heraus "Meinungsfreiheit" eingeführt, wohl, um vom peinlichen Thema der Sicherheitskonferenz wie dem US-Beitrag zur europäischen Sicherheit abzubiegen. Zynisch dabei war nicht nur der offen gelogene Satz "unter der Führung von Donald Trump mögen wir mit Ihren Ansichten nicht einverstanden sein, aber wir werden dafür kämpfen, Ihr Recht zu verteidigen, sie öffentlich zu äußern.", wenn man Trumps und Vances Praxis im eigenen Land kennt. Oder die Wahltricks, um es noch gemäßigt zu benennen.



              Vance hielt eine sonst eigentlich ja nachdenkenswerte Rede. Ihm wurde übrigens zugehört. Er wandte sie nur nie universal - Stanleys Ansatz - auf "seine" Leute eben auch an. Zählen Sie mal, wie häufig er anderen vorwirft, was seine Regierung selbst exerziert. So dumm kann er nicht sein, das war Machtdemonstration. Für andere Schlagzeilen auch als "USA kann nicht mal die Ukraine stützen". Ich fand die Rede ultrazynische US-Debatte. Von einem, der anders als Trump eine teure Bildungsstätte genoss und auch mal die Bibliothek gesehen haben dürfte.



              Da lieber Stanleys Offenheit.

    • @Normalo:

      Na, das Anschreien war ja eher eine einseitige Angelegenheit. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass der Redner das Publikum angeschrieben hat.



      Eine zivilisierte Streitkultur sollte auch eine universelle sein, das gilt für die Jüdische Gemeinde zu Frankfurt wie für dieses Forum.



      Aber Sie haben recht: deutsche Betroffenheitskultur - die unglücklicherweise dazu neigt, den Kontrahenten einfach niederzuschreien (wir finden das zur Rechten wie zur Linken, gelegentlich sogar in der Mitte) - traf hier auf eine intellektuell-aufgeklärte Diskussionskultur, von der Stanley meint, sie sei für das liberale deutsche Judentum so konstitutiv wie für die jüdische Community in den Staaten.



      Und inhaltlich? Ja, da räume ich ein, dass der thematische Bogen Stanleys ein anlässlich des Gedenkens zusammengekommenes Publikum )Pogromnacht) offensichtlich überfordert hat. Ich halte das für nachvollziehbar und man könnte auch sagen, dem Gedenkredner fehlte die notwendige Sensibilität für die Situation. Vor jüdischem Publikum in den USA hätte er diese Rede wahrscheinlich unbedenklich halten können.



      Falsch oder irgendwie anrüchig ist der Inhalt der Rede aber dennoch nicht.

      • @Abdurchdiemitte:

        Sorry, aber wer vor deutschen Juden so offensichtlich suggeriert, sowas wie Gessers Analogie zwischen Warschauer Ghetto und Gaza hätte auch von Arendt oder Einstein kommen können (und wäre deshalb von genug moralischer Autorität, dass man an der Analogie weniger Anstoß hätte nehmen sollen), dem fehlt nicht bloß Sensibilität sondern Maß und Anstand. Und dass es in einer gegebenen Menge Menschen größer 10 immer welche gibt, die so etwas in einem hochemotionalen Umfeld wie dem Gedanken an den 9.11.38 nicht stoisch ertragen, ist aus meiner Sicht ein offensichtlicher Parameter, den es seitens eines Redners zu berücksichtigen gälte. Wenn er es nicht tut und dann angeschrien wird (und das die Veranstaltung platzen lassen könnte, wenn man ihn nicht vom Mikro holt), ist das aus meiner Sicht nicht mal Pech sondern logische Folge.

    • @Normalo:

      Er hat sich nicht auf eine Stufe mit Hannah Arendt gestellt. Er hat nur zurecht drauf hingewiesen, dass bestimmte Aussagen von ihr heute nicht gut ankämen.

      Ich halte Herrn Stanley für einen sehr reflektierten Menschen, und sein Buch über den Faschismus für sehr lesenswert.

      Und selbstverständlich gilt: Wer brüllt, hat Unrecht. Sehr peinlich für die jüdische Gemeinde.

      • @fhirsch:

        Der Zusammenhang zählt. Er redet erst über Gessen, deren Analogie zwischen Warschauer Ghetto und Gaza (meiner Meinung nach völlig zu Recht) als disqualifizierend betrachtet wurde, und zieht dann unmittelbar die Linie zu Hannah Arendt, die meines Wissens solche Vergleiche nie angestellt hat - und sich selbst, der für diese Linienziehung Toleranz beansprucht. Mit anderen Worten bemüht er zur Opfer-Stilisierung von Gesser und sich selbst, die Grenzen überschritten haben, die moralische Autorität von Leuten, die diese Grenzen NICHT überschritten haben, um dem hiesigen Diskurs Intoleranz attestieren zu können. Sorry, aber diese Form von "Zuspitzung" ist mir schlicht zu viel Vance und VIEL zu wenig Empathie für das Stuation von Juden im diesem Land, die heute wieder von rechten Rassisten UND von Israelhassern für ihre Religion attackiert werden.

        Was WÄREN denn Ihrer Meinung nach die Äußerungen von Hannah Arendt oder Albert Einstein, die sie heute in Deutschland nicht mehr machen "dürften"?

    • @Normalo:

      Eine sehr gute Einschätzung der Situation. Kommt hinzu, dass die beendete Rede sehr lang war und Herr Stanley bereits Vorredner hatte.

  • Ich hatte gestern bereits in der SZ einen Artikel von Ronen Steinke darüber gelesen, bin deshalb neugierig gewesen, wie Jason Stanley es nun hier im Interview aus seiner Sicht schildert. Ganz klar, hat ihn das tief getroffen, dass das Publikum der jüdischen Gemeinde Frankfurt ihn zum Teil ausgebuht hat (er soll aber durch andere durchaus auch positiven Zuspruch während der Rede erfahren haben). Der Rabbiner bat ihn wohl, seine Rede abzukürzen, das kann man sicherlich als nicht sehr höflich empfinden, aber es war offensichtlich zur Deeskalation nötig. Warum Stanley unbedingt Masha Gessen, ihren unsäglichen Vergleich und das unwürdige Verhalten der Preisverleiher des Hannah Arendt-Preises in seiner Rede unterbringen musste, ist rätselhaft. Das scheint mir bei US Intellektuellen die Rückversicherung an die eigene Blase zu sein. Vielleicht würden Einstein und Arendt heute eher den Standpunkt von Eva Illouz einnehmen. Komisch, dass ihm die Idee nicht kam. Vielleicht sollte sich Stanley daher bei aller persönlicher Kränkung fragen, ob seine Rede dem Anlass angemessen war. Ich würde sagten, sie war es wohl nicht.

  • Erleuchteten klopft man nicht an die Birnen.



    Entrüstetes, selbstgerechtes Brüllen ist eine zwangsläufige Folge.

  • Wenn ich als Gemeinde einen Redner einladen, würde ich mich vorher über dessen inhaltliche Positionen informieren,, es hätte sicherlich Personen gegeben , die der Frankfurter Konsenskultur besser entsprochen hätten.

  • Das Ganze hört sich nach der Unmöglichkeit an, sowohl der Forderung nach Konsequenzen aus dem 9. November 1938 als auch dem Respekt im Gedenken gleichermaßen gerecht zu werden.

    • @aujau:

      Unmöglich ist ein großes Wort. Ist es wirklich ganz unmöglich?

      • @Janix:

        Zum Thema Nazizeit, Gedenken, Konsequenzen und Forderungen wird niemand perfekt, unangreifbar, komplett richtungsweisend und alle Seiten gerecht behandelnd argumentieren können.

  • "Hannah Arendt dürfte heute in Deutschland wegen ihrer kritischen Haltung zu Israel nicht mehr sprechen. Für Albert Einstein, der sich für einen binationalen Staat einsetzte, gilt das Gleiche. Beides habe ich erwähnt."

    Ach, ist das so?



    Das scheint mir eine deutlich übertriebene Zuspitzung zu sein bzw. bedürfte dann doch weiterer Erklärung. Ohne weitere Einordnung ist das keine sehr glaubhafte Einschätzung.

    Mich würde dann doch interessieren, was die Wut der Zuhörer ausgelöst hat. Hat er etwa geschichtsvergessene Thesen wie "Gaza ist wie das Warschauer Ghetto" wiederholt und vertreten? Nun, tut er das auf einer Gedenkveranstaltung, muss er mit Widerspruch rechnen. Dass er sich nun scheinbar als Opfer einer Art des Antisemitismusses zu fühlen schein, finde ich schräg.

    Möglicherweise verbieten sich aus Gründen des Anstandes am Gedenktag der Reichspogromnacht Analogien zu Gaza einfach. Nur mal so ein Gedanke.

    • @Katharina Reichenhall:

      Da in Frankfurt war es wohl noch anders:



      .



      》Stanley behauptet, er habe nur verschiedene Positionen referiert, beispielsweise die der Schriftstellerin Masha Gessen und ihren Vergleich zwischen dem Warschauer Ghetto und der Lage in Gaza, sie sich aber nicht zu eigen gemacht. Hat er da nicht Recht?



      .



      Anders als das im Manuskript steht, welches in der»Frankfurter Allgemeinen«veröffentlicht wurde, hat er sich auch nach dem Zwischenruf nicht von Gessen distanziert. Vielmehr hat er sinngemäß gesagt: »Das ist eine Analogie, die man so oder so sehen kann.« Schon allein das ist infam. Er hat ausdrücklich eine Gleichsetzung von Gaza und dem Warschauer Ghetto offen gelassen. Das ist eine Schande! Ganz unabhängig davon, dass die Aussage Gessens historisch gesehen blanker Unsinn ist: An einem Tag wie dem 9. November darf man so etwas nicht einfach in den Raum stellen und dort stehen lassen. Auch an keinem anderen Tag.



      .



      Für Sie war das also eine gezielte Provokation?



      Ja, eine bösartige Provokation sogar.[...]《



      .



      Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, im Interview der JA www.juedische-allg...der-buehne-gejagt/

    • @Katharina Reichenhall:

      Ja, wo kämen wir hin, würden wir das "nie wieder" ernst nehmen? Am Ende wäre das Gedenken vielleicht sogar für gegenwärtige humanitäre Verbrechen von Relevanz. Kaum auszudenken natürlich, aber nur Mal so ein Gedanke.

    • @Katharina Reichenhall:

      "Im Biltmore-Hotel, so Arendt, hatte »die jüdische Minderheit der arabischen Mehrheit« noch »Minderheitsrechte zugestanden«. In Atlantic City »blieben die Araber in der Entschließung ganz einfach unerwähnt«. Arendt empfand dieses Schweigen als ein alarmierendes Zeichen dafür, dass den Palästinensern in den Augen sowohl der regulären Zionisten als auch der Revisionisten »nichts anderes bleibt, als zwischen freiwilliger Emigration und einer Existenz als Bürger zweiter Klasse zu wählen«. Mit der Rede von der »freiwilligen Emigration« spielte sie sarkastisch auf die – in den Vierzigerjahren von der zionistischen Führung unterstützte – Vorstellung einer »freiwilligen Aussiedlung« der Palästinenser an. Die Verfasserin von »Wir Flüchtlinge« wusste, dass sich hinter der verharmlosenden Formulierung eine Politik der ethnischen Säuberung verbarg."

      "Albert Einstein, dem die Regierung die erste israelische Präsidentschaft angetragen hatte, unterzeichnete gemeinsam mit Arendt einen von ihm verfassten offenen Brief, der Menachem Begins faschistische Überzeugungen und Vorgehensweisen anprangerte."

      aus: Boehm, Israel - eine Utopie

      • @Klabauta:

        Auch aus diesen Zitaten kann man nicht ableiten, dass Arendt oder Einstein der Meinung waren, die Situation der Palästinenser sei auch nur annähernd mit der Situation der Juden im Holocaust vergleichbar.



        Man sollte diese geschichtsvergessenen Vergleiche einfach unterlassen.

        • @Katharina Reichenhall:

          >Man sollte diese geschichtsvergessenen Vergleiche einfach unterlassen.<

          Der Holocaust ist unvergleichlich.

          Gaza ist ebenfalls unvergleichlich. Es gibt keine militärische Auseinandersetzung, in der ähnliche Zerstörungen an nahezu allen zivilen Gebäuden in einem kompletten Siedlungsraum angerichtet wurden.

          Vielleicht kann man sich darauf einigen, dass es unvergleichliche Verbrechen eigener Art gibt, die nicht miteinander verglichen werden können.

    • @Katharina Reichenhall:

      》Hat er etwa geschichtsvergessene Thesen wie "Gaza ist wie das Warschauer Ghetto" wiederholt und vertreten?《



      .



      Die Passage geht so: 》Die jüdische Schriftstellerin und Journalistin Masha Gessen wurde kürzlich mit dem Hannah-Arendt-Preis ausgezeichnet. Die Preisverleihung wurde jedoch abgesagt, da sie in einem Artikel eine Analogie zwischen Gaza und dem Warschauer Ghetto gezogen hatte. Aber AUCH [Hervorhebung durch mich] Hannah Arendt erkannte die Ungleichbehandlung der Palästinenser deutlich und befürwortete einen Staat, der Juden und Palästinensern die gleichen Rechte als gleichberechtigte Bürger einräumt《 - dieses "auch" in ein einer gesprochenen Rede stellt eine Gleichsetzung dar, die anschließend nicht mehr wirklich in Frage gestellt wird.



      .



      Sie haben im Übrigen ganz Recht mit "geschichtsvergessen" (der Vergleich): aus dem Warschauer Ghetto wurden die Menschen nach Treblinka deportiert, um sie dort zu ermorden.



      .



      www.dhm.de/lemo/ka...ngslager-treblinka

      • @ke1ner:

        Vielen Dank für Ihre Hinweise.



        Ich denke auch, dass man selbstverständlich auf die Ungleichbehandlung der Palästinenser hinweisen und diese kritisieren darf.



        Aber diese Analogie verbietet sich aus offensichtlichen Gründen.



        Daher finde ich es auch korrekt, dass diese Preisverleihung abgesagt wurde.



        Diese ständigen Versuche, die Situation der Palästinenser mit dem Holocaust zu vergleichen, finde ich inakzeptabel.

  • Eine Trauerfeier ist keine Podiumsdiskussion. Es ging bei der Veranstaltung in der Frankfurter Synagoge nicht um Israel oder Gaza, sondern um das Gedenken an die Opfer der Reichskristallnacht, unschuldige Menschen, die fürchterlichste Demütigungen und Grausamkeiten erleiden mussten. Sie waren weder für Zionismus noch Israel verantwortlich, genauso wenig wie die heute in Deutschland lebenden Juden, die sich trotzdem ständig für die Politik Netanjahus rechtfertigen sollen und tagtäglich Antisemitismus ausgesetzt sind. Wie ätzend das ist, kann man sich wohl vorstellen.



    Ist es so schwierig, wenn man eine Gedenkveranstaltung für die Opfer von damals besucht, seine schlauen Gedanken zu Zionismus, Israel usw. mit Rücksicht auf die anwesenden Trauernden ausnahmsweise mal zwei Stunden lang außen vor zu lassen?



    Wenn man das nicht hinkriegt, geht man eben nicht hin. Gesprächsformate zu Israel und Gaza gibt es wie Sand am Meer, die sind der passende Ort, um seine Thesen zum Palästinakonflikt auszubreiten.



    Es geht hier nicht um Meinungsfreiheit, sondern um Taktgefühl und gutes Benehmen.



    Den Redner niederzubrüllen, ist natürlich auch nicht die feine Art. Hüsteln hätte m.E. genügt.

    • @Oma:

      Es ging in der Rede nicht um Israel und die Palästinenser, sondern um Humanismus im Judentum.

      • @Francesco:

        Und da gibt es keinen anderen Winkel den man wählen kann, als Referenzen auf Israel und Gaza inkl. unpassender Vergleiche mit dem Warschauer Ghetto? Man muss sich schon entscheiden: Entweder hat das Judentum essentiell nichts mit Israel zu tun und dann sollte es einen verwundern, warum dann in einer Synagoge in D. im Kontext des Gedenkens an die Reichspogromnacht ausgerechnet dieser Vergleich kommt oder Israel und das Judentum sind verschränkt und man sollte sich Fragen warum die Kritik am einzigen jüdischen Staat ständig zu entgleisen scheint und NS-Vergleiche zu dominant sind wie in keinem anderen Setting. So oder so ist es eine komische Auffälligkeit. Und das der Redner Jude ist enthebt ihn nicht davon potentiell antisemitische Narrative zu reproduzieren. So wie Frauen auch Misogynie, BIPoC Rassismus und Personen aus dem LGBTIQ-Spektrum Queerfeindlichkeit perpetuieren können.

  • Stanley hat versucht, seinem Publikum (ziemlich unerträgliche) Thesen wie gesicherte Erkenntnisse unterzujubeln - kein Wunder, dass die da angefangen haben zu schreien:



    .



    》Ebenso unerträglicher Antisemitismus ist es, die Vertreibung von Juden aus Israel zu befürworten, ohne gleichzeitig beispielsweise die Vertreibung aller weißen Europäer aus den Vereinigten Staaten und Kanada zu unterstützen《



    .



    Das impliziert die Behauptung von Israel als einem kolonialistischen Projekt, wie sie (tatsächlich ironischerweise) in z.B. Berkeley gepflegt wird.



    .



    》Die jüdische Schriftstellerin und Journalistin Masha Gessen wurde kürzlich mit dem Hannah-Arendt-Preis ausgezeichnet. Die Preisverleihung wurde jedoch abgesagt, da sie in einem Artikel eine Analogie zwischen Gaza und dem Warschauer Ghetto gezogen hatte. Aber auch Hannah Arendt erkannte die Ungleichbehandlung der Palästinenser deutlich [...] - intellektuell unredlich, Arendt so für eine Position in Anspruch zu nehmen, die sie konkret nie vertreten hat.



    .



    Es würde sich auch lohnen, diese Passage der Rede kritisch zu würdigen: 》Weltweit erleben wir, wie Autokratien liberale Demokratien mithilfe bekannter faschistischer Mechanismen verdrängen. Di

    • @ke1ner:

      Wenn Sie die amerikanische Geschichte (und die des Zionismus) genauer anschauen würden, würden Sie die Parallelen erkennen.

    • @ke1ner:

      》...wie Autokratien liberale Demokratien mithilfe bekannter faschistischer Mechanismen verdrängen. Die faschistische Formel basiert auf der Theorie des Großen Austauschs. Die Nation wird mit einer dominanten rassischen, religiösen oder ethnischen Mehrheit identifiziert. Rassische, religiöse und sexuelle Minderheiten werden verunglimpft. Gleichheit wird als Mythos dargestellt. Die Vergangenheit der Nation wird als glorreich verklärt. Kritik an der Geschichte wird als Verrat gebrandmarkt.[...]《



      .



      Das lässt sich gut auf Israel anwenden: als einzige Demokratie da (wenn auch im Innern durch die Regierung Netanjahu (u.a. Justizstreit) schwer unter Druck) wird es seit seiner Gründung von seinen arabischen Nachbarn bekämpft.



      .



      "Palästina" ist ein relativ neues Konzept - richtet wan hingegen den Blick auf arabischen Nationalismus, stehen ca 200 Millionen Arabern im Nahen Osten etwa 8 Millionen jüdische Israelis entgegen



      .



      Viele Nachkommen von Holocaustüberlebenden - der arabische Umgang mit z.B. den Kurden, aktuell den Drusen oder die arabischen Reitermilizen im Sudan - die von Stanley referierte Israel-Kritik erinnert eher an die von Rechten hierzulande an Merkels "Wir schaffen das!"

      • @ke1ner:

        Es gibt so hartnäckig wiederholte und vermutlich nie auch nur minutenlang zuvor selbst geprüfte Sätze, die schreien nach einem Kommentar.



        Die angeblich einzige Demokratie.



        Südafrika mit seiner Ungleichheit war für Sie auch eine Demokratie? Für die Weißen glich sie einer, und doch waren manche nicht mitgemeint.



        Gut, so weit ist Israel (noch) nicht. Und sagen wir, jetzt käme die Fee und stoppte die offene Ungleichheit nach Religion und Ethnos dort zumindest bei den Staatsbürgern.



        Dann kommt Teil 2: einzig? Libanon funktionierte blendend, bis Syrien und Israel es destabilisierten. Palästina hatte Wahlen, einen Präsidenten und Premier - bis Israel den politisch mit Panzern brutal vorführte, die Hamas aufbaute. Als Ägypten eine Demokratie zu werden drohte (es wäre wohl auch eine unschöne geworden, das auch), ließ der Westen dem bezuschussten Militär freie Hand.



        So etwas sei besser ergänzt, bevor falsche Klischees ein "klares" Schwarz-Weiß-Denken herbeiführen.

        • @Janix:

          "...vermutlich nie auch nur minutenlang zuvor selbst geprüfte Sätze, [Unterstellung] die schreien nach einem Kommentar.", "Südafrika mit seiner Ungleichheit war für Sie auch eine Demokratie?" und gleich darauf: "Gut, so weit ist Israel (noch) nicht" [so what?] und dass der Libanon keine mehr sei, hätte auch Israel zu verantworten, ah ja, zusammen mit Syrien [mal provisorisch zugestanden: und das, die Beteiligung Syriens, schließt arabischen Nationalismus aus?]



          .



          Und als "Ägypten eine Demokratie zu werden drohte (es wäre wohl auch eine unschöne geworden, das auch), ließ der Westen dem bezuschussten Militär freie Hand" - ["der Westen" = Israel?]



          .



          Bedaure, das ist so inkonsistent, dass es mit Argumenten nichts mehr zu tun hat.



          .



          Fast schon komisch, dass Sie dann - nachdem Sie 'Israel ist alles schuld' durchdekliniert haben, ohne es irgendwie zu erhärten - abschließend von "falschen Klischees" und "Schwarz-Weiß-Denken" schreiben, das sie offenbar verhindern wollen. Also bei mir und/oder anderen...



          .



          Verstanden haben Sie meinen Kommentar anscheinend auch nicht. Oder Sie wollen es sich nicht anmerken lassen.

          • @ke1ner:

            Naja, wollen Sie es noch mal probieren?



            Nein, Israel ist nicht alles schuld, genauso wenig wie andere das wären. Ich widerlegte kurz Ihren einen übersimplen Ausdruck an zwei Stellen. Nur das.

        • @Janix:

          Ehrlicherweise muss man sagen, dass es in erster Linie die PLO auf der einen Seite und christliche Milizen auf der anderen Seite waren, die den Libanon destabilisiert haben. Zumindest in der Anfangsphase des Bürgerkriegs.

          • @Francesco:

            Das begann schon vorher mit der Einflussnahme Syriens. Die hätten gerne Libanon aus "historischen" Gründen und den Häfen kontrolliert.



            Beim Südlibanon und Israel lässt sich noch argumentieren, dass von dort auch Nordisrael angegriffen wurde. Deshalb den halben Libanon kleinzubomben, immer weiter auf Beirut zu marschieren und die Falange die zivilen Palästinenser in Schatila abschlachten zu lassen, das ist kaum noch zu verargumentieren.

  • Danke für das Interview & masel tov Herrn Jason Stanley - mischpoche halt - wollte ich eigentlich schreiben! But



    🤖Mischpoche" ist ein Jiddisch-Wort für Familie, das über das Hebräische stammt und in die deutsche Umgangssprache gelangte. Es kann eine neutrale Bezeichnung für Familie oder Sippschaft sein, wird aber oft auch abwertend verwendet, um eine Gruppe von unangenehmen Leuten, Gesindel oder eine Bande zu bezeichnen. …



    &



    Historischer Kontext: Die abwertende Verwendung ist historisch eng mit antisemitischen Vorstellungen verbunden und wird heute meist als diskriminierend empfunden, Duden.“ Dunnerwedder



    & Däh



    “Die Griechen nennen die Verwandten Freunde.



    Das habe ich nie - Verstanden!“ Tucho



    &



    Damit wären wir bei Uri Avnery - der den Naostkonflikt mal darart runtergebeamt hat:



    ~ das wäre als würden heute noch die Nordfriesen mit den Dänen & den Angeln Nordschleswigholsteins Krieg führen!



    &



    Conclusio befanden wir dazu a ☕️☕️ :



    “Egal wasde wo dazu sagst / immer wird irgendwer auf dem 🛋️ sitzen & übel nehmen!“



    Womit wir paraphrasiert wieder bei Tucho wären! Gellewelle&Wollnichtwoll

    unterm——-

  • Aus Sicht der jüdischen Gemeinde war mit der Einladung an Prof. Stanley (an einer Gedenkveranstaltung über seine Familiengeschichte zu sprechen)



    der "Erwartungshorizont" abgesteckt. Ein Vortrag bzw. eine Diskussion über die derzeitige Situation in Israel war nicht geplant.



    Da er zusätzlich zu seinem familiären Hintergrund nun seine kritische Haltung zur aktuellen Situation in Israel äußerte, wurde er von Zuhörern als paternalistisch belehrend eingeschätzt.



    Vielleicht hätte die jüdische Gemeinde den "Erwartungshorizont" klarer formulieren sollen: 'Sprechen Sie darüber, dass Ihre Familie Opfer des Nazi-Terrors war, aber erwähnen Sie keinen aktuellen



    kritischen Bezug zu Israel."

    • @chat cat:

      Wenn die Gemeinde ein paar Hardcore-Israel-ist-immer-im-Recht-Leute in ihren Reihen hatte und das Thema daher komplett scheute, hätte sie es im Vorfeld sehr deutlich sagen müssen.



      Es ist ja auch gar nicht Stanleys Hauptthema, er schlägt ja nur den Bogen seines universal-liberal-jüdischen Ansatzes bis heute, erinnert zuvor belesen an Buber, an Arendt. Wenigstens zuhören wäre drin gewesen.

      • @Janix:

        Stanleys Einschätzungen sind für mich gut nachzuvollziehen.



        In der jüdischen Gemeinde ging es wohl um verletzte Gefühle bzw. Stanleys Ausführungen wurden von Teilen des Publikums als taktlos, dem Anlass bzw. Datum nicht entsprechend empfunden. Stanley wiederum empfand den Abbruch seiner Rede verstörend. Nun hat er ja auch Beifall bekommen, ob sich von diesem Teil der Anwesenden noch jemand zu Wort meldet? Jetzt ist auch in der 'Zeit' vor wenigen Stunden ein Artikel erschienen, vielleicht mögen Sie da mal hineinschauen. Wie so häufig, kommunikative, emotionale Missverständnisse, nicht vor der Einladung geklärt sondern im gegenseitigen Unverständnis geendet.

        • @chat cat:

          Danke für den Hinweis, ich werde es dann wohl auf Papier und mit Interesse lesen. Ich verstehe Stanley auch sehr, gerade nachdem ich die komplette Rede las.



          Ich vermute ein in dem Punkte stark gereizte Personen, die im Stressverhalten vielleicht auch nicht mehr genau zuhörten, die indirekte Rede, die referierten Positionen gar nicht mehr wahrnahmen.



          Stynleys Rede empfehle ich zur Lektüre, weil sie eine durchaus jüdisch geprägte und doch universal-liberale Haltung mit all ihren Komplexitäten gut darstellt.

          • @Janix:

            :Stanleys Rede empfehle ich zur Lektüre, weil sie eine durchaus jüdisch geprägte und doch universal-liberale Haltung mit all ihren Komplexitäten gut darstellt."

            Das "doch" würde vermutlich Stanleys Widerspruch hervorrufen.

          • @Janix:

            Gibt es die komplette Rede online nur bei FAZ hinter der paywall? Schon die Auszüge sowie seine Vita wecken Interesse an mehr, auch sein Buch zum Faschismus. Bereits die Überschrift des Vortrags zeigt deutlich den Bezug zum Heute. Stanley möchte reflektiert den Horizont erweitern, dafür steht er.



            Nun bin ich nicht religiös, versuche mich dennoch emotional in (orthodox) tiefglâubige Menschen in einer Synagoge einzufühlen, deren Vorfahren der Reichspogromnacht zum Opfer fielen.



            Gute Rede, unpassender Ort und Zeitpunkt? Hätten die Einladenden berücksichtigen können. Der Gemeindevertreter hätte zunächst die Zuhõrerschaft zur Mâssigung anregen können. Ich finde den spontanen Redeabbruch paternalistisch, auch aggressives Geschrei. Kompromissvorschlag: Erst mal zur Ruhe kommen. Beide Seiten geben sich eine zweite Chance. Die jüdische Gemeinde kõnnte zu einem anderen Zeitpunkt Gesprächsbereitschaft zeigen. Herr Stanley überlegt, ob er trotz guter Absicht an einem schweren Tag einen schmerzenden Nerv getroffen hat - und trägt die Rede noch einmal in Gänze vor mit anschließender Diskussion.

            • @chat cat:

              Zum Redetext: Wie schon andernorts ergänzt: Bei mir war sie noch frei erhältlich, und ich bin kein Abonnent dort. Pardon.



              Der Vorsitz der dortigen Gemeinde hat inzwischen das Klima noch mal verschärft mit einer Distanzierung und dem Vorwurf, Stanley selbst habe relativierend verglichen. Die haben den Text vermutlich wohl auch nicht nachlesen können. Ich fürchte, da gibt es kein zweites Mal.

              • @Janix:

                Danke für Ihre ganzen Bemühungen!! Nein, es wird wohl kein zweites Mal geben. Die Reaktion in der 'JA' ist ja sehr scharf (hat keine paywall). Die Wahrnehmung ist dort eine ganz andere. Ich denke, ich habe das Konfliktpotenzial verstanden und große Teile der Rede wurden ja u.a. von Ihnen, Janix, zitiert.



                Schade, dass die Rede nur in der FAZ zu lesen war, Stanley hat glaube ich mind. 3 Medien ein Interview gegeben (und einer Uni), aber nirgends ist Text plus Interview.



                Auch @taz: Das ist journalistisch unglücklich gelaufen. Hat nur die FAZ (von Stanley) die Rechte für die Veröffentlichung des ganzen Textes erhalten, erst nach dem Interview bei taz? Ùberall verschiedene Artikel, zeitlich durcheinander, die ForistInnen kennen manchmal nur eine Version/Standpunkt (Stanley oder jüd. Gemeinde). Das hat zu starren, verhärteten Fronten geführt, voreiligen Reaktionen und eine unangenehmen Nachgeschmack.

        • @chat cat:

          Die Verantwortung sehe ich auch so wie Sie, bei den Gastgebern-/Organisationen und weder bei Stanley, noch bei den Gästen.



          Mehr Sensibilität in der Sache & eine kompetentere Vorbereitung / Absprache wäre Wünschenswert gewesen.

          • @Alex_der_Wunderer:

            👍Was meinen Sie, gibt es eine Aussicht auf eine zweite Chance (siehe meine Antwort an Forist Janix). Würden Sie an Stanleys Stelle eine zweite Einladung annehmen, in Frankfurt oder einer anderen jüdischen Gemeinde? Jetzt gucke ich mal in die "Jüdische Allgemeine", befürchte aber contra zu Stanley.

            • @chat cat:

              Wenn ich wie Stanley nicht in der Lage bin abzuschätzen, womit ich den Leuten auf die Füße trete, würde ich sie logischerweise nicht annehmen.

          • @Alex_der_Wunderer:

            Wir wissen doch gar nicht, ob es diese Absprache gab und Stanley sich nur nicht daran gehalten hat.

            Ich sehe nicht, auf welcher Basis Außenstehende wie wir die Verantwortung zuordnen könnten.

  • Danke für das Interview. Ich würde mir aber gerne ein Bild über den Grund für den Eklat machen, also lesen, was Herr Stanley gesagt hat bzw sagen wollte. Solange ich das nicht weiß nutzt mir das Interview wenig. Immerhin: So bin wieder an ihn und sein Buch über Faschismus erinnert worden. Wollte ich schon längst gelesen haben.

    • @Stefan Waldow:

      Bei mir konnte ich gerade per LinkedIn das finden, was den Text wiedergab, ohne dass ich FAZ-Abonnent wäre. Ob es bei Ihnen funktioniert, hoffe ich einfach.



      Das im Original zu lesen hilft der Entspannung vielleicht ein wenig.

      zeitung.faz.net/da...e/12/content/86514

    • @Stefan Waldow:

      Mit etwas Suchen finden Sie den Text bei der FAZ, unten habe ich einen Link gepostet.



      Es ist ein bedachter Text. Stanley erwähnt seine Familiengeschichte und plädiert für einen universalen liberalen Ansatz, für den viele Juden auch stünden: Buber, Arendt nennt er. Dann muss er wohl auch klarstellen, dass er nicht in eine ethnische Wagenburg gehen will, wo er als Jude Netanyahu verteidigen müsste. Um zu verdeutlichen, dass er eben jüdisch denkt und Mensch ist.

      • @Janix:

        Natürlich muss er in keine "ethnische Wagenburg gehen, wo er als Jude Netanjahu verteidigen müsste".



        Umgekehrt: Juden machen (immer häufiger) die Erfahrung, dass, sobald ihr "Hintergrund" bekannt ist, sie die Gretchenfrage gestellt bekommen: "Sag, wie hältst du es mit Israel?" Und wer sich dann nicht zum Antizionismus bekennt, ist schnell ein "Genozidbefürworter". So schon in den USA erlebt.

      • @Janix:

        Wenn Sie an den ZEIT-Kommentar „Die abgebrochene Rede“ von Peter Neumann (11.11.2025) herankommen – leider hinter Paywall –, www.zeit.de/kultur...nde-frankfurt-rede, lohnt sich die Lektüre.



        Dort wird gut nachgezeichnet, wie das „unangemessene“ Verhalten eines Teils des Publikums zustande kam, das schließlich zum Abbruch führte.

        Und welchen Anteil Stanley als „ein kontroverser Intellektueller, der gezielt Druckpunkte sucht ... vom ‚Apartheid-System‘ Israels zu sprechen oder Formulierungen der US-Autorin Masha Gessen aufzugreifen“ und „... muss ... Stanley die Frage gefallen lassen, ob man das Gedenken an den 9. November 1938 gleich als Diskursseminar verstehen muss.“ daran hat, wenn er so bei einer Gedenkveranstaltung auftritt.



        Für mich bleibt unverständlich, warum er seine Kritik nicht in eine Form gebracht hat, die dem Anlass besser entsprochen und ein breiteres Publikum angesprochen hätte.

        Man kann Kritik auch weniger direkt äußern und auf übermäßig Belehrendes verzichten. Ihnen würde ich auch mal ans Herz legen, zu schauen, ob Ihnen weniger Virtue Signalling nicht guttun würde – beugt auch vor, wie ein „Oberstudienrat“ daherzukommen.

  • “ Hannah Arendt dürfte heute in Deutschland wegen ihrer kritischen Haltung zu Israel nicht mehr sprechen.”

    Oder den nach ihr bennanten Preis erhalten.

    • @Marco Dorn:

      Können Sie diese These auch belegen oder wollten Sie nur einfach mal einen flotten Spruch raushauen?

      • @Katharina Reichenhall:

        Die Frage ist höchstens, ob sie die Restriktion jener übereilten Bundestagsresolution erfüllen würde. Innerhalb Deutschlands könnte sie anderswo sicher reden. Hannah Arendt würde ich gerne heute zuhören.

  • Fanatismus ist immer !! schlecht und inakzeptabel, gleichgültig auf was er sich bezieht. Hier scheint es so, als wären da einige jüdische Funktionäre über ihr Ziel hinausgegangen und haben sachliche Kritik durch Krawall ersetzt. Und nein, ich bin kein Antisemit...

    • @Perkele:

      ""Die Unterstützung des Massenmords der Hamas an unserem Volk am 7. Oktober ist unerträglicher Antisemitismus. Ebenso unerträglicher Antisemitismus ist es, die Vertreibung von Juden aus Israel zu befürworten, ohne gleichzeitig beispielsweise die Vertreibung aller weißen Europäer aus den Vereinigten Staaten und Kanada zu unterstützen. Antisemitismus ist es, in unseren Gotteshäusern oder jüdischen Schulen aufzutauchen und uns wegen des Vorgehens Israels anzuschreien. Einzelne Juden für Israels Handeln verantwortlich zu machen, ist Antisemitismus. Diese antisemitischen Handlungen unter dem Deckmantel der sozialen Gerechtigkeit oder des Liberalismus zu verbergen, ist ein Verbrechen gegen diese Ideale.

      Kritik an den Gräueltaten Israels im Gazastreifen hingegen ist kein Antisemitismus. Kritik an Israels langjähriger ungleicher Behandlung des palästinensischen Volkes ist ebenfalls kein Antisemitismus. Eine beträchtliche Minderheit der amerikanischen Juden steht Israels Umgang mit den Palästinensern kritisch gegenüber. ..." Aus der Rede, zitiert nach FAZ.

      • @Janix:

        Da sind wir uns sehr einig.

  • Besonders besorgniserregend finde ich, dass keinerlei konkrete Erklärung abgeliefert wird. Alles, was Herr Stanley in dem Interview sagt, klingt für mich vernünftig. Natürlich kenne ich als Leserin des Interviews auch die Rede nicht.



    Was aber auf jeden Fall erschreckend ist, dass statt eine Debatte zu führen einfach abgebrochen wird. Das öffnet jeder Willkür Tür und Tor.



    Insofern leistet die cancel culture wirklich einen Bärendienst. Denn wie will man da wieder ins Gespräch kommen?

    • @Dreja:

      Diese Veranstaltung war kein öffentliches Panel, sondern eine Gedenkveranstaltung in der historischen frankfurter Westendsynagoge. Natürlich hat Herr Stanley Zustimmung erfahren, dass er in diesem Rahmen auch emotionale Ablehnung erfahren hat, das hat er leider überhaupt nicht verstanden. Jedenfalls: hier war keinerlei Expertise zu Nahost gefragt.



      Ohnehin frage ich mich, was Herrn Stanley dazu gedrängt hat, im Gefolge von Masha Gessen u.a., reichlich diskussionswürdige Aussagen gegenüber Gemeindemitgliedern zu tätigen. Nachvollziehbar ist für mich lediglich, dass die Gemeinde die angesagte Selbstzerfleischung nicht mitgemacht hat.

      • @chrisbee:

        Verstehe ich nicht, worauf wollen Sie hinaus? Wollen Sie diese Gemeinde in Schutz nehmen und Stanley kritisieren?

      • @chrisbee:

        Haben Sie die Rede vor dem Post selbst gelesen?

        Emotionale Ablehnung muss ansonsten ja nicht heißen, einen Abbruch vorzunehmen. Es hätte eine distanzierende Abmoderation geben können. Einen Intervention mit Bitte um Zuhören, wo auch der Text von außen hätte moderiert werden können. Vor allem genau zuhören.



        Daher auch meine anfängliche Frage, wie genau Sie bereits vor dem Post die Rede auch lasen. Sie finden sie leicht.

        • @Janix:

          Ja, ich kannte die Rede, da ich mir faz besorgt hatte und nachdem mich eine von dem Vorkommnis irritierte Teilnehmerin nach der Veranstaltung telefonisch informiert hatte

  • Danke für das Interview. In den übrigen Medien ist von diesem Auftritt und seinem Abbruch wie üblich nichts zu lesen, anders, als wenn propalästinensische Aktivisten Redner:innen unterbrechen (was notabene genauso zu verurteilen ist, aber dann auch landauf landab gemacht wird).



    Welch ein Armutszeugnis für die Jüdische Gemeinde Frankfurt! Dass sie einst (1988) die Aufführung von Fassbinders Theaterstück "Der Müll, die Stadt und der Tod" verhindert hat, kann man als mutigen Akt sehen, dass sie nun einen selber eingeladenen Referenten nicht ausreden lässt, ist Zeugnis einer Radikalisierung, die nicht mal mehr Debatten in der eigenen Community duldet. Sie delegitimiert sich damit selber als Vertreterin der Juden in ihrer ganzen Meinungsvielfalt.

    • @HRMe:

      Mit allem Respekt, woher kommt denn der Anspruch, dass die Gemeinde Frankfurt das komplette jüdische Meinungsspektrum abbilden müsse? Zumal zu einer Gedenkveranstaltung?

    • @HRMe:

      Ich korrigiere mich: die Rede Stanleys ist heute in der FAZ.

        • @Janix:

          Fehlende Berechtigung



          Ihr Abonnement schließt das Lesen dieser Publikation leider nicht ein. Informieren Sie sich über aktuelle Angebote im F.A.Z. Abo-Shop. (E24)



          Schade

          • @Lowandorder:

            Oben ein zweiter Versuch, nun aus LinkedIn gefischt.

            Der Text beginnt ansonsten so:

            Was sollen wir tun? Eine Rede zum 9. November.

            Am 7. November 1938 erschoss der siebzehnjährige Herschel Grynszpan in Paris den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath. Er war verzweifelt über die Lage seiner Eltern, polnischer Juden, die aus Deutschland vertrieben und faktisch staatenlos geworden waren. Grynszpan hatte allen Grund, zutiefst wütend auf ein Regime zu sein, das ihm seine Menschlichkeit absprach, seine Menschenrechte missachtete und seine Sicherheit und sogar sein Leben bedrohte.

            Mein Urgroßvater, Magnus Davidsohn, war von 1912 bis zur Reichspogromnacht während der gesamten Existenz der Synagoge an der Fasanenstraße in Berlin deren Hauptkantor; Leo Baeck war viele Jahre lang ihr Rabbiner. In den 1957 erschienenen Memoiren meiner Großmutter Ilse Stanley, „Die Unvergessenen“, schildert sie, wie ihr Vater an jenem Abend seine Erleichterung ausdrückte: „Es ist ein Glück, dass der Mann, der ihn erschossen hat, kein Jude aus Deutschland war. Wir hatten großes Glück.“

            Es stellte sich heraus, dass die Nazis sich nicht um solche subtilen Unterschiede scherten. ..."

        • @Janix:

          Kleines Feedback, sie könnten in Zukunft an ihren Verlinkungen arbeiten. Da es vermutlich ein Artikel hinter einer Paywall darstellt, funktioniert ihr Link nicht und führt nur auf eine Möglichkeit zur Anmeldung.

          Besser einen Link nehmen der genau auf den Artikel verweist und sicher funktioniert, kann man ja testen, den Rest bekommen Leute mit passenden Wissen dann schon hin.



          Und wenn man platz hat ruhig den genauen Titel und Datum eines Artikels angeben, dann kann man auch immer noch per Suchmaschine recherchieren.

          • @serious?:

            Ich bin dort kein Abonnent, und ich konnte den Artikel unter diesem Link noch lesen. Vielleicht hat ihn die FAZ später in die Paywall verbracht?



            Herzliches Danke aber für den Hinweis!

          • @serious?:

            Schonm. But.

            Scho blöd wennste linkisch vor der 💰🚧 landest. Newahr



            Nur - innne taz🚧🚧🚧🚧🚧🚧🚧



            Permanent Uniquitär läufste davor - wa! 🙀🥳🥵😡



            Da biste beim 💰sack🚧 - doch in echt froh! Wollnichwoll



            Wenn’s mal nicht der Teak🪵🚧🚧



            Vonne taz is • Gellewelle&Wollnich



            Normal Schonn

            • @Lowandorder:

              Beim Versuch, Ihre Botschaften zu entschlüsseln, zieht die Dechiffrier-Leidenschaft der Unlust gegenüber öfter den Kürzeren, sorry.

              Wenn Sie aber meinen, ich wäre glücklich, weil ich die Rede bei der FAZ nicht lesen konnte, muss ich Sie enttäuschen. Dem wäre in doppelter Hinsicht nicht so: Evtl. frisst aber jemand meine Kommentare.

              Ob ich aber lieber gestern und heute im Bett geblieben wäre, könnte hingegen stimmen – wurde vermutlich aber nicht erfragt?

              • @serious?:

                Klar. Sie & ehra Dechiff-Mascheng können eh schon nicht mit ollen Turing mithalten! Klar. But



                Keine Enigma am Start! Newahr



                Hier bräuchtens sojet erst gar nicht.

                kurz - würd mal den 🐹 inne Mascheng füttern. Besser is das!



                Dann klappt das schon! Woll



                Fängt ja meine Oma mit de Mütze •

                ps Zu meiner Faszination bzgl. 🚧🚧



                ein andermal

  • Wenn selbst hier, im geschützten Raum einer liberalen Demokratie, kein Streitgespräch mehr möglich ist, wie soll dann Dialog dort gelingen, wo die Fronten unendlich verhärtet sind, etwa zwischen Juden und Muslimen in Israel und Palästina?

    • @Tobias S:

      Es gibt auch christliche Palästinenser.

    • @Tobias S:

      Nur sollte das weder ein Streitgespräch noch ein Dialog unterschiedlicher Meinungen sein.

      Es war eine Gedenkveranstaltung.

      Ja, Herr Stanley hat offensichtlich nicht verstanden, worum es da geht.

      Da hat er ganz recht.

      • @rero:

        Verstanden hat er es sehr wohl. Oh ja.



        Ob er die captatio benevolentia mit diesem Berühren auch in die kritischen Punkte mit Zitaten und Paraphrasen bei allen hinbekam, auf den Zweifel auch. Gewiss.



        Ich fand es eine der seltenen Darstellungen, die die klare Abgrenzung zum Antisemitismus wie zum Antiliberalismus und Antiuniversalismus zugleich hinbekam. Das könnte die Lehre aus damals sein.

      • @rero:

        Der Originaltext hilft: Stanley erzählt von seiner Familie und dem 9. November damals und zieht die Linie zum bekämpften universalen Liberalismus, den seine Eltern damals teils verkörperten, zu heute. Juden sollten nicht für Israel in Haftung genommen werden. Werte liberal-universal allgemein gelten.



        Üblich, so etwas als Besinnungs-Impuls.

        • @Janix:

          Ich habe den Originaltext auch dazu gelesen.

          (Der Artikel ist da ja recht dünn.)

          Deshalb kann ich nur den Kopf schütteln.

      • @rero:

        Und?



        Selbst auf einer Gedenkveranstaltung kann Hr. Stanley sagen was er will.



        Wenn manche die Wahrheit nicht vertragen, spricht das Bände...

        • @Barnie:

          Natürlich kann er sagen, was er will.

          Nur muss er damit leben, dass die Leute auch entscheiden wollen, was sie hören wollen.

      • @rero:

        Einige Leute in der jüdischen Gemeinde Frankfurt verstehen unter einer Gedenkrede offensichtlich etwas anderes als andere (in dem Interview heißt es, Stanley habe aus dem Publikum auch Beifall bekommen, aber offenbar haben sich die Störer durchgesetzt).



        Möglicherweise ein Kommunikationsproblem. Wäre der thematische Bogen, den Stanley angesichts des Gedenkens an die Pogromnacht zu spannen gedachte, mit den Veranstaltern vorher besprochen worden, wäre eine Einladung vielleicht überhaupt nicht erfolgt. Man weiß es nicht.



        Jedenfalls halte ich den thematischen Bogen nicht für s anrüchig oder deplatziert, um ihn nicht im Rahmen einer Gedenkveranstaltung in einer jüdischen Gemeinde vorzutragen. Diejenigen, die Stanley niedergeschrieen haben, sind es, die sich hier erklären müssten (irgendwie auch respektlos, auf einer Gedenkveranstaltung Randale zu machen, finden Sie nicht?).



        Kann auch sein, dass es in der jüdischen Community hierzulande nicht üblich ist, eine Diskussionskultur zu pflegen wie sie unter US-amerikanischen Juden Usus ist. Insofern hätte Stanley recht, wenn er unterstellt, die jüdische Gemeinde Frankfurt hätte ihre liberale deutsch-jüdische Tradition verraten.

        • @Abdurchdiemitte:

          So eine Gedenkveranstaltung soll alle Anwesenden mitnehmen und den Traiernden verdeutlichen, dass sie mit ihrer Trauer nicht alkein sind.

          Natürlich ist es - gerade bei diesem Thema - naheliegend, einen Bogen zur aktuellen Bedrohungssituation in Deutschland zu ziehen.

          Stellen Sie sich vor, bei einer Feierstunde zum Gedenken an die NSU-Opfer würde jemand den Bogen ziehen zu Erdogans Einmarsch in Syrisch-Kurdistan oder zum Demokratieabbsu in der Türkei.

          Bei einer Gedenkveranstaltung für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma würde der Redner ansprechen, dass bis heute Roma zu einem gewissen Prozentsatz ihre Kinder unter 16 Jahren verheiraten.

          Oder auf einer Gedenkfeier für die Opfer von Hanau wird der Bogen zum IS gezogen und die fehlende Kritikfähigkeit islamischer Verbände kritisiert.

          Wäre das alles für Sie in Ordnung?

          Für mich nicht.

          Unabhängig davon, ob ich dem inhaltlich zustimmen würde oder nicht, würde ich die Thematisierung für deplaziert halten.

          Ist der falsche Zeitpunkt für Diskussionsrunden.

          Gut möglich, dass da ein kultureller Unterschied zu den USA besteht.

          Dann hat Herr Stanley deutlich zu wenig interkulturelle Kompetenz gezeigt.

    • @Tobias S:

      Ich würde etwas differenzierter beschreiben bzgl der Fronten zwischen Juden/Muslimen. Die Beziehung zwischen Juden und Muslimen hat genauso viele verschiedene Formen, wie es Juden u. Muslime in räumlicher Koexistenz gibt. Auf keinen Fall darf man von einer pauschalen Beziehung zwischen beiden reden. Die Juden, die Muslime hassen und sie vollkommen entmenschlicht haben, sind oder handeln genau wie Terroristen, die sich auf meine Religion, den Islam beziehen. Islam und Judentum sind sich nicht nur grundsätzlich ähnlich, sondern sie entstammen der gleichen Quelle, dem gleichen Gott, dem gleichen Urvater, Abraham/Ibrahim (wie auch die Christen, aber andere Geschichte). Im Koran gelten erstmal Juden, Christen und Muslime alle als Völker des Buches, somit als Gläubige des gleichen, einen Gottes, unsere Bücher sind nur verschiedene Ausgaben des gleichen Autors! Vernünftige, geistig gesunde, vor allem wohlwollende gläubige Juden u. Muslime wissen das u. lassen sich nicht spalten. Von Istanbul bis hinter NO u. Nordafrika sind überall Juden u. Muslime Nachbarn, Kollegen, verheiratete Familien! Gemeinsame Heimat, Kultur, Nation sind bindender als Religion spaltet.



      Außer man ist extremistisch!

      • @Edda:

        Nehmen Sie jetzt nicht etwas arg die Juden und Christen für Ihre Religion in Anspruch?

      • @Edda:

        Ist irgendwo vom Verhältnis zwischen Juden und Muslimen die Rede?

      • @Edda:

        Sie beschreiben eigentlich eine wünschenswerte Utopie, von der ich fürchte, dass es sie so nie gegeben hat, weder im Zusammenleben von Juden und Muslimen in den islamischen Ländern, noch zwischen Juden und Christen in Europa. Da hilft auch der Verweis auf den gemeinsamen Stammvater Abraham nicht viel. Denn Religion wird auch missbraucht, um die jeweils Andersgläubigen abzuwerten, sogar zu dämonisieren.



        Alle konstruktiven Vorschläge für einen christlich-islamisch-jüdischen Dialog sind mir daher hochwillkommen, aber mal ehrlich: nennen Sie mir nur einige wenige Beispiele, bei denen es hierzulande zu dialogorientierten Gesprächen zwischen jüdischen Gemeinden und Moscheevereinen gekommen ist. Muslime und Juden in Deutschland, zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein können.



        Dass z.B. in Aserbaidschan oder Daghestan multikonfessionelle Ehen zwischen Muslimen und Juden durchaus üblich sind - allerdings eher als kulturell-säkulare Hinterlassenschaft der alten UdSSR - ist mir bekannt, nützt aber angesichts unserer Verhältnisse herzlich wenig.

        • @Abdurchdiemitte:

          Das Mit- oder Nebeneinander von Muslimen und Juden im Kaukasus ist wesentlich älter als die russische Eroberung im 19. Jh. oder die Sowjetunion.

          • @Francesco:

            Stimmt. Es ist ein traditionell gewachsenes Zusammenleben, aber aufgrund der spezifischen ethnischen und religiösen Konstellationen in der Kaukasusregion sicherlich auch ein absoluter Sonderfall.



            Übrigens kamen die Nazis 1942 beim Vorrücken in den Kaukasus mit ihrer Vernichtungspolitik ziemlich in die Bredouille, denn die mehrheitlich muslimischen Bevölkerungsgruppen konnten nicht einsehen, dass die unter ihnen lebenden „Bergjuden“ (Taten) liquidiert werden sollten, nur weil sie der jüdischen Religion angehörten.



            Kontraproduktiv für die geopolitischen Kriegsziele der Nazis, die ja auch an dieser Front gedachten, die Muslime auf ihre Seite zu ziehen (was trotz der dezidiert antisowjetischen Stimmung der Bevölkerung fehlschlug).



            Die NS-Rassentheoretiker gerieten sogar bei der Frage ins Schleudern, ob es sich bei den jüdischen Taten überhaupt um Semiten im ethnischen Sinne handelte oder um Indo-Iraner (also im NS-Verständnis um reine Arier) wie die sie umgebende Indo-iranische muslimische Bevölkerung.



            Literarisch ist das Thema übrigens anschaulich verarbeitet bei Jonathan Litell in seinem Roman „Die Wohlgesinnten“ - schwer verdauliche Kost, aber absolut lesenswert.

        • @Abdurchdiemitte:

          Zwei Religionen, die einmal einen klaren Monotheismus haben ohne "Dreifaltigkeit", "Heilige" oder "Muttergottes", die keinen erschienenen Messias kennen, sondern eine Heilige Schrift ehren. Mohammed hat mehr aus dem Judentum gezogen, als Sie vielleicht denken. Wie die jüdische und christliche Bibel ist auch der Koran Allgemeinwissen. (Ja, und in allen drei gibt es beides: Befremdliches und Menschenfreundliches).

          Es gibt genügend Menschen, die da spalten wollen, die ihren offenen Antisemitismus inzwischen verbergen und nach außen jetzt über Muslime herziehen und dafür Anschluss suchen.



          Es gibt aber auch Menschen, die im Gespräch bleiben, wobei es bei beiden Religionen ja Anknüpfungspunkte gibt.



          Es hilft, immer wieder Muslime nicht für Khomeini und Hamas verantwortlich zu machen, Christen nicht für Anders Breivik, Atheisten nicht für Himmler und Juden nicht für Netanyahu. Stanleys Rede ist auch zu dem Punkt lesenswert.

          • @Janix:

            Ich habe @Edda auch nicht widersprechen wollen und teile auch die Ansichten Ihres Posts.



            Ich habe allerdings meine Skepsis darüber zum Ausdruck gebracht, dass es in den angesprochenen Gruppen eine allzu große Bereitschaft zum Interreligiösen Dialog gibt (wobei damit immer die Frage geht: wie wollen wir unser Zusammenleben in einer gemeinsamen Gesellschaft gestalten).



            Wenn ich so etwas in meiner Heimatstadt organisieren wollte - und es wäre überhaupt kein Thema, eine Kirchengemeinde zu finden, die dafür ihre Räume öffnen würde -, wüsste ich im Vorhinein, dass bloß der Dunstkreis der üblichen Verdächtigen kommen würde, mit denen man sowieso einer Meinung ist.



            Vielleicht ist auch das Format Interreligiöser Dialog einfach unpassend, die Menschen anzusprechen. Ich bin in der Hinsicht jedenfalls gründlich desillusioniert.



            Und es fehlen mir immer noch die Beispiele, wo es funktioniert.

            • @Abdurchdiemitte:

              Besser verstanden, danke.



              Es "von außen" zu organisieren ist auch schwer, da geht wohl höchstens, zwei, drei Vertreter(innen) einzuladen und über die Medien zu hoffen, dass die Nachricht indirekte Wellen schlägt. Da sind es Rabbis und Imame, sind es andere wichtige Leute, die auch mal einander einladen, was ja auch teils geschieht, was einen kleinen Unterschied machen sollte.



              Als Jüdin oder Muslima sollte man laut vielen nicht jemanden aus der anderen Religion heiraten. Da werden die Gräben auch gezogen und bewacht. Es gab aber auch mal Zeiten, wo Katholiken und Evangelische nicht einmal miteinander spielen durften. Eine Prise Optimismus gibt es auch; und inhaltlich halte ich Judentum und Islam für fast näher verwandt als beide mit dem Christentum, auch da gäbe es eine Basis zum Starten.

              • @Janix:

                Übrigens kenne ich ein hier lebendes aserbaidschanisches Ehepaar (Akademiker), wo er Muslim, sie Jüdin ist. Während sie an der Gedenkveranstaltung zum 9. November teilnahm, beaufsichtigte er die sichtlich gelangweilten und quengelnden Kinder im Foyer des Veranstaltungsortes.



                Weil mir die Information über gemischte jüdisch-muslimische Ehen komplett neu war, mich absolut erstaunte und ich aber auch mehr über das Zusammenleben von Muslimen und Juden im Kaukasus erfahren wollte, versäumte ich es komplett, an der Gedenkfeier der hiesigen jüdischen Geneinde teilzunehmen, zu der ich mich eigentlich eingefunden hatte.



                Zufallsbekanntschaften.

  • Ich finde es sehr eigenartig, dass hier nirgendwo ein Video zu dem Vorfall verlinkt ist. Heutzutage finde ich skandalisierende Berichte über öffentliche Veranstaltungen ohne ein Video dazu eher unglaubwürdig, wenn dazu nicht wenigstens direkt mehrere Perspektiven dargestellt werden.

    Ein Redner verlässt keine Bühne, bloß weil im Publikum ein paar Leute herumpöbeln. Für derlei gibt es ja wohl Sicherheitskräfte.

    Sehr seltsame Geschichte.

    • @Matt Olie:

      Und wenn in einer Synagoge gar nicht gefilmt worden wäre? Oder sich alle auf die Veranstaltung einließen und keiner draufhielt. Ich weiß es nicht.

      Den Text der Rede finden Sie jedenfalls bei der FAZ. Im Artikel finden Sie oben den Satz "Nein, jemand von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt kam zu mir auf die Bühne und forderte mich auf, die Bühne zu verlassen." Das zu Ihrer These gerade.

    • @Matt Olie:

      Gibtces denn win Video?

  • Einen solchen Konflikt dem Leser in der Darreichnungsform eines Interviews zu vermitteln, halte ich für unangemessen und unzureichend. Weder in den Fragen noch in den Antworten erhält man wenigstens eine kurze neutrale Darstellung der Causa. Lediglich Hr. Prof. Stanley bekommt Gelegenheit, sich ausführlich zu rechtfertigen (wofür genau?).



    Deshalb hier ein Link mit ausführlicher Darstellung aus jüdischer Sicht (bzw. Sicht der Gemeinde), allerdings hier mit ausführlicher Zitation von Hr. Stanleys Redebeitrag:



    www.sprachkasse.de...frankfurt_stanley/



    Demnach sollte Hr. Prof. Stanley auf einer Veranstaltung zum Gedenken der Zerstörung der Frankfurter Synagoge sprechen. Es war keine (!) Vortrags- oder Diskussionsveranstaltung. Hr. Prof. Stanley war gebeten worden, aus seiner Familiengeschichte zu berichten, nahm dies offenbar zum Anlass, vor allem über die derzeitige Situation in Israel zu sprechen und bezeichnete dabei u.a. Israel als "Apartheid-Staat" u.s.w..



    Vielleicht macht dies die Reaktion von Seiten der Gemeinde etwas verständlicher.

    • @Vigoleis:

      Vielen Dank für den sehr aufschlussreichen Link! Wenn man die dort zitierten Auszüge der Rede liest, werden die Reaktionen auf jeden Fall verständlicher. Und ich wundere mich doch über die eher unkritischen Fragen in diesem Interview in der TAZ. Auch ich kannte den Blog nicht und habe gleich weitergelesen.

    • @Vigoleis:

      Danke für den Hinweis. Chajm Guskis blog kannte ich noch nicht.

    • @Vigoleis:

      "... Im Sinne dieser liberalen Ideale lehnen manche jüdischen Intellektuellen die Idee eines Staates ab, der auf Ethnizität, Rasse oder Religion basiert, auch wenn es unsere eigene ist. Andere verurteilen schlicht das Apartheid-System des Staates Israel und fühlen sich mit dem Schicksal des palästinensischen Volkes verbunden. Meine Eltern waren in dieser Frage tief gespalten. ..."



      Im Original nachlesen hilft. zeitung.faz.net/da...e/12/content/86514

      • @Janix:

        Und das ist klar wiedergegebene Position, indirekte Rede. Wenn Sie das auch nicht merkten.



        Und leider zumindest diskussionswürdig als Punkt, wenn mensch eben mit Buber, Arendt, Kant und universal hinsieht.

      • @Janix:

        Na dann waren die Veranstalter ja noch recht nett zu ihm. Das ist ja echt übel.

        • @katka-42:

          Gegen einen Ethnostaat und Apartheid zu sein ist "echt übel"?



          Interessant, was für Meinungen in Deutschland immer offener vertreten werden.

          (Und nur zur Erinnerung: Die Debatte um die Apartheid ist abgehakt. Der Internationale Gerichtshof hat entschieden. Alle israelischen Menschenrechtsorganisationen sind sich einig etc. Es gibt kein Recht auf Parallelrealitäten oder alternative Fakten, nicht einmal für Deutsche. Wer heute tut, als wäre die Apartheid in Palästina Meinungssache, macht sich mitschuldig und ist auch genauso zu behandeln.)

        • @katka-42:

          Was ist übel?



          Mir scheint die deutsche "Pro-Israelische" Position sollte sich einfach Mal andere Vorbilder als Netanjahu und seine faschistischen Minister suchen.



          Wär ein Anfang.

  • Erinnert mich an Omri Boehms abgesagte Rede in Buchenwald. Die hiesige Diskussionskultur ist völlig auf den Hund gekommen, kann man nicht anders sagen.



    Oder wie heißt es in einem anderen Artikel heute in der taz: Guter Jude - schlechter Jude.



    taz.de/Berliner-CD...daffaere/!6124395/

  • Hr. Stanley argumentiert differenziert, vieles würde ich teilen, wenn auch nicht alles. Jedenfalls hätte er wohl Überlegenswertes beizutragen gehabt.



    Etwas weniger Wagenburg und Unterstellung und längeres Zuhören vielleicht, an uns alle gewandt? Dass Stanley nie Juden in Deutschland für die Untaten Netanyahus in und um Israel haftbar machen wollte, sondern den Unterschied von Juden und Israel sogar klar versteht, scheint mir eigentlich klar.

    • @Janix:

      Naja, solange Sie nur die Sicht der einen Seite als die der "Guten" anschauen, werden Sie den Konflikt nicht begreifen. Es wäre schon der Mühe wert (oder minimal ein Zeichen von Respekt), auch die Gegenseite zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn es nicht passt.

      • @Vigoleis:

        Ineressant, dass Sie die Förderung nur an Janix richten, nicht aber an die Jüdische Gemeinde Frankfurt. Janix hat übrigens nichts über eine "Seite als die der 'Guten'" geäußert. Das ist eine Unterstellung von Ihnen. Bezeichnend, dass Sie den Text des Gemeindevertreters als "aus jüdischer Sicht (bzw. aus Sicht der Gemeinde)" bezeichnen. Hiermit setzen Sie "jüdische Sicht" mit "Sicht der Gemeinde" gleich und sprechen Jason Stanley damit eine "jüdische Sicht" ab. Den von Ihnen verlinkten Text lese ich übrigens als "Wer etwas sagt, was uns nicht passt, fliegt raus."

        • @Volker Scheunert:

          Die Veranstaltung war als Gedenken für die Zerstörung der Frankfurter Synagoge durch die Nazis im Speziellen und an die Opfer der Shoah im Allgemeinen gedacht Es sollte dazu das „El Male Rachamim“, ein jüdisches Gebet traditionell für die Verstorbenen, gesprochen werden. Es wird oft im Rahmen von Gedenkfeiern, insbesondere für die Opfer des Holocaust, rezitiert. Deshalb war der Versuch von Hr. Prof. Stanley, hier einen Diskussionsbeitrag zur jüdischen Schuld im aktuellen Nahostkonflikt vom Stapel zu lassen, zumindestens unsensibel und unpassend. Auch den Mitgliedern der Frankfurter Gemeinde sollte man das Recht auf Verletzlichkeit zugestehen.

          • @Vigoleis:

            Es ging Stanley nicht um "jüdische Schuld". Es ging ihm um jüdischen Humanismus.

          • @Vigoleis:

            Verletzlichkeit, kein Thema - aber einen Redner, den man selbst eingeladen hat, hinauszukomplimentieren, bevor er seinen Beitrag beenden konnte, sehr wohl...

          • @Vigoleis:

            Sie verwechseln ja immer noch israelisch und jüdisch, scheint mir, obwohl wir anderen uns die Fingerkuppen wund tippen. Stanley, wenn Sie seinen Text lesen, zieht aus dem jüdisch-universalen Gedanken, den er entlang seiner Familiengeschichte, der jüdisch-deutschen Geistesgeschichte aufbaut, den Schluss, dass es kompliziert ist und dass es jüdisch wäre, Antisemitismus zu benennen wie bei Israel eben auch hinzusehen.



            Arendt hat es als Muttersprachlerin besser ausdrücen können, doch auch Stanley ist wohl verständlich, wenn man die Blutdruckmittel genommen hat.

            • @Janix:

              Es gibt halt jüdische und / oder israelische Menschen, die aus ihrer Familiengeschichte oder der jüdischen Geschichte oder der Geschichte der Menschheit andere Schlüsse ziehen als Stanley.



              Und ihre zynische Bemerkung mit den Blutdruckmitteln können Sie sich echt sparen.

            • @Janix:

              Israel definiert sich selber als jüdischer Staat. Auch wenn Religion und Staat verschiedenes bezeichnen, die engen Beziehungen Israels zum Judentum lassen sich nicht so einfach weg denken.

              • @Rudolf Fissner:

                Da wäre ich auch bei Ihnen. Nur sind die meisten Juden auf der Welt keine Israeli und sind _nicht für Netanyahu verantwortlich.



                Israeli sind nicht zwingend Juden. Atheisten, Muslime, Christen, Bahai, was auch immer. Und die?



                Das Konzept eines ethnisch oder religiös definierten Staats ist in diesem speziellen Falle verständlich wie unverändert gefährlich. Was mache ich dann mit "anderen"? Rausmobben ist dann noch die harmlose Variante.



                Es wirkt wie eine Aporie.



                Aus der zwei Lösungen teils hinausführen könnten: Ein wirklich universal gestalteter Staat mit extrem guter Sicherung seine gesamten Menschen à la Omri Boehm.



                Oder zwei Staaten auf Basis der UN-Beschlüsse. Das Ende der Besatzung ist da der Schlüssel.

                Und ja, man kann diese Auswege auch Israel wünschen. Eine ganz andere Regierung auch, was aber dort gewählt wird, nicht hier.

              • @Rudolf Fissner:

                Danke, dass Sie darauf noch einmal hinweisen. ich bin es inzwischen leid.



                Man könnte die permanente Unterscheidung von Judentum und dem Staat Israel auch als argumentativen Trick lesen, der es gestattet Antiisraelismus zu verbreiten, ohne sich den Vorwurf des Antisemitismus einzuhandeln.



                Wie Sie schreiben, sind die Verhältnisse zu komplex, als dass sie sich "einfach wegdenken" ließen.

          • @Vigoleis:

            Stimme Ihnen bei Ihrer Betrachtung zu:



            „Deshalb war der Versuch von Hr. Prof. Stanley, hier einen Diskussionsbeitrag zur jüdischen Schuld im aktuellen Nahostkonflikt vom Stapel zu lassen, zumindestens unsensibel und unpassend. Auch den Mitgliedern der Frankfurter Gemeinde sollte man das Recht auf Verletzlichkeit zugestehen.“

            In einem Zeit-Kommentar kam der Autor ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Abbruch der Gedenkveranstaltung keinen Skandal darstellt, da Stanley den Rahmen verfehlt hat indem er von der Form her bei Kritik/Mahnung auf Seminarbetriebs Niveau unterwegs war statt passender zur Veranstaltung zu schreiben.

            Eine differenziertere Betrachtung, die problematisches Verhalten bei mehreren Akteuren – unter anderem Stanley und einem Teil des Publikums – berücksichtigt, scheint hier jedoch auf weniger Interesse zu stoßen. Janix z.b. miemt m.E. den Oberstudienrat oder Oberlehrer, gewohnt wenig „Lernfähig“ aber mit Sendungsbewusstsein.

            • @serious?:

              Ach, gehen wir öffentlich "miemend" ad personam, wenn es wehzutun droht?



              Er schrieb nicht, er sprach. Und zwar zum Tage, aus eigener familiärer Erfahrung, aus der langen und guten jüdisch-deutschen universalistischen Erfahrung heraus, benannte aus der US-jüdischen Tradition auch seine Sorge um offene Rede.



              Ich habe die Rede bei der FAZ noch frei lesen können und das kritisch geprüft. Er hat die indirekte Rede markiert. Ich muss da gar nicht alles von ihm inhaltlich teilen. Ich verurteile keine Erregten, halte nur eine professionelle Veranstaltungsregie für etwas ganz anderes.



              Ich freue mich aber über die verbliebenen differenzierenden Stimmen. Ich höre zu, das hilft beim Lernen, habe ich mal gehört.

      • @Vigoleis:

        Meinen Sie mich? Wo schrieb ich das gerade? Unterstellungen mag ich nicht, mag wohl keine(r) hier im taz-Forum.



        'Uns alle' schließt mich ein und Sie und ganz viele andere auch.

        Bleiben Sie da vielleicht gerade ruhig bei sich. Ich habe auch z.B. Wolffsohn und Herzl gelesen. Ich könnte auch sofort eine Netanyahu-Rede abfassen. Kennen Sie die Pappé-Bücher oder Asseburg, haben Sie mal bei der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft vorbeigeschaut? Welche Rede würden Sie Hrn. Abbas schreiben?



        Auch Stanley lässt sich nicht vereinnahmen, scheint mir und behält universale Maßstäbe bei, die er eben auch bei Israel anlegt. Natürlich gibt es da inzwischen leider Apartheid-Elemente.

        So simpel das wäre, gibt es "die Gegenseite" ansonsten gar nicht. Es ist nicht Likud oder Hamas und sonst nichts. Für mehr die Bundeszentrale für politische Bildung o.ä., die Zeichen sind begrenzt, und ich schrieb das auch schon größtenteils, mit Verlaub.

  • Vielen Dank Jason Stanley. Es bestärkt meinen Glauben daran, dass nicht alle jüdische Mitmenschen in einen Topf geworfen werden dürfen. Es gibt genügend Juden, die das was Israel mit den Palästinensern dank Unterstützung von Deutschland und von Trump "von der Leine gelassen" als Genozid betrachten. Israel führt gerade die Todesstrafe gezielt nur für Palästinenser ein. Israel ist der erste demokratische Völkermordstaat. Und das muss immer und überall klar gesagt werden, um unserer Verpflichtung aus der Volkermord-Charta gerecht zu werden. Dass deutsche Juden Israels Taten unterstützen ist unglaublich aber wahr.

    • @Dr. We Franziskus:

      Stanley hat in seiner Rede weder den Begriff des Genozids noch den des Völkermordes gebraucht, auch nicht der Sache nach. Das sind Ihre ureigenen Zuspitzungen, um nicht zu sagen, Verdrehungen.

  • Vielen Dank für dieses Interview. Darin findet sich sehr viel davon, was einen verzagt, traurig und fassungslos machen kann in diesen Tagen. Dass es Journalisten gibt, die danach fragen, und Betroffene wie Herrn Stanley, die bereit sind, Auskunft zu geben, gibt wiederum Hoffnung. Ich finde auch toll, dass die Jüdische Gemeinde Frankfurt diese Einladung ausgesprochen hatte und wünsche mir, dass sie dazu steht. Die Einladung rückwirkend als Fehler zu bezeichnen, ist eine kümmerliche Entscheidung. Eine Entschuldigung wäre stattdessen angebracht gewesen, weil man für die Sicherheit des Redners und eine ordentliche Aussprache nicht gesorgt hat. Für eine Entschuldigung und eine (öffentliche?!) Aussprache ist es sicherlich nicht zu spät, man müsste nur für die Sicherheit garantieren und es mit der gegenseitigen Wertschätzung trotz Differenzen ernst meinen.

    • @gleicher als verschieden:

      Leider oder bezeichnenderweise zitiert die TAZ ja die eigentliche Rede nicht sondern gibt hier nur der Selbstdarstellung von Prof Stanley Raum. In der FAZ ist die Rede inzwischen komplett lesbar und das er Entrüstung geerntet hat, finde ich nach der Lektüre jetzt nicht so überraschend. Scheinbar hatte er eine völlig falsche Vorstellung von der Zusammensetzung seiner Zuhörerschaft.

      • @Šarru-kīnu:

        Wer sein Judentum liberal-universal-offen sieht, wird Stanley zustimmen und klatschen. Wer traditionell-orthodox wäre, würde den nationalzionistischen Staat ohnehin keineswegs verteidigen, sondern auf das Kommen des Messias vertagen wollen. Wer allerdings eine Art neues Nationaljudentum um Israel herum vertritt, vor dem schon Arendt scharf warnte, der könnte buhen.

        Doch eigentlich geht es im Text doch um die Sorge um ein offenes liberales universal-menschliches Klima, in dem jüdisches Leben immer am besten gedeihen konnte.



        Stanley nennt auch Buber. Und verwendet auch mal indirekte Rede, die aufmerksame Zuhörer als solche erkennen und als intellektuelles Werkzeug vielleicht sogar schätzen: Das Einerseits-Andererseits aushalten.

        • @Janix:

          Aha, im offenen liberalen universal-menschlichen Klima kann jüdischen Leben immer am besten gedeihen. Das dachten die Juden in Deutschland vor und leider auch nach 1933 auch, bis es zu spät war.



          Wirklich gedeihen konnte jüdisches Leben seit über 2000 Jahren Antisemitismus fast nirgends.



          Es gab einen verhältnismäßig kurzen Abschnitt im islamischen Mittelalter und auch da nicht überall.



          Es gab und gibt die USA, dort dürfte es mit dem Gedeihen auch allmählich zu Ende gehen.



          Und Israel, wie bedroht auch immer.

        • @Janix:

          Ich fürchte, es gibt nicht wenige Leute, die indirekte Rede nicht erkennen und somit auch Aussagen in Stanleys Rede nicht verstanden haben dürften.

      • @Šarru-kīnu:

        Ja, er hatte wahrscheinlich ein jüdisch-amerikanisches Publikum im Sinn, als er die Rede hielt. Dort ist innerhalb der jüdischen Community das Meinungsspektrum bzgl. Israel und dem Zionismus viel breiter aufgestellt als im Verbands-Judentum hierzulande.



        Eine mögliche Erklärung für diesen Skandal … skandalös haben sich allerdings diejenigen verhalten, die meinten, den Gedenkredner niederbrüllen zu müssen.



        Von den Offiziellen der Frankfurter Gemeinde hätte ich erwartet, sicherzustellen, dass Herr Stanley seine Rede ruhig beenden kann. Das war aber auch sein einziger „Fehler“ in dieser Sache.



        Man hätte im Anschluss an die Gedenkfeier sicherlich noch ein Diskussionsformat gefunden, den Unmut innerhalb der Gemeinde aufzugreifen und die unterschiedlichen Standpunkte (wohl auch die dahinterstehenden emotionalen Befindlichkeiten) auszutragen … professionelle Moderation vorausgesetzt.

      • @Šarru-kīnu:

        Inwiefern? Er hat zu Juden gesprochen, das war ihm auch klar.

        • @Francesco:

          Wir wir alle ja wissen sind weltweit Juden ein monolithischer Block nicht wahr?



          Wenn eine jüdische Gemeinde mit vielen Mitgliedern mit Repressionsgeschichte aus Osteuropa in Deutschland an die Progrome der Nazizeit erinnern will, passt vielleicht eine Rede geschrieben für jüdische Liberale und Studenten aus New York nicht ganz ins Bild? Wieso müssen sich Juden ausgerechnet in Deutschland ständig Belehrungen zum Nahostkonflikt anhören? Was hat das Thema dann auch noch an so einem wichtigen Gedenktag zu suchen? Wäre der Redner Deutscher gewesen würde ich das selbst schon als unverschämt empfinden. Der Herr Professer kannte scheinbar weder die Feinheiten der deutschen Debatte noch die Zusammensetzung und Erwartungshaltung der Gemeinde die ihn eingeladen hat. Nur so kann erklärt werden warum er scheinbar total überrascht von der erwartbaren Reaktion gewesen ist.

          • @Šarru-kīnu:

            Stanley hat vielleicht einen engeren Bezug zur Reichspogromnacht und dem Holocaust als viele der Zuhörer. Und sein Thema war nicht der Nahostkonflikt, sondern das Judentum.

            • @Francesco:

              Ein 1969 in Syracuse geborerener US-Amerikaner hat mehr Bezug zum Holocaust als in Deutschland lebende Juden? Extrem steile These würde ich mal sagen.



              Er war eingeladen um über die Erfahrung seiner Familie in der Reichsprogromnacht in Deutschland zu sprechen auf einer Gedenkveranstaltung zu diesem Tag. Die Rede ist ja in der FAZ nachzulesen. Mein Prof hätte mir das früher mit Thema verfehlt 0 Punkte zurückgegeben.

      • @Šarru-kīnu:

        Ein Link zur Rede wäre sicher sinnvoll gewesen. Dann kann man nachlesen, wenn man möchte.



        Ohne die Rede bisher gelesen zu haben gehe ich aktuell davon aus, dass seine Eltern und Großeltern, wenn sie im Publikum gesessen hätten, sich würdig vertreten gefühlt hätten.



        Ritualisierte und fossilisierte Erinnerungskultur kann doch keine/r wollen bzw. wird doch jetzt überall kritisiert.



        Jetzt hat man schon mal einen echten Menschen und der darf aber nicht so an seine Verwandten erinnern, wie er sie wahrgenommen hat.



        Da könnte man besser gleich vorgefertigte Texte verlesen lassen, am besten von Menschen die den angeblich gebührenden neutralen Abstand haben.

    • @gleicher als verschieden:

      Der Vorgang selbst, wie oben beschreiben, ist bedenklich. Ich bin mir hinsichtlich der Einordnung nicht sicher. Zeigt das Verhalten eher das Ausmaß der Panik, die ein Hinterfragen einer irgendwie gearteten Wagenburgmentalität bei zugegeben nicht einfachen Zeiten nicht zulässt oder eher das Ausmaß der gefühlten Bedrohung in Bezug auf den Verlust der bisher eingeforderten und empfundenen Meinungsführerschaft in den eigenen Reihen. Leider gibt das gezeigte Verhalten des jüdischen Gemeindeführung nach der Veranstaltung auch keinen Hinweis für eine mögliche Unterscheidung.

      • @e.a.n:

        Ich verstehe Ihre Einordnung, glaube aber nicht dass Stanley in eine ,Wagenburg‘ hineinwollte oder eine ,Meinungsführerschaft’ unterwandern.



        Er selbst kann uns nur sagen, ob er da ,subversive‘ Absichten hatte. Erst mal gehe ich aber davon aus, dass er an seine Familie, an den Holocaust erinnern wollte, verknüpft mit Mahnungen.



        Diese Mahnungen werden von Kommentatoren als ,paternalistsch‘ kritisiert, was eine, wenn auch nicht filmisch belegte, Überreaktion des Publikums aus Sicht mancher rechtfertigte oder zumindest nachvollziehbar machte.



        Entgegen meiner obigen Darstellung gehe ich jetzt aber nicht mehr davon aus, dass eine wieauchimmer gestaltete Anhörung oder Aufarbeitung etwas bringen würde. Ich würde auch bei so einer Veranstaltung nicht mehr dabei sein wollen. Dass ich hier überhaupt meinen Senf dazu abgegeben habe, bereue ich inzwischen. Es heißt am schlimmsten sei das Schweigen, aber aus dem Schweigen ausbrechen bringt nur Vorhersagbares, keine Annäherung.