Streit über Loveparade-Katastrophe: "Größenwahn und Inkompetenz"
Die FDP bezichtigt NRW-Innenminister Jäger der Täuschung im Vorfeld der Loveparade. OB Sauerland bleibt unbelangt, muss aber seine Abwahl fürchten.
DÜSSELDORF taz | Die Katastrophe bei der Duisburger Loveparade vor rund zehn Monaten sorgt weiter für heftigen Streit im Düsseldorfer Landtag. In einer aktuellen Stunde warf die Opposition Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) Trickserei und mangelnde Offenheit vor. Jäger wies die Vorwürfe zurück.
Offenbar habe es bei der Polizeiführung und -planung schwerwiegende Fehler gegeben, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP, Horst Engel. Das habe Jäger stets bestritten und deswegen "eiskalt und berechnend getäuscht, getarnt, geschönt und getrickst". Die Linkspartei-Abgeordnete Anna Conrads warf der Polizeiführung vor, sie sei offenkundig "sehenden Auges in die Katastrophe gerannt". Beide erneuerten ihre Forderung nach Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Das lehnen jedoch SPD, Grüne und CDU bislang ab.
Die Fassungslosigkeit darüber, dass niemand die Verantwortung für die Katastrophe vom 24. Juli 2010 übernommen habe, könne er nachvollziehen, sagte Jäger. Er habe nie behauptet, dass es nicht auch Fehler bei der Polizei gegeben habe. Aber es gebe "weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Anhaltspunkte für eine dienstpflicht- beziehungsweise sorgfaltswidrige Ablösung der Polizeikräfte", sagte er mit Blick auf einen Schichtwechsel der Polizei während der "heißen Phase".
16 Beschuldigte
Anlass der aktuellen Stunde war ein Bericht des Spiegels, in dem aus dem bisher vertraulichen Ermittlungsbericht der Duisburger Staatsanwaltschaft zitiert wird. Darin wird bestätigt, was bereits unmittelbar nach dem "schwarzen Samstag" offensichtlich war: Eine fatale Mischung aus Größenwahn, Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit hat zu der Tragödie geführt, bei der 21 Menschen ihr Leben verloren.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen 16 Beschuldigte. Neben dem Ordnungsdezernenten Wolfgang Rabe (CDU), dem Baudezernenten Jürgen Dressler (SPD) und neun weiteren Mitarbeitern der Stadtverwaltung sind darunter vier Beschäftigte des Veranstalters Lopavent sowie der leitende Polizeidirektor Kuno K. Mit einer Anklageerhebung ist frühestens 2012 zu rechnen.
Außen vor bleiben bislang Lopavent-Geschäftsführer und McFit-Chef Rainer Schaller sowie Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU). Ihnen kann offenkundig juristisch strafbares Handeln nicht nachgewiesen werden. Was bleibt, ist ihre moralische und politische Verantwortung. Für Sauerland könnte es jetzt noch einmal ungemütlich werden.
Ein erstes Abwahlverfahren gegen ihn scheiterte im September 2010 an der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Stadtrat. Doch am Mittwoch hat der Landtag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei per Gesetzesänderung den Weg für die direkte Abwahl eines Stadtoberhauptes freigemacht. Jetzt planen Duisburger Bürger einen erneuten Anlauf.
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