: Streiks setzen Gewerkschaft unter Druck
Ab morgen fährt bei der BVG nichts mehr, heute bereits streiken die Müllmänner. „Wir können Berlin lahmlegen“, sagt die Gewerkschaft Ver.di. Für sie ist ein Erfolg unbedingt notwendig: Denn er hätte Signalwirkung für die gesamte Republik
Mit Warnstreiks bei der Stadtreinigung und den Wasserbetrieben beginnt für die Berliner heute eine Reihe von Arbeitskämpfen. Die Müllmänner wollen Bio- und Restmülltonnen stehen lassen und stattdessen für Lohnerhöhungen demonstrieren, wie die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di mitteilte. Die üblichen Abholtermine im Laufe der Woche verschieben sich nach Unternehmensangaben jeweils um einen Tag. Die Beschäftigten der Berliner Wasserbetriebe sind ganztägig zum Protest vor der Unternehmenszentrale an der Neuen Jüdenstraße aufgerufen. Geplant ist darüber hinaus eine Demonstration vom Roten Rathaus über die Spandauer Straße zum Molkenmarkt. An diesem Donnerstag hat außerdem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) angestellte Erzieherinnen und Lehrer zu einem Warnstreik an den Schulen aufgerufen. DPA
VON ANNA LEHMANN
Der soziale Friede in der Stadt ist dahin. Die Berliner müssen sich in dieser Woche nicht nur auf ungeleerte Mülltonnen am heutigen Dienstag und geschlossene Schulhorte am Donnerstag einstellen. Zum ersten Mal seit 16 Jahren werden auch die Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in einen unbefristeten Ausstand treten. Dabei sind sie nicht zimperlich: Ab Mittwoch früh wollen sie den Verkehr in Berlin lahmlegen, sagte Ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler am Montagabend.
Ver.di führt derzeit einen Dreifrontenkampf: Verkehrsbetriebe, Müllabfuhr und die Angestellten des öffentlichen Dienstes haben jeweils unterschiedliche Tarifverträge. Die Koordination ist leichter, als man denken mag: Die Aktionsleiter von Ver.di sitzen nicht nur im selben Haus, sondern sogar auf derselben Etage: „Wenn BVG und Müllabfuhr zeitgleich streiken, können wir Berlin lahmlegen“, frohlockt Uwe Borck, der die Warnstreiks bei der Müllabfuhr und den Wasserwerken koordiniert.
Die beiden und andere öffentliche Unternehmen werden von der Tarifgemeinschaft der Länder vertreten. Die Tarifgespräche sind noch im Gange, Ver.di fordert 8,9 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro zusätzlich für untere Einkommensschichten. Im Zuge von bundesweiten Warnstreiks leeren die über 5.000 Berliner Mitarbeiter heute weder Restmüll- noch Biotonnen, kehren keine Straßen und nehmen weder Recyclingprodukte noch Brennbares an. Beschwerden sind sinnlos, denn auch die Verwaltung streikt; nur die Anrufbeantworter arbeiten.
Am Mittwoch setzen die 12.000 Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe und der Tochterfirma Berlin-Transport ihren Arbeitskampf fort. Sie fordern 12 Prozent mehr Lohn für alle, die das Land Berlin als Arbeitgeber aber nur den knapp 1.600 Mitarbeitern der Tochterfirma BT zubilligen will. Diese verdienen deutlich schlechter als die BVGler.
Der öffentliche Nahverkehr wird ab morgen weitgehend durch einen unbefristeten Streik der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) lahmgelegt. Ab 3 Uhr morgens sollen keine Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen mehr fahren. Das teilte die Gewerkschaft Ver.di gestern mit. Auch die Verwaltung und die Werkstätten der BVG würden bestreikt. Lediglich S-Bahnen und Regionalbahnen fahren dann noch. Entgegen früheren Überlegungen beginnt der BVG-Streik damit in allen Betriebsteilen. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagte Ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler. Die unnachgiebige Haltung der Arbeitgeberseite und des Senats habe die Stimmung in der Belegschaft weiter aufgeheizt. Bei der Urabstimmung hatten sich 96,9 Prozent für einen Arbeitskampf ausgesprochen. Ver.di fordert 8 bis 12 Prozent mehr Geld für die rund 11.500 Beschäftigten der BVG und ihrer Tochter Berlin Transport. Der Kommunale Arbeitgeberverband hatte zuletzt eine stufenweise Erhöhung um 6 Prozent bis Ende 2010 angeboten.
Auch Schüler, die nicht auf Busse und Bahnen angewiesen sind, haben am Donnerstag schulfrei. Dann steigen jeweils 5.000 Lehrer und Horterzieherinnen aus. Eberhard Laube von der Vereinigung der Berliner Schulleiter erwartet eine rege Beteiligung. „Wir stellen es unseren Eltern frei, ihre Kinder zur Schule zu schicken“, sagt Laube, der auch Leiter der Spreewald-Grundschule ist.
Seit 2003 müssen sich die angestellten Lehrer und Erzieher wie alle anderen Landesbediensteten schon bescheiden. Denn Berlin hat sich 2003 aus dem Arbeitgeberverband verabschiedet und für seine Angestellten bis 2010 den sogenannten Solidarpakt – Geld gegen Freizeit – ausgehandelt. Wenn aber andere Bundesländer die Bezüge ihrer Bediensteten anheben, kann laut Vertrag auch in Berlin neu verhandelt werden. Darüber wollen Ver.di und Verbündete mit dem Senat reden. Doch der mauert. Es gebe keine Signale, den Beschäftigten vorzeitig mehr Gehalt zu gewähren, teilt eine Sprecherin des obersten Dienstherrn Ehrhart Körting (SPD) mit.
Auch bei der BVG will der Senat hart bleiben: „Wir warten darauf, dass Ver.di die Gespräche wieder aufnimmt“, so eine Sprecherin. Daran denkt man dort keineswegs. Die Verkehrsbetriebe gehören wie die Wasserwerke zu den bundesweit wichtigsten Flaggschiffen der Gewerkschaft, und die Tarifverträge setzen Maßstäbe: für andere Bundesländer und andere Branchen: „Wenn wir hier vernünftige Abschlüsse tätigen, werden wir auch Bewegung ins Tarifgeschehen im öffentlichen Dienst bringen“, sagt Ver.di-Aktionsleiter Borck. Ver.di muss also gewinnen – koste es, was es wolle.