: Streit der Städte im Norden
Schwelender Streit um mecklenburgische Landeshauptstadt/ Rostock gibt nicht auf/ In Schwerin werden schon die Räume der neuen mecklenburgischen Regierung möbliert ■ Von Lutz Jordan
Knapp vier Wochen vor den Landtagswahlen steuert der Städte-Streit im Norden der DDR auf einen neuen Höhepunkt zu. Während sich erst der neue Landtag in Mecklenburg-Vorpommern darauf festlegen will, ob Schwerin oder Rostock Hauptstadt des Landes wird, schafft Schwerin vollendete Tatsachen: Zu Beginn der Woche begann die dortige Verwaltungsbehörde, Platz für die künftige Regierung zu schaffen — und eckte damit bei vielen Institutionen in der Stadt an, die ihre Arbeitsplätze räumen mußten.
Rostock hat aber den Kampf um die Nummer eins in Mecklenburg noch lange nicht zu den Akten gelegt oder aufgegeben.
„Die neue Landesregierung ist zwar noch nicht gewählt, aber wir müssen jetzt schon Nägel mit Köpfen machen und entsprechende räumliche Bedingungen für die Regierungsarbeit schaffen“, erläutert Gunter Tünnemann, ein leitender Mitarbeiter des Operativstabes der Schweriner Verwaltungsbehörde, die zu Wochenbeginn die erste Etappe eines gigantischen Umzugsprojektes einleitete.
Unter tatkräftiger Hilfe von Soldaten der Nationalen Volksarmee richteten die Möbelpacker einen neuen Freizeittreff für die Regierung in einem geräumten Kindergarten ein.
Eltern und Erzieher konnten den Rausschmiß erst gar nicht glauben; nach dem ersten Schock kündigten sie dann Gegenmaßnahmen an. Zähneknirschen gibt's auch bei der Schweriner Philharmonie und der Musikschule. Beide Institutionen sollen zugunsten der neuen Regierung das Schweriner Schloß räumen. „Da werden sich die Möbelträger freuen“, unkt Tünnemann. Immerhin stünden die rund ein Dutzend schwerer Flügel und Klaviere des städtischen Orchesters ganz oben unterm Dach.
Die Abteilung Inneres der neuen Regierung soll vom Gebäude des Rates des Bezirkes in der Schloßstraße zur Bezirksbehörde der Polizei ins Arsenal am Papenteich ziehen. Der Katastrophenschutz mit seinem Verwaltungsapparat soll ganz aus dem Stadtgebiet heraus verlegt werden. Diese Veränderungen stellen erst ein Drittel des dreiwöchigen Umzugsprogrammes dar.
„Hoffentlich erweist sich dieser Aufwand am Ende nicht als überflüssig, denn der zu wählende Landtag muß Schwerin ja noch endgültig als Landeshauptstadt bestätigen“, sagt Tünnemann. Nach seinen Erkenntnissen sind seine Einwände alles andere als unbegründet. Denn die Rostocker haben ihre Hauptstadthoffnung noch nicht aufgegeben und bereiten sich ihrerseits in aller Stille auf eine eventuelle Aufnahme der Landesregierung vor.
Das belegt unter anderem ein neuer Vorstoß der Rostocker Bürgerinitative „Mündige Bürger“, die in der vergangenen Woche mit 40.000 Unterschriften aufwartete. Die Unterzeichner wollen im Zusammenhang mit der Landtagswahl am 14. Oktober einen Volksentscheid über die Landeshauptstadt erzwingen. Das mecklenburgische Landeswahlbüro fühlt sich freilich für die Wünsche der Initiative nicht zuständig. Nur das Bundesverfassungsgericht könne über den Antrag entscheiden, stellte eine Sprecherin klar. ap
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