Streit über Kolumne zur Polizei: taz will mit Seehofer in Polizeischule

Der Innenminister will taz-Autor_in Yaghoobifarah nicht anzeigen. Chefredakteurin Barbara Junge kritisiert, Seehofer habe für die Entscheidung zu lange gebraucht.

Bundesinnenminister Horst Seehofer bei einer Pressekonferenz

Hat sich dann doch noch für die Pressefreiheit entschieden: Horst Seehofer Foto: Markus Schreiber/ap

BERLIN epd/dpa/taz | Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verzichtet auf die angekündigte Strafanzeige gegen taz-Mitarbeiter_in Hengameh Yaghoobifarah. Das teilte das Innenministerium am Donnerstag in Berlin mit. Yaghoobifarah hatte sich in ihrer Kolumne zuvor abwertend über Polizist_innen geäußert. Seehofer will nun mit der taz-Chefredaktion über die umstrittene Kolumne sprechen und sich an den Presserat als Selbstkontrolle der deutschen Presse wenden.

Chefredakteurin Barbara Junge sagte zur Entscheidung Seehofers am Donnerstag: „Die Ankündigung einer Anzeige gegen unsere Autor_in war ein massiver Einschüchterungsversuch und ein beschämender Angriff auf die Pressefreiheit. Es ist bezeichnend, dass der Bundesinnenminister für eine solche Erkenntnis vier Tage gebraucht hat.“

Junge ging auch auf die Einladung ein, die Seehofer an die taz-Chefredaktion ausgesprochen hatte, über die Wirkung des Textes zu sprechen. „Die taz führt gerade eine leidenschaftliche Diskussion über Rassismus und Polizei und den journalistischen Umgang damit. Dass sich der Bundesinnenminister daran beteiligen möchte, begrüße ich.“

Dem von Seehofer dafür vorgeschlagegenen Ort erteilte Junge eine Absage. „Ich halte aber das Bundesinnenministerium nicht für den richtigen Ort für dieses Gespräch und schlage einen gemeinsamen Besuch der Polizeischule in Eutin vor, die ihrem Rassismusproblem in den eigenen Reihen begegnet, indem sie sich dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ angeschlossen hat.“

Mehrfach vertagte Entscheidung

Seehofer hatte am Donnerstagmorgen mitgeteilt, er wolle nicht – wie angekündigt – Anzeige wegen der umstrittenen Kolumne erstatten. Er wolle sich an den Presserat wenden, der als Selbstverwaltungsorgan der Presse ethische Standards der Berichterstattung prüft und Beschwerden entgegennimmt.

Der Presserat hat bereits ein Verfahren gegen die taz wegen der umstrittenen Kolumne eingeleitet. Grundlage für die Einleitung des Verfahrens am Mittwoch seien bis dahin 340 vorliegende Beschwerden gewesen. Damit ist nun auch klar, dass ein Beschwerdeausschuss des Rates über den Fall berät, voraussichtlich am 8. September.

Seehofer bekräftigte derweil seine Einschätzung der Kolumne als strafwürdig. „Schließlich bin ich der Auffassung, dass mit der Kolumne durch die menschenverachtende Wortwahl auch Straftatbestände erfüllt werden.“ Dazu lägen bereits Strafanzeigen vor: „Die Delikte sind teilweise bereits durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen zu prüfen.“

Der Minister betonte auch: „Mir geht es bei der von mir angestoßenen Diskussion nicht um Strafverfolgung einer Person und schon gar nicht um einen Eingriff in die Pressefreiheit.“ Er ergänzte: „Mir geht es im Gegenteil darum, dass wir dringend eine gesellschaftliche Diskussion darüber führen müssen, wie wir in dieser Gesellschaft miteinander umgehen und wo die Grenzen einer Auseinandersetzung sind.“

Die polizeikritische Kolumne der Journalist_in war Anfang vergangener Woche in der linken Tageszeitung taz erschienen. Darin ging es um ein Gedankenspiel, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht. Zum Schluss hieß es in dem Text: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“

Seehofer hatte am Sonntag in der Bild-Zeitung angekündigt, die Autor_in am Montag wegen einer polizeikritischen Kolumne anzuzeigen, dies dann aber doch nicht getan und weitere Prüfungen angekündigt. Er stellte auch eine Verbindung zwischen dem Text und den gewalttätigen Krawallen in Stuttgart am Wochenende an. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach nach Angaben von Regierungssprechern mehrfach mit Seehofer über das Thema.

Die stellvertretende Chefredakteurin der taz begrüßte am Donnerstag Seehofers Verzicht auf eine Anzeige. „Gut, dass Horst Seehofer nun doch keine Anzeige gegen unsere Autor_in erstattet“, schrieb Katrin Gottschalk auf Twitter. „Für alle anderen, die weiterhin ihr Glück versuchen wollen: Unser Presserechtsteam steht nach wie vor an der Seite von @habibitus.“ Habibitus ist das Pseudonym der Kolumnist_in und ihr Name auf Twitter.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.