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Streit im Likud-Block stärkt Schamir

■ Eklat über Umgang mit Intifada / Industrieminister Scharon tritt wegen „allzu kompromißbereiter Politik“ zurück / Tumulte und Geschrei auf Parteitag / Arbeiterpartei will Koalition fortsetzen

Tel Aviv (dpa/afp/taz) - Eine politische Bombe hatte der israelische Industrieminister Ariel Scharon auf dem Likud -Parteitag platzen lassen, als er am Montag abend überraschend seinen Rücktritt ankündigte. Die vehemente Kritik des Rechtsaußen an der seiner Ansicht nach „allzu kompromißbereiten“ Nahostpolitik des Likud und die Antwort von Regierungschef Jizchak Schamir führten auf dem Parteitag zu tumultuarischen Szenen, an deren Ende Schamir unter Beschimpfungen und mit starker Bewachung den Saal verlassen mußte.

Doch wenige Stunden später stand bereits fest, daß Scharon mit seiner demonstrativen - und wohl eher taktisch gemeinten - Rücktrittsdrohung falsch kalkuliert hatte: Einige seiner besten Freunde ließen ihn im Stich, und Vizepremierminister David Levy scheint gar ins andere - Schamirs - Lager übergewechselt zu sein, angeblich aufgrund eines Versprechens auf eine einflußreichere Stellung in Partei und Regierung.

Der Gewinner der Schlammschlacht bei der zweitägigen ZK -Sitzung des Likud-Blocks in Tel Aviv scheint der zunächst ausgebuhte Schamir zu sein, der nun bessere Möglichkeiten hat, die Oppositionsgruppe Scharon-Levy-Modal zu brechen. Möglicherweise soll Scharon nun auch noch von seinem Amt als Vorsitzender des Zentralkomitees des Likud-Blocks verdrängt werden.

Ariel Scharon hatte verkündet, er gebe sein Amt auf, um außerhalb der Regierung seinen „Kampf für nationale Ziele“ fortzusetzen, die „durch die gegenwärtige Politik gefährdet sind“. Die Regierung unter Schamir verfolge eine Politik, die zur Gründung eines palästinensischen Staates führen würde.

Scharon, einer der militärischen „Helden“ des Yom-Kippur -Krieges 1973, war seit 1977 Minister in verschiedenen Koalitionsregierungen und als Verteidigungsminister die treibende Kraft hinter Israels dreijährigem Libanonfeldzug. Im Februar 1983 mußte er wegen des Massakers christlicher Falangisten in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila von diesem Amt zurücktreten.

Rechtsextremere Parteien und die Lobby der Siedler hoffen jetzt, daß Scharon die Führung einer breiteren Oppositionsfront „zur Erhaltung Groß-Israels“ übernimmt, sobald er einsieht, daß er im Likud in absehbarer Zeit kaum Aussicht auf Macht hat. Es besteht allerdings immer noch die Möglichkeit, daß Scharon seinen innerparteilichen Gegnern im Likud einen Strich durch die Rechnung macht und seine Rückkehr in die Regierung - wo ihn niemand mehr haben will „arrangiert“: Er könnte zum Beispiel darauf bestehen, daß sein Rücktrittsschreiben an Schamir rechtlich ungültig ist, weil der Ministerpräsident vorher nicht mündlich von der Absicht seines Industrieministers unterrichtet worden war, wie es das Gesetz fordert.

Hoffnung auf Dialog

mit Palästinensern

Ohne Scharon im Kabinett hat Premierminister Jizchak Schamir jetzt bessere Chancen seine große Koalition weiterzuführen und eine Formel zu finden, die den „Friedensprozeß“ am Leben hält. Die Arbeiterpartei jedenfalls hat nach dem Likud-Eklat bereits beschlossen, in der gemeinsamen Regierung zu bleiben - in der Hoffnung auf einen Dialog mit den Palästinensern. Auch bei Israels wichtigstem Verbündeten, den Vereinigten Staaten, wurde der überraschende Rücktritt Scharons gestern positiv aufgenommen.

wollin

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