piwik no script img

Streit der WocheEin Lamm als Präsident der Wölfe

Friedensnobelpreisträger Obama schickt mehr Soldaten nach Afghanistan und enttäuscht viele mit seiner Klimadiplomatie. Ob man noch für Barack Obama schwärmen darf, bleibt umstritten.

Löst Obama noch Begeisterung aus? Bild: reuters

BERLIN taz | Ein Jahr nach seiner Wahl wird nicht mehr so euphorisch über Barack Obama geschrieben und berichtet. Besonders umstritten war seine Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis, die er am 10. Dezember annahm. „Zu früh“, sagte sogar der Dalai Lama. Das Schwärmen für Obama scheint vorbei zu sein. Im „Streit der Woche“ der sonntaz sieht die US-Amerikanische Geschichtsprofessorin, Dagmar Herzog, den Grund dafür in Obamas Kompromissbereitschaft.

„Obama wiegte sich in der Hoffnung, er könne die Hand über Parteigrenzen ausstrecken und sie wird dankbar angenommen. So ist es nicht gekommen“, argumentiert Herzog. Was auch immer Obama vorschlage, werde als nazistisch oder sozialistisch diffamiert. „Weil Republikaner den Ton angeben, bewegt sich Obama immer weiter nach rechts.“

Der Antirassismus-Aktivist Yonas Endrias hingegen findet die Ansprüche, die an Obama gestellt wurden, zu hoch. „Wir tun Obama Unrecht, wenn wir ihn an unseren Träumen und Sehnsüchten messen“, schreibt Endrias in der sonntaz. „Er ist nun mal Präsident der USA und allem was dazugehört: Wall Street, Military Industrial Complex, Ku-Klux-Klan. Er ist wie ein Lamm, das plötzlich Präsident der Wölfe geworden ist. Kein Grund zu schwärmen.“

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in sonntaz vom 12./13. Dezember 2009- zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.

Doch unter den Umständen habe Obama vieles Erreicht und man dürfe ruhig weiter für Obama schwärmen, meinen seine Unterstützer. „Obama muss vieles gleichzeitig lösen und auf alle politisch Rücksicht nehmen“, argumentiert die Friedensaktivistin Eva Quistorp. „Er spricht sich für kooperatives Handeln aus und gegen Finanz-, Klima- und Menschenrechtskrisen. Und Afghanistan ist eine komplizierte Sache – da möchte ich die Wahrheit nicht pachten.“

Andere betonen den Unterschied zu der vorherigen Regierung unter George Bush. „Der Schaden, den Bush angerichtet hat ist riesengroß“, meint die Entertainerin Gayle Tufts. „Zum Glück haben die Amerikaner diese Lottomentalität – Obama, ein Supergewinn, yes we can.“

Im Streit der Woche kommen außerdem Friedensaktivistin Eva Quistorp, Heinrich Böll Stiftungsvorstand Barbara Unmüßig, Menschenrechtler Elias Bierdel, die ehemalige Grünen-Politikerin Angelika Beer und taz.de-Leser Boris Schlensker zu Wort.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • S
    Sonja

    Obama kann schließlich nichts dafür, dass ihm der Nobelpreis verliehen wurde. Aber vielleicht hätte er ihn ablehnen sollen, weil er ihn nicht verdient.

     

    (Als Mensch vielleicht schon, aber sicher nicht als Präsident eines Landes, dass sich faktisch in einem Krieg befindet, der nicht im eigenen Land stattfindet und der sicherlich kein Verteidigungskrieg ist.)

     

    Das wäre wahre Größe gewesen, diesen Preis abzulehnen.

     

    Über seine Politik zu urteilen ist schwer. Er hat auf jeden Fall schwer zu kämpfen im eigenen Land und muss viele Zugeständnisse machen, um überhaupt ein Quäntchen seiner ursprünglich Ziele zu erreichen.

     

    Ansonsten ist er eben ein Amerikaner, das sagt Alles. Nobody is perfect!

     

    Und schwärmen sollte mensch wirklich für Niemanden, der zum Amerikanischen Präsidenten gewählt wurde.

  • M
    marleen

    also schwärmen ist vllt etwas übertrieben,aba man kann ihn auf ejden fall noch gut finden!

    1. für den friedensnobelpreis kann er ja nicht er wudre ihm halt verliehen,was hätte er denn machen sollen?ihn nicht annehmen? (wäre ja auch ein eklat geworden)

    2. die welt hat viel zu hohe erwartungen an ihn,bush hat im ja schliesslich viel chaos hinterlassen u dann noch der krieg u die weltwirtschaftskrise

    3. er hat schon einige gute dinge getan u steht für gute dinge,das er die manchmal nicht umsetezn kann liegt eig immer an den repuplikanern

    4. die amerikaner sind ein undankbares völckchen dennen man es nicht recht machen kann,zB das mit der gesundheitsreform die er machen will (jeder us bürger bekommt ne krankenversicherung,was in deut u in fast allen westlichen ländern standart ist) is ja eig ne sehr gute sache,aba statt das sich die amis freuen das bald jeder ne krankenversicherung hat u es ihnen sozial dann besser geht,wird er als hitler oder sozialist beschimpft,was sich im übrigen auch noch wiederspricht,aba die amis sind halt nich die hellsten!

    5. klar macht er nicht alles richtig,manche dinge sind nicht ok,aba was kann man denn erwarten,er ist auch nur ein mensch u die erwartungen waren von anfang an zu hoch,aba an vielem was er nicht verwirklichen kann sind halt echt die repuplikaner schuld,ausserdem ist es immer noch amerika mit den üblichen prob von ghettos u strasenkäpfen u rassenfragen u patriotismus9/11 usw amerika ist halt in dem sinne kein gutes land (ich wöllte da net leben) u da muss er halt in den möglichkeiten bleiben,ich finde diesen nervigen patriotismus (den obama manchmal auch an den tag legt auch etwas ätzend) aba es ist amerika die sind so patriotisch da muss er so sein,er ist halt auch nur ein ami!

    6. er sit auf jeden fall besser als palin oder mccain oder bush usw.

    7.man kann es nie allen recht machen (und den amis schon gar nicht)!

  • DG
    Dirk Gober

    @Fritz: "Der Kampf gegen die Japaner aus vergleichsweise nichtigem Anlass..."

     

    Millionenfacher Völkermord an den Chinesen und die Versklavung weiter Teile Asiens sind ein "vergleichsweise nichtiger Anlass"? Kennen Sie lediglich die Geschichte nicht oder welcher (wahlweise und je nach Opportunität) brauner/roter/grüner Organisation entstammen Sie denn?

  • V
    v.b.

    Obama ist für mich nur eine schillernde Seifenblase welche auch nur die Interessengruppen der Wallstreet vertritt. Also das gleiche Spiel wie vorher nur mit einer schöneren Fassade.

     

    "Die Obama Taeuschung" ein interessanter Film von den Machern von u.a. "Endgame".

  • HM
    H. Martin

    Schwärmen darf man für wen man will. Allerdings habe ich noch nie verstanden, warum jemand für Barack Obama oder den Dalai Lama schwärmt. Beide stehen nicht für humanistische Werte.

  • F
    Fritz

    Wem der Tiergarten noich nicht gereicht hat, dem ist eh nicht zu helfen. Bush war schmuddelig, Obama ist offen zynisch. Ansonsten hatr sich in der Aussenpolitik nicht viel geaendert. Auch wenn man mit der Pax Amerikana ganz gut leben kann, ist eine eher harmlose Kritik daran, selbst wenn man Pearl Harbour mit einrechnet, doch noch keine Hitlerei. Der Kampf gegen die Japaner aus vergleichsweise nichtigem Anlass ist das bessere Layout. Amerikanische Ehrenmorde und die Bundeswehr macht da demnaechst mit beinahe sicherem neuem Mandat gerne mit, schon um das eigene Gesicht zu wahren. Die unsinnigsten Anlaesse werden doch noch hoffaehig, Saddam und Blair. Wird ein grandioses Scheitern die vergeblichen Muehen der Vergangenheit adeln? Preussen 1806.

  • SL
    Sigrid L. Kunkel

    Warum eigentlich überhaupt für Obama schwärmen? Obama ist nicht Gott. GEGEN DIE VERPUBERTIERUNG DER POLITIK!

  • LD
    Lamm der Lämmer

    Eigentlich müsste doch der Dalei Lamma den Preis kriegen, aber den könnte er sich höchstens noch selbst verleihen.

  • H
    Hagbard

    Darf man noch für Obama schwärmen?

     

    Ich habe ehrlich gesagt noch nie verstanden, warum man für ihn schwärmen kann. Was hat er denn gutes getan?

    Hat er irgend ein Wahlversprechen gehalten, außer mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken?

    Es gibt noch Guantanamo und in all den anderen Foltergefängnissen sitzen auch weiter „Terroristen“ ein. Kernwaffen wird es ebenso noch lange geben, trotz Vorschussloorbeeren. Im Moment ist Obama vielleicht gerade damit beschäftigt, die guten Kontakte zur Wallstreet zu pflegen, die er zB. vor der Wahl so vehement verurteilt hat.

    Und der Afghanistankrieg, „sein Krieg“ wie er zu sagen pflegt: steht längst auf verlorenem Posten. Seine Militärs verlangen nach immer mehr Truppen. Und er, wie auch wir Verbündeten schicken bereitwillig mehr Kampftruppen in „seinen Krieg“. Gerade erst sprach der afghanische Präsident von der Notwendigkeit der Besatzungstruppen bis 2024, ... dieser alte Opiumbaron, würde ihm wohl so passen. Aber ob der Krieg bis dahin finanzierbar bleibt?

    Gerade wo doch zur Zeit die Wirtschaft nicht so tut wie sie soll – die dräuende Inflation zu Hause ist nur noch ein offenes Geheimnis.

    Selbst die Bundeswehr gibt in Obamas unseeligem Krieg jährlich mehr als 450 Millionen Euro aus, die USA sogar pro Monat mehr als 3 Milliarden. Und jeden Tag sterben unschuldige Menschen, Frauen, Kinder. Für eine Lüge: die Jagd nach Al Quaida Terroristen. Dabei sind die längst nach Pakistan übergesiedelt, wenn es sie überhaupt je gab. Aber der Krieg geht weiter denn Frieden und Freiheit für die Afghanen zählt nur wenig, weit weniger jedenfalls als der freie Zugang zu der Region. Mädchenschulen werden jedenfalls schon lange nicht mehr gebaut. Und wenn doch, dann nur wenn sich das Militär davon fernhält.

    Gibt es hier, beim wichtigsten Thema von Obamas Außenpolitik also gutes zu berichten? Kaum.

    Ganz zu schweigen von den Zumutungen, die Obama dem Rechtsstaat USA im inneren zugefügt hat. Er hat nicht etwa das Ruder wieder rumgerissen, das Bush nach dem elften September in Richtung Überwachungsstaat –und Überwachungsimperium– gedreht hat. Im Gegenteil, er hat genau dieselbe Richtung eingeschlagen, mit Volldampf voraus.

    Und weil er so schön lächelt und so nett was von Frieden und Gerechtigkeit verspricht scheinen die Menschen ihm mehr zu glauben, jedenfalls weit mehr durchgehen zu lassen, als seinem Vorgänger Bush. Und dabei war der schon schlimm genug.

    Da soll man für den Kriegspräsident mit dem Friedenspreis ins schwärmen kommen? Eher nicht.

    Weit mehr würde ich ins schwärmen kommen, wenn ihm auf der internationalen Bühne mehr diplomatisches Gewicht entgegen gebracht würde, im echten Sinn für Demokratie und Menschenrechte. Das würde unserem Außenwelle gut zu Gesicht stehen, und unserem Gutenbergele, und der unglücklichen Galeonsangela.

     

    Obama hat vielleicht noch eine einzige Chance, wirklich als großer Staatsmann, als Humanist und Friedenspolitiker in die Geschichte einzugehen. Diese Chance hat er in Kopenhagen. Wenn es ihm wider bange Erwartung gelingen sollte die Staaten der Welt auf einen verbindlichen Emissionsplan einzuschwören, inclusive funktionierender Sanktionen und solidarischer Hilfe der Industriestaaten für die Krisenländer, dann hat er wirklich einen Orden verdient. Aber erst dann.

     

    Und dafür muss er das erstmal wollen. Dabei bleibt fraglich, nicht zuletzt wegen seiner besonders guten Verbindungen zu Großkapital und Wirtschaft, ob er einen so scheinbar radikalen und schweren Schritt tatsächlich gehen will. Man muss es wohl leider kommen sehen, dass Obama die letzte Gelegenheit, das Klima vor einer hausgemachten Katastrophe zu retten verstreichen lassen wird.

     

    Aber schön lächeln wird er dann immernoch. Und „sein Krieg“ wird uns auch noch lange genug beschäftigen. Friedenspreis hin oder her.

  • V
    vic

    Ich bin derselben Meinung wie Yonas Endrias.

    Natürlich war ich damals sehr erleichtert, dass Bush verschwindet, natürlich habe ich auf den Wahlsieg Obamas gehofft. Angesichts der Alternative McCain/Palin fiel das nicht schwer.

    Aber ich habe bereits damals darauf verwiesen; letztlich wird auch er nur ein anderer Präsident derselben USA sein.

    Er mag ja sein Bestes geben. Aber nein, für den Friedensnobelpreis reicht das nicht.

  • D
    Dr.No

    Eva Quistorp :„Er spricht sich für kooperatives Handeln aus und gegen Finanz-, Klima- und Menschenrechtskrisen. Und Afghanistan ist eine komplizierte Sache – da möchte ich die Wahrheit nicht pachten.“

    Finanzkrise:

    Obama's Big Sellout

    The president has packed his economic team with Wall Street insiders intent on turning the bailout into an all-out giveaway

    Afghanistan:

    “We have strategic interests in South Asia that should not be measured in terms of finite times,” said Gen. James L. Jones, the president’s national security adviser, speaking on CNN’s “State of the Union.” “We’re going to be in the region for a long time.”

    http://www.nytimes.com/2009/12/07/world/asia/07afghan.html

    http://www.rollingstone.com/politics/story/31234647/obamas_big_sellout/print